Deggendorfer Gnad

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Darstellung der angeblichen Hostienschändung zu Deggendorf, in: Warhaffte History, Was sich mit dem Hochwürdigisten Sacrament des Altars zu Deggendorff, durch unmenschliche geübte Boßheit der Juden, verloffen. Mit schönen Kupffern geziehret, Regenspurg 1716, S. 15. (Bayerische Staatsbibliothek)

Die Deggendorfer Gnad war eine alljährlich stattfindende, antijüdische Hostienwallfahrt zur Heilig-Grabkirche St. Peter und St. Paul in Deggendorf. Die auf einer mittelalterlich-judenfeindlichen Hostienfrevel-Legende beruhende Wallfahrt bestand ab ca. 1361 und wurde erst 1992 aufgelöst.

Geschichte

Zeitgenössischen Quellen zufolge wurden am 30. September 1338 die Juden in Deggendorf überfallen und ermordet oder vertrieben. Vermutlich stand diese Aktion in direktem Zusammenhang mit dem Zahltag an Michaeli (29. September). Durch die Aneignung der jüdischen Güter konnten die Bürger den hohen Schuldenberg der Stadt abbauen. Auch in den Tagen darauf kam es zu weiteren, pogromartigen Massenmorden an Juden in der Umgebung von Deggendorf.

Am 14. Oktober 1338 sprach Herzog Heinrich XIV. von Bayern die Deggendorfer Bürger von aller Schuld frei. Vermutlich an der Stelle der zerstörten Synagoge errichtete man die Heilig-Grabkirche, die 1361 geweiht wurde.

Erst nach 1370 spricht eine bayerische Quelle von einem ausdrücklich als üble Nachrede (lat. infamia) bezeichneten Verdacht, Juden hätten Hostien geschändet und seien deshalb in weiten Teilen Bayerns und Österreichs ermordet worden. Somit lag bereits eine entsprechende mündliche Überlieferung vor, die wohl in der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts mit dem Gedicht von den Deggendorfer Hostien voll zur Legende ausgeformt wurde. Vermutlich wurde das Gedicht von einem fahrenden Sänger im Auftrag eines Deggendorfer Bürgers angefertigt. Darin wird der Deggendorfer Judenmord nachträglich mit einem angeblichen vorausgegangenen jüdischen Hostienfrevel gerechtfertigt und damit auch in einen direkten Zusammenhang mit dem Kirchenbau gebracht. Trotz innerer Widersprüche und sachlicher Fehler (Ostern 1337 als Datum der Hostienschändung) diente das Gedicht in späteren Legendenversionen als Begründung der Wallfahrt. Die einzige in der Legende genannte Person ist ein nicht existenter Hartmann von Degenberg.

In der Folgezeit entwickelte sich die Wallfahrt. Der Name „Grabkirche“ rührt von einer Grube in der Kirche, in der die geschändeten Hostien in einem Brunnen aufgefunden worden sein sollen. In einem Kultgefäß wurden dementsprechend zehn Hostien gelagert und ausgestellt. Ihren Höhepunkt erreichte die Wallfahrt 1737 mit 140.000 Pilgern. Bei aller Beliebtheit führte die Wallfahrt allerdings auch zur Infragestellung des angeblichen Hostienfrevels.

Aufgrund der Doktorarbeit von Manfred Eder, die von kirchlichen Kreisen veranlasst wurde, wurde die Wallfahrt im März 1992 vom Regensburger Bischof Manfred Müller mit einer Bitte um Vergebung aufgelöst, da die Verflechtung der Wallfahrt mit dem Pogrom und dem Judenmord für die katholische Kirche nicht mehr tragbar war.

Weblinks