Fletz

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Die gewölbte Fletz des Petzi-Hof-Wohnhauses verläuft quer durch das ganze Gebäude. (Photo: Martin Ortmeier, 2018)

Fletz ist das altbairische Wort für Hausflur. Dominant ist die weibliche Form, der Duden[1] nennt „das“ oder „der“.

Beschreibung

Im ländlichen Raum fand im Verlauf des Mittelalters eine fortschreitende Trennung der Wohnräume des Menschen von den (Winter-)Stallungen des Nutzviehs statt. Lange Zeit war die Tenne wesentliche Funktionsachse im Bauernhaus. Beim Mittertennhaus, wo Fletz und Tenne parallel quer durchs Haus verlaufen, ist die Trennung Fletz–Tenne am deutlichsten ablesbar – ein Beispiel ist die Marxensölde im Freilichtmuseum Massing.

Die Fletz dient im Bauernhaus der Erschließung des Wohnbereichs, vor allem der Stube, der Rauchkuchl und des Obergeschosses (bzw. Dachbodens), außerdem des Stalls. In differenzierteren Bauten des 19. Jahrhunderts sind zudem Milchkammer und Austragskammer zur Fletz hin orientiert.
Häufig führt die Fletz quer durch das ganz Haus und erschließt einen hinteren Zugang, kleinere Bauten in engerem Dorfverband haben am Ende der Fletz die Rauchkuchl platziert. Schmale Oberlichten über den Haustüren versorgen die Fletz mit Tageslicht.
Wenn zwischen Fletz und Tenne (bzw. beim Mitterstallhaus dem Stall) zusätzliche Räume eingeschoben sind, zweigt von der Fletz im rechten Winkel ein Tenngangl oder Stallgangl ab.

Das Rottaler Bauernhaus hat systematisch eine breit angelegte Fletz. „Der Hausflur, die ‚Fletz‘, verläuft mittig, häufig bis zu einer Tür an der rückwärtigen Giebelseite. Er ist breit, wird über je ein Fenster an den beiden Giebelseiten belichtet. In den Sommermonaten stand hier meist ein Tisch, an dem die Mahlzeiten der warmen Tageszeiten eingenommen wurden.“[2] Ein Fenster an beiden Enden der Fletz ist beim Rottaler Bauernhaus obligatorisch.

Bei gemauerten Bauernhäusern des Bayerischen Wald, die mit fließendem Wasser ausgestattet sind, ist häufig eine Wasserkuchl oder Fletzkuchl an der Kommunwand von Fletz und Stube vorzufinden. Vom Stubenherdofen wird in dieser Fletzkuchl ein Wasserbehältnis erhitzt, das Sachl und der Petzi-Hof im Freilichtmuseum Finsterau belegen diese Praxis.

Der altbayerische Blockbau-Haustyp Seitenflur-Haus (oder, weil sich die Haustüre an der Giebelseite nahe dem Hauseck befindet: Eckflur-Haus) wird hauskundlich als „Eckfletz-Haus“ geführt.

Belege für die Verwendung des Begriffs „Fletz“ beim Bürgerhaus und anderen Stadtbauten liegen hier nicht vor.

Die Fletz ist im Einfirst-Bauernhaus die wesentliche Erschließungsachse: (hier im Sachl in Finsterau) links zur Stube, dann zur Fletzkuchl (mit dem Warmwasserkessel), dahinter der Aufstieg zum Dachboden, rechts zum Stadel, dahinter der Abstieg zum Keller, geradeaus zum Stall. (Photo: Martin Ortmeier, 2018)

Der Begriff Fletz

Gesprochen wird „Fletz“ mit offenem „e“, deshalb wird gelegentlich die Schreibweise „Flez“ bevorzugt. In der hauskundlichen Fachliteratur ist „Fletz“ Standard.

In den Wort- und Begriffserklärungen zu den Quellen des Mittermayrhof im niederbayerischen Riederstham zitiert der Autor Mathias Ueblacker den Begriff „Flöz“ und erläutert ihn als „Hausflur im Erdgeschoss“.[3] Das bairische „Fletz“ ist verwand mit dem hochdeutschen Fachwort „Flöz“ für die ausgedehnte Lagerstätte eines abbaubaren Rohstoffs und deshalb in hochsprachlichem Bemühen oft so geschrieben.

Das Bayerisch-Österreichisches Wörterbuch[4] notiert: Sp. 1041: „[Fletz]b. Bank im Hausflur: °Flötzbank Frasdf RO“ – Sp. 2008: „Im Fletz, da hamma an Loam-bodn drin ghot, der is a(n)gmacht wom mit Ogn Traidersdf KÖZ BJV 1952,25“ – Sp. 320: „°OB, °NB, °OP mehrf.: °in da Fletz [Hausgang] ham die a kloans Hausaltarl Mallersd.“

Wikipedia vermerkt Fletz nur am Rande[5]: „In Kärnten und der Steiermark findet sich das alte Wort Lab'n. Im Fränkischen wird er Ern genannt, früher wurden in ganz Süddeutschland die Bezeichnungen Öhrn, Aehrn oder Hausährn verwendet. Im ostbayerischen Raum wurde auch der Ausdruck Fletz (von mittelhochdeutsch vletze) benutzt.“
In mhd. ist „vletze“ auch „ebenes Flussufer“ und „Lagerstatt“, das Verb „vletzen“ meint u.a. "(Weg) ebnen".

Fletz wird gelegentlich auch die „Flack“ (gesprochen mit geschlossenem a) genannt, das Lager auf dem in die Stube ragenden Backofengewölbe oder das hölzerne Bettgestellt über einem Stubenofen (im alpinen Raum). Die privilegierte Mittagsrast des Bauern auf dem Kanapee wird manchmal als „auf der Fletz liegen“ bezeichnet.

Literatur

Eberhard Kranzmayer: Die südostdeutschen Namen des Hauflurs, in: Bayerisch-Südostdeutsche Hefte für Volkskunde. Mitteilungen der Bayerischen Landesstelle für Volkskunde / Amtliches Nachrichtenblatt der Wörterbuchkommissionen der Akademien der Wissenschaften in München und Wien 13. Jg.1940, Heft 5/6, S. 65–69

Anmerkungen

  1. Das Lemma „Fletz“ im Online-Duden
  2. Martin Ortmeier: Das „Rottaler Bauernhaus“ . In: Niederbayern. Bauernhäuser in Bayern. Dokumentation Band 5 (Hg. von Baumgartner, Georg und Helmut Gebhard). München, S. 89-96
  3. „Flöz“ = „Hausflur im Erdgeschoss“, s. Mathias Ueblacker: Der Vierseithof des Mittermayr zu Riedertsham. Zu Buchführung und Bauunterlagen des Johann Mayer von 1822 bis 1850. Mit einem Beitrag aus den Sandbacher Geschichtsblättern, Heft 3, 1988 / und einer erläuterten Transkription zur Chronik von Johann Mayer „Beschreibung Oder Gründliche Denkmall, der Unglücks Fälle, Auf dem Pfadt Meines Lebens“ . München 2012, ISBN 978-3-86222-110-3, S. 140
  4. Bayerisch-Österreichisches Wörterbuch. II. Bayern. Bayerisches Wörterbuch (BWB). Herausgegeben von der Kommission für Mundartforschung, München (R. Oldenbourg) 1995-2002, ISBN 3-486-56629-6 ([1])
  5. Notiz Begriff Fletz in Wikipedia beim Lemma „Hausflur