Dorfladen (Kramerladen)

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Um 1905 entstand in Anzenkirchen das Lichtbild der „Kurz & Schnittwaren Handlung Ludwig Kölbl“. (Foto: Bildarchiv Martin Ortmeier)

Der Dorfladen (Kramerladen) war von zirka 1850 bis zirka 1975 neben Kirche und Wirtshaus eine wesentliche Versorgungseinrichtung auf dem Land. Die Warenpalette umfasste gewöhnlich vor allem Landesprodukte, später auch Kolonialwaren.

Geschichte

Die Menschen auf dem Land versorgten sich so gut es ging aus den Erträgen ihres eigenen Anwesens. Brotgetreide, Eier und Milch, sogar das Leinen für die Kleidung wurde lange Zeit auf jedem Hof hergestellt. Schmied und Wagner, Bäcker und Metzger gab es in größeren Dörfern. Wäsche- und Bekleidungshäuser, Eisen- und Haushaltswarengeschäfte und Apotheken fanden sich in den Landstädten. Bürsten und Besen, Körbe, Webbänder, Schmucktücher und Schnürsenkel, Fensterglas, Heiligenbilder und Schuhcreme boten Hausierer auf ihren Wegen über Land an den Haustüren zum Kauf an.

Der Kaufmann Stefan Weber ließ um 1955 diese Postkarte des Pfarrdorfes Egglham im niederbayerischen Holzland drucken. (Archiv Martin Ortmeier)
Das Kaufhaus „M. Strasser“ stand in Wesenufer, einem oberösterreichischen Dorf an der Donau, ein gutes Stück flussabwärts von Passau. (Foto: Gottfried Strasser, um 1910, Bildarchiv Martin Ortmeier)
Bis 2000 stand Therese Wiesmeier in ihrem Laden „Lebensmittel – Kurzwaren“ in Frauenhaselbach bei Neumarkt-St. Veit (Foto: Martin Wiesmeier, 1996, Bildarchiv Martin Ortmeier)

Ein Dorf, in dem ein Kramerladen angesiedelt war, durfte sich glücklich schätzen. Hier konnte jeden Tag Frisches, vieles Notwendige und manches Erwünschte eingekauft werden. Vom Kramer und der Kramerin konnte man Neues erfahren, die Kunden konnten selbst Mitteilenswertes „unter die Leute“ bringen. Man traf sich im Laden und vor der Tür.

Das Warenangebot des Dorfkramers war eine Welt im Kleinen, „von allem ein wenig“: Haushaltswaren und Lebensmittel, Hygiene- und Luxusartikel, Öle, Fette und Lacke, Kurzwaren, Schreibwaren und Schulbedarf. Mit Kaffee und Kakao waren auch Kolonialwaren „bis ins letzte Dorf“ gekommen. Stricke, Ketten, Wetzsteine und Holzschuhe wurden für die Landwirtschaft angeboten. Süßigkeiten, Wundertüten und Sammelbilder lockten Kinder in den Laden. Tabak und Zigaretten fragten Bauern und Arbeiter nach, Pralinés und „Tosca“ die Frauen.

In die Fenster waren zur Werbung Waren gestellt, emaillierte Schilder waren an der Fassade montiert. Eine Werbetafel verweist in Anzenkirchen bei der „Kurz- und Schnittwaren-Handlung“ von Ludwig Kölbl auf die Handelsware der fränkischen Textilfirma Franck. In Wesenufer sind an den Läden der Türe Werbetafeln für Tabak, Feigenkaffee und Maggi Suppenwürze angeschlagen, eine Rolle Maschendraht und eine glänzend verzinkte Gießkanne sind in die Türlaibung gestellt.

Manche Dinge gibt es nicht mehr: Ärmelhalter, Hosenträger-Biesen oder Strumpfhalter-Hänger z.B. Sie sind aus unserem Leben verschwunden – wie die Kramerläden auf den Dörfern.

2013 bis 2015 rekonstruierten Dr. Martin Ortmeier und Roswitha Klingshirn im Freilichtmuseum Massing einen ländlichen Kramerladen mit einem Darstellungszeitraum um 1955. Zur Ausstattung diente u.a. die Ladeneinrichtung des Lebensmittelladens von Johann und Therese Wiesmeier in Frauenhaselbach (Neumarkt-St. Veit).

Literatur

  • Martin Ortmeier: Seinerzeit auf dem Land. Alte Bilder von Frauenalltag und Männerwelt in Ostbaiern. Regenstauf 2018, ISBN 978-3-95587-736-1