Bodenmaiser E-Werk

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Arbeiten an der ersten Stromerzeugung im Bayerischen Wald: Die Baustelle für das Einlaufwehr unterhalb der Rieslochfälle im Oktober 1908, ein halbes Jahr vor der Inbetriebnahme. (Foto: Firmenarchiv Zistler)
Der Rohbau der Kraftzentrale am Rissbach im Novemer 1908. Die Anlage wurde auf Betreiben des Fördervereins Bodenmaiser Geschichte und Kulturdenkmäler in die Denkmal-Liste aufgenommen. (Foto: Firmenarchiv Zistler)

Das Bodenmaiser E-Werk, eigentlich Erste Staatliche Elektrische Zentrale in Bayern, ist eine im Mai 1909 in Betrieb gegangene Wasserkraftanlage in Bodenmais.

Der Bau dieser Wasserkraftanlage verfolgte mehrere Ziele: Zum einen benötigte man Kraftstrom für das Bergwerk, die Aufbereitung, die Farbhütte, die Rösthütte, die Handwerksbetriebe und für die Holzfabriken. Zum anderen sollte die Versorgung der Betriebs- und Verwaltungsgebäude, sowie der Privathaushalte mit Lichtstrom gewährleistet sein.

Geschichte

Anlass für den Bau

Die Grundlagen für eine gedeihliche Fortentwicklung der Vitriol- und Farbhütte wurden mit der technischen Aufrüstung des Berg- und Hüttenwerkes in den Jahren 1881 und 1884 geschaffen. Aber die Energieversorgung war nicht gesichert, da man zunächst die Betriebskraft zur Endverarbeitung der Erze aus dem Silberberg nur dem Rissbach entnehmen konnte.

Doch seine Wasser reichten nicht mehr aus, um die 1871 installierten Maschinen in Gang zu halten. Das Wasserrad wurde 1890 durch eine Dampfmaschine erstezt und diese wiederum durch eine 35-PS-Turbine im Jahre 1892. Doch auch diese Erneuerungen konnten den erhöhten Anforderungen nicht entsprechen. 1903 stand Pläne für die Erbauung einer mechanischen Aufbereitungsanlage auf dem Seilberberg an. Zugleich wurde mit der Planung einer „Wasserkraft-Anlage mit elektrischer Kraftübertragung“ begonnen.

Auswahl des Standortes

Ingenieure aus München begannen im November 1905 mit reglmäßigen Druck- und Mengenmessungen im Rissbach, im Moosbach und im Rotbach, den richtigen Standort für die künftige Wasserkraftanlage zu ermitteln. Das Ergebnis des Planungsbüros lautete: „Die ersten zwei Bäche ergießen sich in starkem Gefälle und großen Kaskaden von ihrem Ursprung in den Bodenmaiser Talkessel und bilden in ihrem Verlaufe zwei der schönsten Wasserfälle des Bayerischen Waldes, nämlich der eine den Rißbachfall und der andere den Hochfall. Sie eignen sich daher zum Ausbau von verhältnismäßig billigen Hochdruck-Anlagen, während der Rotbach durch einen Mitteldruckwert mit Stausee (im Böbrach-Tal) auszunützen wäre“. Das Rennen machte der Rissbach.

Die einzigen Bedenken gegen dieses Projekt hatten der Holzwarenfabrikant Josef Stern („Specialtät Zahnstocher“) und der „Zündholzstoßer“ Wolfgang Brunner. Beide sahen sich durch die Wasserentnahme für ein mögliches E-Werk in ihrem Gewerbe beeinträchtigt. Doch diese Bedenken wurden beiseite geschaffen.

Bau des E-Werkes

Vom Einlauf- und Sperrwehr (885 m über NN), welches sich gleich unterhalb der Rieslochfälle befand, wurde das Wasser über eine 1.648 Meter lange Zementrohr-Hangleitung zum Wasserschloss (872 m über NN) geführt. Der Oberbau dieses Gebäudes wurde aus Holz gezimmert, ruht auf einem Mauerwerk und passt sich äußerlich als Almhütte dem Charakter dieser Gegend an.

Schwierige Arbeitsbedingungen herrschten vor, denn die Arbeiter der Bohr- und Sprengmannschaften, welche vom Berg- und Hüttenamt gestellt wurden, mit Seilen gesichert werden mussten. Die tägliche Bohrleistung von geübten Bergmännern überschritt nur selten zwei Meter, da der anstehende Gneis sich als sehr hart erwies.

Auch die Beschaffung von finanziell erschwinglichem Baumaterial erwies sich äußerst schwierig. Insgesamt wurden für den Bau des E-Werks von Beginn der Baumaßnahmen im August 1908 bis zur Fertigstellung Mitte Mai 1909, 180.000 Mark aufgebracht.

Da aus finanziellen Gründen die Kosten für den Bau so gering wie möglich gehalten werden mussten, fertigten sich die Arbeiter ihr eigenes Baumaterial an. Dazu wurde rotbrauner „Kiesabbrand“ oder „Hüttensand“ aus der Potéehütte verwendet. Da dieses Material mit scharfkantigen Quarzteilchen, Schwefelkiessplittern und Eisenoxid verunreinigt war, wurde es mit Portlandzement gebunden. Daraus fertigten die Arbeiter „Probekörper“ wie Mauersteine, Markpflöcke oder gar Monierrohre an. Diese wurden dem Winter über dem Wetter ausgesetzt waren und sich tatsächlich als haltbar bewährten. Auf diese Weise wurden die benötigten 1.650 Meter Leitungsrohre mit nur drei Mörtelmaschinen in rund zwei Monaten an Ort und Stelle hergestellt.

Für den Materialtransport der selbstproduzierten Bauteile konstruierte man eine eigene Seilaufzugbahn. Diese wurde von einer „Benzinlokomobile“ mit einem 6-PS-Motor betrieben. Somit waren täglich 18 bis 20 Fahrten mit einem Gewicht von insgesamt 10.000 Kilogramm, bei einer Bahnlänge von 600 Metern und einem Höhenunterschied von rund 155 Metern möglich. Diesen Anlass nutzten ganze Scharen von Bodenmaisern, wanderten in das Rissloch, nur um dieses technische Wunderwerk zu bestaunen.

Zu dem E-Werk wurde etwas weiter entfernt ein Maschinenhaus gebaut. Die „Kraftzentrale“ wurde so gebaut, dass neben der Turbine und dem Generator auch Wohnungen für den Maschinisten und eine Werksbeamten untergebracht wurden. Im Jahre 1909 wurde am Silberberg auch eine Aufbereitungsanlage zur Weiterverarbeitung errichtet.

Die Rieslochfälle verloren durch die Ableitung des Wassers erheblich an Wasserreichtum.

Betrieb des E-Werkes

Das Fließwasser gelangte vom Wasserschloss aus in einer 951 Meter langen Druckleitung, welche ein Gefälle von 186 Metern hatte, zur Turbine im Maschinenhaus. Diese lag 676 Meter über Normalnull. Bei einer Schüttung von 250 Litern Wasser pro Sekunde (wenn die Schneeschmelze einfällt) konnte eine Leistung von 360 PS erzeugt werden. Der Jahresdurchschnitt lag bei einer Flutmenge von 140 Litern bei 216 PS.

Da die Turbine mit einem Drehstromdynamo verbunden war, wurde der erzeugte Strom mittels einem unterirdisch verlegten Hochspannungskabels zur Hütte am Rissbach weitergeleitet. An dem 800 Meter entfernten Ort wurde ein Teil der elektrischen Energie zur Speisung eines 30-PS-Drehstrommotors verwendet. Dies transformierte man auf eine 110-Volt-Spannung, welche man für Beleuchtungszwecke nutzte. Das Hauptkontigent wird in Form von hochgespanntem Strom in die 1.400 Meter entfernte Aufbereitung abgegeben.

Später wurde das Hochspannungskabel bis zum Mundloch des Barbarastollens verlängert. Dort lieferte es den benötigten Starkstrom für den Antrieb von Bohrmaschinen, Haspeln, Pumpen, u.v.m. der einzelnen Betriebe.

Reaktionen der Bevölkerung

Die erste staatliche elektrische Zentrale in Bayern, so die offizielle Bezeichnug des Elektrowerkes, war für die Entwicklung des Ortes Bodenmais von ungeahnten Nutzen. Die Bevölkerung war dem Projekt gegenüber allerdings zunächst argwöhnisch. Doch bis 1920 hatten sich rund 200 Hausbesitzer dazu durchgerungen, sich „vom Bergamt das Licht einrichten“ zu lassen. So traten an die Stelle von Petroleumlampen und Wachskerzen der Lampenschirm und die Glühbirne.

Ausstellung

Im Schalterraum der Sparkasse Bodenmais ist Mitte 2009 eine Sonderausstellung zu sehen, die Original-Dokumente zur Geschichte der Elektrifizierung in Bodenmais zeigt.

Literatur