Gstanzl Singen

Aus RegioWiki Niederbayern
Wechseln zu: Navigation, Suche
Datei:Pnp-03-06-2010-quirin.jpg
Der "Isarspatz" 2010 Quirin Weber. Foto: Birgmann.
Der amtierende "Isarspatz" 2008 Corinna Mayerhofer und Mutter Irmi. Foto: Willmerdinger.
Hermann Fleischmann. Foto: Holzfurtner.

Das Gstanzl-Singen oder auch gereimte „Derbleckn“ gehört vor allem nach Bayern und Österreich, auch wenn sich der Name der Gstanzln wahrscheinlich aus der italienischen „stanza“ herleitet. Auch diese „Strophe“ trumpfte schon mit einem besonderen Schluss auf. Mancherorts war das, was heute Gstanzl heißt, aber früher auch als „Schnaderhüpfl“ bekannt. Es sind auf jeden Fall Vierzeiler im 3/4-Takt. Beim Reim sind so gut wie alle Kombination möglich - von den braven Paarreimen bis zu vier freien Zeilen. In Ausnahmefällen, so weiß es die Gstanzl-Literatur, darf der Sänger sogar ins Hochdeutsche ausweichen, wenn er damit seinen Reim rettet:

„Mia singan a paar Sachan,
wo de oan woanan, de andern lachan,
aba z’ernst nemma deafts es nicht,
weima beim Dichtn warn oft dicht.“

Das Gstanzl-Singen verlangt von den Vortragenden Witz, Gespür, Takt, Tempo und Talent. Mit ihrem flexiblen Rhythmus, den variablen Reimen und der häufig überraschenden Pointe am Ende des Vierzeilers ist so ein Gstanzl ein Erlebnis, von dem sich jeder gerne mitreißen lässt.

„Wenn mia Bayern a koa Geld ham
dafür hamma a Kultur.
Aber: wenn’s vo draussn net so vui reibracht hättn
- na glaub i hätt ma no mehr.“

Ausgesungen

„Ausgesungen“ werden darf jeder, und vor allem natürlich solche, die in der Öffentlichkeit stehen und im Allgemeinen vom „gemeinen Mann“ eher nicht hart angegangen werden dürfen. So müssen sich Politiker und Kirchenmänner meist besonders warm anziehen, wenn der Gstanzlsänger mal so richtig in Fahrt ist. Manchmal ergießt sich nur harmloser Spott über den Besungenen, manchmal aber wird gleich die ganze Berufsgruppe gnadenlos an den Pranger gestellt. Heribert Lukas, der seit drei Jahrzehnten das Niederbayerische Preisgstanzlsingen in Mamming (Lkr. Dingolfing-Landau) leitet, hat sich beispielsweise schon vor längerer Zeit seinen Reim auf die Herrschenden gemacht:

„Politiker san wie Tauben,
im Grund haargenau so.
Solang s herunten san, betteln s,
san s drobn, scheißn s uns o.“

Gürtellinie

Derb schon, aber niemals unter der Gürtellinie - in dieser Grenzziehung scheint sich die Sängerzunft einig. Wobei in der Praxis nicht immer ganz klar wird, wo für den Einzelnen die Gürtellinie verläuft. Darf man noch über die Probleme der „oidn Manna“ lästern, wie es Irmi Mayerhofer aus Haiming (Lkr. Altötting) beim letzten Mamminger Treffen getan hat, oder fühlen sich die dann schon beleidigt? Auf der sicheren Seite ist man jedenfalls, wenn man das Publikum mit Selbstironie oder gar Selbstkritik einzufangen versucht.

Isarspatz

Die achtjährige Corinna Mayerhofer ist für ihre Offenheit 2008 sogar zum „Isarspatz“ gekürt worden. Aus dem richtigen Leben geplaudert hat sie mit diesem Reim:

„Ja wenn der Pfarrer grad predigt,
und i bin dabei,
dann brauchts ihr aber net glaubn,
dass I hoitn kon mei Mei.“

Die letzten beiden Jahre gewann Quirin Weber (11 Jahre alt) aus Arrach in der Oberpfalz in Mamming den "Isarspatz".

Gewappelt

Kritisch oder selbstkritisch - ausgeschlafen muss er jedenfalls sein, der Gstanzlsänger - hellwach und gut vorbereitet. „Gwappelt“ halt. Der Sänger muss ganz schnell, sofort aus der Situation heraus antworten können. Denn natürlich haben die Sänger in der Regel zwar ein paar Strophen vorbereitet, aber die wahre Kunst besteht darin, spontan zuschlagen zu können. Fast wie Gehirnjogging ist das. Man muss das aus Leidenschaft und aus dem Herzen heraus machen.

Hermann Fleischmann

Ein Gespür für gute Reime, das richtige Maß an Humor und Taktgefühl, genügend Musikalität, um die richtige Tonart zu treffen, und „schon ein gewisses Talent“ nennt einer als nötige Zutaten, der seit fast 26 Jahren als Gstanzlsänger und Hochzeitslader unterwegs ist:

"I bin da Fleischmann Hermann,
a so stell i mi vor.
Owa no fünf Maß bin i nimmer da Hermann,
sondern da Herminator.“

Als der heute 48-Jährige Hermann Fleischmann aus Moosbach (Lkr. Regen) zum ersten Mal mit seiner Mutter auf eine Hochzeit ging und den dortigen Hochzeitslader hörte, war ihm klar: „Das will ich auch mal können.“ Mit 18 unterhielt Fleischmann zum ersten Mal eine Hochzeitsgesellschaft, war dann immer häufiger Brautführer, und vier Jahre später, (am 22. 5. 1982) wurde er das erste Mal als Hochzeitslader engagiert.

Tätigkeitsgebiete

Brautführer, Hochzeitslader, Progroder (Prokurator) - der Gstanzlsänger findet sich in allen Rollen wieder, ob bei der Vorbereitung und Einladung zur Hochzeit oder als „Conférencier“ durch den großen Tag oder, wie heute meist, als beides in einem. Früher ist der Hochzeitslader mit seinen Sprüchen von Tür zu Tür gezogen, hat ein Sträußerl an die Tür geheftet und das Mahlgeld kassiert.

Kapellen

Moderne Veränderungen machen den Gstanzlsängern heute auf Hochzeiten das Leben schwer. Die Besetzung der Musikkapellen mit Gitarre und Keyboard ist nicht gut geeignet - es fehlt ein Blasinstrument. Und oft mögen es die Kapellen auch gar nicht so, wenn ein anderer durch die Hochzeit führt. Auch die Zeiten, in denen die Gesellschaft andächtig hat zuhören können, sind vorbei.

Das bestätigt Hermann Fleischmann: „Man tut sich schwerer als früher, die Aufmerksamkeit der Gäste zu gewinnen. Man sollte deshalb deftig, aber nicht zu lange singen, um die Aufmerksamkeit der Leute nicht überzustrapazieren. Und man muss ab und zu die Gstanzl-Melodie wechseln, um Abwechslung reinzubringen.“

Wettbewerbe

Wenn die Einstellung stimmt und die Tagesform passt - dann hat eben auch schon mal ein Neuling Chancen gegen Lokalmatadoren und Langzeit-Favoriten. Es tauchen immer wieder junge Gstanzlsänger aus dem Nichts auf, und wenn sie ein wenig Talent haben und Gelegenheit zum Üben bekommen, dann entwickeln sie sich auch. Aber es muss jemand gut sein, wenn er auf Dauer bestehen will. Es schade aber eh nicht, wenn die Kunst nicht ein jeder beherrsche, meint Hermann Fleischmann, der gerade einen Wettbewerb in Neurandsberg (Gemeinde Rattenberg, Landkreis Straubing-Bogen) für den 15. November vorbereitet: „Es soll ja auch eine Rarität bleiben, die das Gstanzlsingen interessant hält.“

Das große Vorbild: Der Roider Jackl

Der Roider-Jackl-Brunnen in Weihmichl

Kaum ein Gstanzlsänger, der nicht den legendären Roider Jackl als sein Vorbild oder zumindest eine Inspiration nennt. Der am 17. Juni 1906 in Weihmichl bei Landshut geborene „Förster, Gstanzlsänger, Levitenleser“ war der unangefochtene Meister des vierzeiligen Spottgesangs.

Seine Karriere als Gstanzlsänger beginnt 1931 beim 1. Niederbayerischen Preissingen in Landshut, das deutschlandweit im Radio übertragen wird. Zunächst pflegt Jakob Roider seine Kunst gemeinsam mit Bruder Wastl. Doch nach dem Krieg werden seine Verse immer politischer, und er entwickelt sich nach eigenen Worten zum „Hofnarr der Demokratie“. Aktuell, scharf, „hinterfotzig“, aber nie „gschert“ kommentiert er Zeitläufte und gesellschaftliche Entwicklungen, Politiker und „Großkopferte“, Preußen und Bayern-Bazis, Siebengscheite und andere Angeber. Zu seinen wichtigsten Auftritten gehörten die Abende in der „Weißblauen Drehorgel“ sowie ab 1954 der alljährliche Salvatoranstich auf dem Nockherberg.

„Der Roider Jackl ist der Inbegriff Bayerns. Einer, der eine besondere Kultur gepflegt hat“, beschreibt Heribert Lukas sein Vorbild, zu dessen Ehren er 1980 den „Roider-Jackl-Gedächtnispokal“ im Rahmen des Preisgstanzlsingens in Mamming einführte. Zwei Jahre nach seinem Tod am 8. Mai 1975 wurde der Roider Jackl auch mit einem Brunnen auf dem Münchner Viktualienmarkt geehrt. 1986 kam ein Roider-Jackl-Brunnen in seinem Geburtsort Weihmichl zur Aufstellung. Der Spötter hatte es befürchtet - denn schon Jahre zuvor hatte er gedichtet:

„Jetzt muaß i aufhörn zum singa,
sonst wer i no berühmt
und kriag so a Denkmal,
wos Wassa rausrinnt.“

Zu überregionalen Gstanzl-Ehren hat es auch der Ponzauner Wigg aus dem Rottal gebracht, ein zeitweiliger Weggefährte des Roider Jackl, der häufig Gast war in der BR-Reihe „Unser Land“. Unter seinem Hausnamen erarbeitete sich Ludwig Gruber vom Ponzauner Hof in Niedernkirchen bei Hebertsfelden (Lkr. Rottal-Inn) bis zu seinem Tod 2005 einen Ruf als Heimatdichter, Richtfestredner und Hochzeitslader.

Literatur


Weblinks