Glockengießerei Rudolf Perner

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Blick in die Glockengießerei Perner in Passau.
Glocken der Familie Perner läuten auf der ganzen Welt: von Budapest bis Bethlehem, von Passau bis Kathmandu.

Die Glockengießerei Rudolf Perner GmbH & Co. war eine Passauer Glockengießerei. Der Betrieb wurde bis 2013 in der dritten Generation nach den gleichen traditionsverpflichteten Regeln der Handwerkskunst vom Sohn und Enkel Rudolf Perners geführt. Glocken aus ihrer Gießerei finden sich überall auf der Welt, unter anderem auch in Bethlehem oder Tokio; auch die größte Glocke des Passauer Stephansdoms, die 1952 gegossene und 7.850 kg schwere Pummerin (fis°), stammt aus der Hand dieser Gießerei.

Die Perners haben unter anderem auch die D-Dur-Glocken erfunden.

Geschichte

Ursprünge

Die Inschrift einer Glocke in Mähren („David Perner goss mich 1675“) und die einer Glocke in Luck bei Karlsbad („J. Perner anno Domini 1699“) lassen schon auf die große Tradition des Glockengießens der Familie Perner rückschließen. 1701 erhielt ein Jan Perner in Pilsen das Stadtrecht, im Zentrum der böhmischen Stadt wurden bis 1905 Glocken gegossen. In Budweis arbeitete ab Mitte des 18. Jahrhunderts ein weiterer Familienzweig, der schon Ende des 19. Jahrhunderte die bronzenen Schwergewichte bis Westafrika lieferte.

Verlegung nach Passau

Erst Rudolf Perner, der den Betrieb Anfang des 20. Jahrhunderts übernahm, verlegte ihn in Folge seiner Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg schließlich nach Passau. Dort baute er mit bischöflicher Unterstützung in einer ehemaligen Ziegelei ein neues Werk auf. Der riesige Nachholbedarf nach dem Weltkrieg, in dem viele Kirchen zerstört, Glocken eingeschmolzen worden waren, sorgte für Aufträge. Ein goldenes Zeitalter war angebrochen: Die Perners lieferten bald Glocken in ganz Deutschland und Österreich aus. Auch die Pummerin im Passauer Dom mit ihrem Gewicht von acht Tonnen stammt aus den Pernerschen Gussformen.

Dann ein Schicksalsschlag: Der Juniorchef starb, Rudolf Perner übernahm mit 74 Jahren nochmal die Verantwortung und sorgte dafür, dass sein Enkel Rudolf III. die Firma ab 1993 fortführen konnte.

Bei der Verschiffung der Budapester Friedensglocke am 18. August 1990 auf der Donau bei Passau.

Aufträge in aller Welt

1990 hatten die Perners, unterstützt von einer großen Spendenaktion aus europäischen Ländern, allen voran Deutschland, die größte Glocke Ungarns für die Stephansbasilika gegossen. Die 9.250 Kilo schwere Friedensglocke für den Budapester Stephansdom wurde am 18. August 1990 im Beisein der Passauer Goldhaubenfrauen auf der Donau verschifft und zwei Tage später in Budapest geweiht. Max Streibl, der sich als Spender beteiligt hatte, sandte ein Grußwort. 1993 wurde dieses Geläute vervollständigt mit weiteren vier Glocken aus Passau. Siebzehn Jahre später ging 2010 – nach fünf Jahren Planungen und Verhandlungen – auch der Zuschlag für die Matthiaskirche an den Passauer Glockenbaumeister. Die Glockenanlage wurde dabei um drei Glocken ergänzt, am 1. Oktober 2010 wurde die größte Glocke gegossen.

Eines der anspruchsvollsten Projekte war das Trivatna-Projekt. Dabei gossen die Passauer Friedensglocken an heiligen Plätzen in Indien und Burma, mit Schriftzügen nicht nur auf der Außen-, sondern auch auf der Innenseite: 29 Gießereien waren zuvor angefragt worden, der Auftrag ging an Perner.

Insgesamt wurden tausende Bronzeglocken seit 1947 von Passau aus auf die Reise geschickt. Sie schwingen in den Türmen der „Kirche am Hirtenfeld“ in Bethlehem ebenso wie in Shanghai oder im Andachtsraum der Bundeswehr in Afghanistan. Aber auch Geläute in Deutschland stammen von den Perners, so beispielsweise die Glocken der Münchner Frauenkirche oder der Florianskirche in München-Riem. Ebenso wurden ergänzende Glockengüsse von Perner vorgenommen, wie etwa beim Freisinger Domgeläute. 1972 wurde sogar die Senatsglocke des Bayerischen Senats – die von Gustav Haydn gestiftet worden war – hier gegossen. Darüber hinaus hat Perner das Klangbild in Forschungsarbeiten mit der TU München und der Bundeswehr-Universität Neubiberg vervollkommnet, bis auf einen Sechzehntelhalbton genau klingen die Glocken aus Passau.

Aufgabe des Betriebs

Anfang 2013 gab Rudolf Perner bekannt, dass die über 400-jährige Familientradition des Glockengießens im Sommer 2013 eingestellt wird. Der Betrieb sei langfristig nicht mehr wirtschaftlich rentabel. Grund für die wenigen Aufträge sei die Langlebigkeit der Glocken – in Iggensbach bei Deggendorf beispielsweise läutet die älteste Glocke Deutschlands, sie wurde bereits im Jahr 1144 angeschafft. Die einzigen Regionen mit steigender Nachfrage seien Osteuropa und in Übersee, wo aber andere Glockengießereien vorhanden sind.

Bis zur Schließung am 30. August 2013 waren noch Aufträge in den Büchern, die planmäßig abgearbeitet wurden. Danach beendete Bayerns letzte Glockengießerei und eine der ältesten Firmen Ostbayerns ihre eigentliche Tätigkeit. Für das Familienunternehmen mit böhmischen Wurzeln endete damit eine 400-jährige Geschichte, für Passau eine fast 900 Jahre Glockentradition. Seither konzentriert sich das Unternehmen hauptsächlich auf die Wartung und den Service. So ist die Glockengießerei für nahezu alle im bayerischen Raum vorkommenden Geläute und deren Instandhaltung zuständig, spätestens seit die Erdinger Glockengießerei in den 1970er Jahren ihren Betrieb aufgab.

2017 wurde dann – erstmals seit Betriebsaufgabe – wieder in kleinem Umfang gegossen: Nach drei Jahren komplett ohne Gießen fertige Perner ein paar Aufträge für Kunden, die sich Glocken in Moll oder Dur wünschen, die im traditionellen Lehmgussverfahren hergestellt werden.

Kunden (Auswahl)

Die Glockengießerei Perner hat unter anderem Glocken für folgende Einrichtungen hergestellt:

  • Frauenkirche München („Cantabona“, „Michael“, „Speciosa“)
  • Störtebecker-Haus in Hamm-Süd („Störtebecker-Glocke“)
  • St.-Pankratius-Kirche, Gütersloh („Glaube“, „Hoffnung“, „Liebe“)
  • Filialkirche St. Ursula, Landkreis Günzburg („Benedikt-Glocke“)
  • Pfarrkirche Gröbming („Maria“, „Benedikt“, „Josef“, „Anna", „Barbara“)
  • Kirche St. Matthias, Gochsheim („Christus-Glocke“, u.a.)

Galerie

Kontakt

Glockengießerei Rudolf Perner GmbH & Co.
Stephanstraße 18-20
94034 Passau

Telefon: +49 851 95529-0
Telefax: +49 851 54912

E-Mail: info@perner.de
Internet: www.glocke.com

Literatur