200 Jahre Ortenburg in Bayern

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Das Wappen der Grafen zu Ortenburg ist die markanteste Hinterlassenschaft an die einstige gräfliche Herrschaft in Ortenburg. (Foto: Luckner)

200 Jahre Ortenburg in Bayern war eine Festveranstaltung am 17. Februar 2006 im ehemaligen gräflichen Empfangszimmer auf Schloss Ortenburg. Gefeiert wurde die 200-jährige Zugehörigkeit des Marktes zum Staat Bayern. Zuvor war Ortenburg jahrhundertelang eine reichsunmittelbare Grafschaft und damit ein unabhängiger, eigenständiger Staat. Veranstaltet wurde der Festakt vom Förderkreis Bereich Schloss Ortenburg gemeinsam mit der Marktgemeinde Ortenburg.

Allgemeines

Die Grafen zu Ortenburg waren von etwa 1120 bis 1805 in Ortenburg ansässig. Den letzten amtierenden Reichsgrafen Joseph Carl plagten jedoch große finanzielle Sorgen. Zu seinem Amtsantritt im Jahre 1801 hatten die Schulden des gräflichen Hauses bereits das Sechsfache der jährlichen Einkünfte angenommen. Diese abzutragen schien, trotz großer Sparmaßnahmen, nicht mehr möglich. Somit wurde nach Lösungen gesucht, die Idee einer Lotterie wurde rasch wieder verworfen, nur ein Verkauf oder Tausch kam noch in Frage. Schon 1803 hatten Verkaufsverhandlungen zwischen Bayern und Ortenburg begonnen. Die Wittelsbacher erhielten schließlich den Zuschlag. Für sie war die Grafschaft Ortenburg die Abrundung ihres Herrschaftsgebietes, zudem wollten die verhindern, dass österreichisch-kaiserlich gesinnte Adelige die Grafschaft erwerben und Einfluss im bayerischen Reichskreis gewinnen konnten.

1806 kam es schließlich zum Tausch der reichsunmittelbaren Grafschaft Ortenburg gegen das oberfränkische Tambach. Ortenburg wurde am 12. Februar 1806 förmlich an das damalige Königreich Bayern übergeben. Am 1. März 1806 erfolgte schließlich die offizielle Übernahme, dadurch wurde Ortenburg ein bayerischer Marktflecken.

Dies hatte Folgen für die Einwohner Ortenburgs. Schon 1805 hatte Bäcker Gottfried Bachmaier beklagt: „Die die bejammernswerthesten Vater- und Mutterlosen Waisen, die ihrer Unbehilflichkeit und dem Schicksale preisgeben stehen itzt Ortenburgs Bürger da.“ Die großen Verlierer dieses Tausches waren die Bürger Ortenburgs, da sie als bayerische Untertanen alle ihre Sonderrechte und Sonderstellungen verloren. Auch steuerlich standen sie schlechter da. Die Handwerksbetriebe standen zudem plötzlich unter viel größerer Konkurrenz. Zugleich versiegten die Handelsbeziehungen zu anderen protestantischen Gebieten und nach Wien. Der konfessionelle Unterschied zwischen Ortenburg und seinem Umland wirkte sich zudem noch lange in Wirtschafts- und Heiratsbeziehungen aus, politisch war er jedoch kein Thema mehr.

Mit Graf Joseph Carl verließ auch sein Hof Ortenburg. Rund 30 Personen standen in seinen Diensten. Dazu kamen Handwerker und Arbeiter in den gräflichen Eigenbetrieben wie den beiden Brauereien. Diese enorme Wirtschaftsfaktor und Arbeitgeber ging der Ortenburger Gegend nun verloren. Der Graf selbst war ein Gewinner des Tausches. Er erhielt die neu geschaffene Grafschaft Ortenburg-Tambach in Franken. Bayern übernahm zudem all seine Schulden. Der Graf durfte zugleich seinen Status als Reichsgraf behalten. Des Weiteren war er in Tambach nun näher an den anderen evangelischen Gebieten, wie denen der befreundeten Wetterauer Grafen. Graf Joseph Carl scheint keinerlei Bindung zu seinen Untertanen gehabt zu haben. Schon nach „Unterzeichnung eines Eventual-Tausch- und Verlassungs-Vertrages“ im Jahre 1804 mit Bayern verließ er Ortenburg und kehrte nicht mehr zurück. Bis zur endgültigen Klärung uns einem Umzug nach Tambach hielt er sich bei seinem Schwiegervater in Erbach im Odenwald auf. Nur ein Jahr bevor Graf Joseph Carl durch die Mediatisierung seine Gebiete sowieso an Bayern verloren hätte, befreite er sich durch deren freiwillige Dreingabe von 200.000 Gulden Verbindlichkeiten. Er hatte damit für sich und seine Familie das Bestmögliche herausgeholt.

Die gesamte Geschichte des Tausches wurde durch den Heimatforscher Markus Lorenz in den 1990ern aufgearbeitet, welcher darüber seine Diplomarbeit verfasst hat. Ohne diese Arbeit wären die damaligen Abläufe kaum bekannt. Darin untersuchte er die Folgen des Übergangs der Grafschaft Ortenburg in das entstehende Königreich Bayern.

Für viele Einwohner stellte der Tausch im Jahre 1806 ein Schreckensszenario dar. Im Jahre 2006 feierte der Markt dennoch die Eingliederung Ortenburgs in das Königreich Bayern. Längst sind die Einwohner in ihrer neuen Heimat angekommen. Das Selbstbewusstsein, das sie in den knapp 700 Jahren vorher als eigenständiges Gebiet aufgebaut haben, haben sie jedoch noch nicht verloren.

Festakt

Die Gäste des Festaktes, darunter (v.l.) Staatssekretär Franz Meyer, Landrat Hanns Dorfner, und Bürgermeister Reinhold Hoenicka. (Foto: Luckner)

Der offizielle Festakt fand am 17. Februar 2006 im ehemaligen gräflichen Empfangszimmer auf Schloss Ortenburg statt. Eingeladen hatten der Förderkreis Bereich Schloss Ortenburg gemeinsam mit der Marktgemeinde Ortenburg. Der Einladung gefolgt waren Bundes- und Landtagsabgeordnete, Staatssekretär Franz Meyer, geistliche Würdenträger, die Bürgermeister der Nachbargemeinden und jede Menge regionaler Prominenz.

Bürgermeister Reinhold Hoenicka begrüßte zuerst die Gäste mit einer kurzen Zusammenfassung der Geschichte der letzten 200 Jahre. Einen großen Teil nahm dabei die positive Entwicklung des Marktes innerhalb der letzten 30 Jahre ein. Seit der Gründung des Großlandkreises Passau im Jahre 1972 sei es mit der Gemeinde stets bergauf gegangen. Landrat Hanns Dorfner erklärte in seinem Grußwort: „Das Wissen um die Geschichte ist wichtig, um die eigene Identität zu bewahren.“ Bürgermeister Reinhold Hoenicka betonte zudem stolz: „Ortenburg ist vielleicht kein großer, aber nichtsdestotrotz ein nicht unwesentlicher Teil Bayerns.“ Staatssekretär Franz Meyer hatte ebenso nur lobene Worte für den Markt und die Bürger Ortenburgs. Zudem stellte er die Frage in den Raum „Was wäre Bayern ohne Ortenburg?“.

Der erste Festredner war Heimatforscher Markus Lorenz, welcher der Festgesellschaft die Ereignisse um 1806 näher brachte. Ein Ortenburger aus dem Jahre 1806 hätte an eine solche Entwicklung wahrscheinlich nicht geglaubt. Angst vor der ungewissen Zukunft und Trauer um den Verlust des Sonderstatus prägten vor 200 Jahren die Stimmung in der Grafschaft. In Schmähbriefen wurde dem Grafen vorgeworfen, er lasse seine Untertanen im Stich. Die Grafen hinterließen der Bevölkerung aber mit de Schloss und der reichen Geschichte ein wichtiges Pfund zurück, mit dem sie auch in Zukunft, vor allem was den Tourismus angeht, ausgiebig wuchern wollen.

Der zweite Festredner des Abends war Prof. Claus Grimm vom Haus der Bayerischen Geschichte. Prof. Grimm war der Einladung von Bürgermeister Reinhold Hoenicka gefolgt, um über eine mögliche Landesausstellung in Ortenburg zu reden. Der Professor war dem nicht abgeneigt über eine solche Veranstaltung nachzudenken. In seinem Vortrag konzentrierte er sich auf die bayern- oder europaweiten Verbindungen der Ortenburger und spann schon Ideen für eine zukünftige Ausstellung.

Tags darauf, am 18. Februar 2006 hiet Markus Lorenz einen ausführlichen, öffentlichen Vortrag über das Geschehen um 1806 im Ortenburger Rathaus.

Literatur

Fachliteratur

  • Markus Lorenz: Der Übergang der Grafschaft Ortenburg an Bayern im Jahr 1805. In: Ortenburg – Reichsgrafschaft und 450 Jahre Reformation (1563-2013), Ortenburg 2013 (S. 270-280).
  • Markus Lorenz: 200 Jahre Ortenburg in Bayern. Vortrag am 17. Februar 2006. Seiten 1 bis 6 (PDF; 929 kB); Seiten 7 bis 12 (PDF; 879 kB).
  • Markus Lorenz: Ortenburger Geschichtsblätter – Der Übergang der Grafschaft Ortenburg an Bayern im Jahr 1805, Heft 2, Griesbach im Rottal 1997.
  • Markus Lorenz: Der Übergang der Grafschaft Ortenburg an Bayern (1805). Tradition und Umbruch in einer Adelsherrschaft, Diplomarbeit im Studiengang Staats- und Sozialwissenschaften, Universität der Bundeswehr München, Neubiberg 1996.

Zeitungsartikel

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Veranstaltungen (Auswahl)
Ein Hauch von Gold (2004) — 200 Jahre Ortenburg in Bayern (2006) — Ortenburg-Woche (Mitveranstalter, 2010) — 450 Jahre Reformation in Ortenburg (Mitveranstalter, 2013)