Heilmeierhof – Museumspädagogisches Zentrum

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Der Heilmeierhof trägt im Freilichtmuseum Massing den Namen der letzten Eigentümer, nämlich Josef und Magdalena Heilmeier, die den Hof „beym Ernsten“ 1926 gekauft haben. Ab 2006 wurde der Heilmeierhof zum Museumspädagogischen Zentrum ausgebaut.

Der umlaufende Schrot und die Oberbodenlaube kennzeichnen die niederbayerische Hauslandschaft zwischen Vils und Isar. (Foto: Martin Ortmeier, 2004)

Die Baugruppe Heilmeierhof ist in der Art eines offenen Vierseithofes gestaltet. Wohnstallhaus, Stadel, Wagenschupfen mit Getreidekasten, Austragshaus mit Kramerei und Wasch- und Backhaus sind beidseits einer schmalen Landstraße gruppiert. Die Rekonstruktion entspricht einem bäuerlichen Gastwirts-Anwesen. Allerdings fehlt zu einer funktionstüchtigen Landwirtschaft der Rinderstall.

Das Wohnstallhaus, ein Blockbau mit reich bemalten Schroten, ist im Giebelfeld 1795 datiert. 1972 wurde das Haus abgetragen und 1974 im jungen Museum idealisiert wiederaufgebaut. Seit 1996 sind Fassade und Stube nach historischen Quellen als Wirtshaus geschichtsgetreu rekonstruiert. Zur Eröffnung des Ensembles 1975 war neben dem Wohnstallhaus der Aufbau des Stadels und des Wagenschupfens abgeschlossen.

Das Ensemble

Der Heilmeierhof wurde in den frühen Jahren des Freilichtmuseums Massing aus jeweils verfügbaren[1], baulich interessanten Gebäuden aus vier Landkreisen zusammengestellt. Der Plan, im Umfeld des Heilmeierhofs eine Baugruppe Dingolfing-Landau zu schaffen, wurde 2001 vom Museumsleiter aufgegeben.[2]

Das Konzept von 1995[3], den Heilmeierhof als an einer Landstraße gelegenes Wirtsanwesen mit (geringer) Landwirtschaft zu gestalten, wurde 2001 fortgeschrieben. Mit der Rekonstruktion eines Wasch- und Backhauses im Osten des Ensembles wurde 2012 aus dem offenen Dreiseithof ein offener Vierseithof. Eine dekorative Kleinmühle aus dem Pustertal (Südtirol), mit elektrischem Antrieb des Mühlrades, die seit den Gründungsjahren des Freilichtmuseums Massing nahe dem Heilmeierhof jenseits der benachbarten Gemeindestraße stand, ließ der Museumsleiter bereits in den 1990er Jahren entfernen.
2013 bis 2019 wurde das leerstehende Austragshaus von Grund auf saniert und zu einer Landkramerei ausgebaut.
Das Taubenhaus aus Müllersberg (Landkreis Rottal-Inn) stand seit 1975 im Heilmeierhof, obwohl es aus der Nachbarschaft des Kochhofs stammt. 2016 wurde es restauriert und in den Kochhof versetzt.

2019 wurde die Inwertsetzung des Heilmeierhof mit einer Neugestaltung der Hoffläche abgeschlossen. Die Gliederung und Profilierung des Hofes berücksichtigt historisch-praktische Bedingungen eines Wirtsbetriebs mit (bescheidener) Landwirtschaft und den Nutzungsbedarf des Museums im Zusammenhang mit pädagogischen Programmen und Veranstaltungen im ausgebauten Stadel.

Die Gebäude

Die üppigen Schrote machen das Wohnstallhaus des Heilmeierhofs unvergleichlich. (Foto: Martin Ortmeier, 2019)
Die Inschrift J 1795 R erinnert an die Errichtung des Hauses im Jahr 1795 und eine Renovierung, die der Wirt Josef Ried um 1900 ausführen ließ. (Foto: Martin Ortmeier, 2019)
Zimmermannsmalerei mit „laufendem Hund“ und Hochzeitspaar am Schrot über den Wirtstubenfenstern. (Foto: Martin Ortmeier, 2018)

Das Wirtshaus

Das Wohnstallgebäude des Heilmeierhofs, 1972 in Pilberskofen (jetzt Landkreis Dingolfing-Landau) für das Museum abgetragen, wurde 1795 fast vollständig in Blockbau errichtet. Der Stall, in dem im Museum seit 1997 eine moderne Servierküche eingerichtet ist, war ursprünglich Rossstall.
Die reiche Zimmermannsmalerei an den Hauptfassaden und vor allen an den Schroten hat vermutlich Josef Ried vor 1900 neu anbringen oder zumindest auffrischen lassen. Er hat Landwirtschaft und Wirtshaus bis 1926 geführt. Bei der Errichtung im Museum bis 1975 wurde das Haus in seiner Gestalt entsprechend dem heimatpflegerischen Zeitgeschmack nachgebessert, die Malerei umfangreich erneuert. 1996 wurde die Oberbodenlaube nach hauskundlicher Kenntnis und mithilfe historischer Photographien und unter Verwendung wieder aufgefundener mit Malerei dekorierter Bretter[4] rekonstruiert, der Blockbau des Erdgeschosses wurde hofseitig wieder verputzt, die gemauerte Brüstung des Treppenaufgangs zur Gred wurde wieder hergestellt. Die Zimmermannsmalerei bedarf einer Restaurierung, 2019 wurden Musterfelder (u.a. das Hochzeitspaar an einem der Schrotvorköpfe) erstellt.

Für die Rekonstruktion der Wirtsstube im Jahr 1997 wurden im südlichen Niederbayern vergleichbare Landwirtshäuser ausfindig gemacht und dokumentiert.[5]

Im Obergeschoss (Diele, Obere Stube und drei Kammern) wurde 1991 eine Ausstellung zur „Keramik im Alltag“ eingerichtet, die 1997 um das Thema Ziegelbrennerei erweitert wurde.[6] Bis 1995 waren in drei Räumen Büros der Museumsverwaltung eingerichtet.

Der Stadel

In Blindenhaselbach (Gemeinde Neumarkt-Sankt Veit, Landkreis Mühldorf) wurde 1971 der eintennige Stadel abgetragen, der nun das Anwesen im Westen abschließt. An drei Seiten besitzt er einfaches verbrettertes Ständerwerk, die nördliche Giebelseite hat ein aufwändiges außenliegendes Schmuckbundwerk mit Andreaskreuzen, das 1986 vollständig erneuert werden musste.

2012 bis 2014 wurde der Stadel zu einem Veranstaltungsraum ausgebaut. 2017 wurde das ortsfremde Reetdach aus der Gründungzeit des Museums durch eine Mischdeckung aus Ziegeln (an den Ortgängen) und Roggenstroh ersetzt. 2019 wurde die Innenraumgestaltung revidiert.

Der Schupfen

Der Wagenschupfen ist wie der Stadel eigentlich zu klein für das ursprünglich stattliche Heilmeier-Anwesen. Er hat sich 1975 im Landkreis Vilsbiburg im Weiler Trauterfing angeboten. Über der Remise ist über eine steile Außentreppe ein Getreidekasten zu erreichen. Im Erdgeschoss ist jetzt eine Toilette eingerichtet.

Das Wasch- und Backhaus

Wasch- und Backhaus mit Muttergottesnische im Giebelfeld. (Foto: Martin Ortmeier, 2016)
Das Ziegelmauerwerk des Wasch- und Backhauses ist nur geschlämmt. (Foto: Martin Ortmeier, 2012)

Für die Rekonstruktion (2010 bis 2012) des Wasch- und Backhauses wurde ein Eingabeplan aus dem Jahr 1904 herangezogen. Das Haus ist vollständig gemauert, im straßenseitigen Giebelfeld ist eine Muttergottesnische eingefügt.
Die Ausstattung mit Backofen, Waschkessel, Waschtisch, Mangel usw. wird regelmäßig für museumspädagogische Zwecke genutzt.[7]

An die Waschküche schließt ein kleiner Schupfen an, der zur Brennholz- und Gerätelagerung diente.
Das Vorgelege wurde 2019 mit Wasserstelle neu gestaltet.
Brobackofen und Waschinventar wurden bis 2020 von der Museumspädagogin intensiv für museumspädagogische Zwecke genutzt, u.a. für die "Puppenwaschtage" für Kinder.

Das Austragshaus

Über das kleine in Blockbau errichtete Haus, das beim Heilmeierhof als Austragshaus dient, gibt es wenig Dokumente. Über der Haustüre ist es 1728 datiert. Es stammt aus Winhöring im Landkreis Altötting.

Bis 2004 diente das Haus als Wohnung für eine Museumsaufsicht. 2013 wurde es von Grund auf saniert und im Erdgeschoss als dörfliche Kramerei eingerichtet. 2019 schloss sich eine Sanierung des Obergeschosses an, das seitdem als Wohnung der Kramerseheleute dargestellt wird.
Die didaktische Erschließung der Wohnung kam 2020 ins Stocken.

Museumspädagogisches Zentrum

2017 hebt sich das frische Holz des Schulstuben-Anbaus noch deutlich ab. Am Stadel ist das aufwändige Zierbundwerk zu sehen. (Foto: Martin Ortmeier)

Seit 2006 hat das Freilichtmuseum Massing auf Initiative der Museumspädagogin[8] den Heilmeierhof zu seinem Museumspädagogischen Zentrum ausgebaut. Dies geschah Schritt für Schritt: 20102012 Errichtung des Wasch- und Backhauses, 20132014 Sanierung und Umbau des Austragshauses zu einer Kramerei, 2016 Neubau einer Schulstube als Anbau an das Haupthaus.
Die Schulstube war zunächst im Dachboden des Haupthauses provisorisch eingerichtet. Wegen des Brandschutzes ist sie seit 2016 in einem erdgeschossigen Anbau untergebracht. Baulich wirkt der Anbau als ein einfacher, mit Pultdach versehener Holzschupfen, Schiebeläden verbergen, wenn keine Schulgruppen betreut werden, die großen Fenster des Klassenzimmers.

Pädagogische Programme vermitteln seitdem spielerisch ehemalige Erziehungs- und Verhaltensweisen, Schreiben auf Schiefertafel, einfaches Rechnen mit dem Abakus, heimatkundliches Wissen – verknüpft mit gemeinsamem Schulweg übers Land, naturnahem Pausenbrot und alten Spielen auf dem Schulhof.

Ereignisse

Das Eröffnungsfest des Heilmeierhof am Wochenende des 19. und 20. Juli 1975 war ein bayernweit wahrgenommenes Ereignis: „Treffen der niederbayer. Heimat- und Archivpfleger“, „Offenes Treffen von Volkgesangs- und Musikgruppen“, „Altbäuerliche Dreschvorführung“, „Rottaler Heimatstunde“, „Darbietungen der Trachtenvereine, Volkstanz“, außerdem „Festzug durch den Markt zum Heilmeierhof“ stand auf dem Programm. Die Einweihung zelebrierte der Regensburger Auxiliarbischof Karl Flügel, die Eröffnung würdigte und erklärte der Schirmherr Ministerpräsident Dr. h.c. Alfons Goppel. Beim Festabend fungierten als Sprecher renommierte Vertreter der Volksmusik: „Wugg Retzer für Niederbayern“, „Wastl Fanderl für Oberbayern“ und „Peppi Stiegler für Oberösterreich“.[9]

Unter dem Titel LiteraturFreitag im Museum hat das Freilichtmuseum Massing 18 Jahre lang (2001 bis 2018) jedes Frühjahr in der Wirtsstube des Heilmeierhofs (gelegentlich auch im Veranstaltungsstadel) drei Abende mit Lesungen regionaler Literatur, Bewirtung und Livemusik veranstaltet.

Im Heilmeierhof war 1982 bis 2018 auch die Trachtenberatung des Bezirks Niederbayern beheimatet. Die Schneidermeisterin Franziska Rettenbacher aus Simbach am Inn hielt dort ihre Beratungstage ab, in Stickkursen gab sie ihr Wissen und Können an junge Menschen weiter. Dem Museumsleiter stand sie als Beraterin in allen historischen Fragen der textilen Ausstattung des Museums zur Seite.

Wesentliche Investitionsmaßnahmen zur Inwertsetzung des Heilmeierhofs in den Jahren 1996 bis 2019 wurden aus verschiedenen Fonds der Europäischen Union zur Entwicklung des ländlichen Raums gefördert. Vor allem das Institut XperRegio machte sich um die Förderung aus LEADER-Mitteln der Europäischen Union verdient.

Literatur

  • Martin Ortmeier, Probleme eines Museums ohne Konzept – Das Beispiel Freilichtmuseum Massing, in: Museumsblatt. Mitteilungen aus dem Museumswesen Baden-Württembergs, H. 13 (1994), S. 33–35
  • Martin Ortmeier, Ein Bauernhofmuseum für Niederbayern. Freilichtmuseum Massing, Passau 1995, erweiterte Auflage Landshut 2001
  • Martin Ortmeier, Vom Niederbayerischen Bauernhofmuseum Massing im Rottal zum Freilichtmuseum Massing – 50 Jahre Geschichte eines Heimatmuseums. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 61 (2019), S. 275–292

Weblinks

Anmerkungen

.Die Lichtbilder der Photojournalistin Erika Groth-Schmachtenberger dienten 1996 zur historisch-kritischen Rekonstruktion des Heilmeierhofs. (Foto: Erika Groth-Schmachtenberger, 1968)
Die Oberbodenlaube, kennzeichnend für die niederbayerische Hauslandschaft zwischen Vils und Isar, konnte mit Hilfe dieses Lichtbildes 1996 im Museum rekonstruiert werden. (Foto: Erika Groth-Schmachtenberger, 1968)
  1. Für hinderliche oder unerwünschte Baudenkmäler wurden zu dieser Zeit von den Behörden gelegentlich Beseitigungsgenehmigungen unter der Auflage erteilt, dass die Bauten an einem anderen Ort – und dies war mehrmals das damals so bezeichnete Niederbayerische Bauernhofmuseum Massing im Rottal – wieder errichtet würden. „Vier Gebäude aus vier Landkreisen, wie sie gerade durch Abbruchbegehren der Eigentümer ‚auf den Markt‘ gekommen waren, wurden zu einer lockeren Hofanlage komponiert“ (Martin Ortmeier: Vom Niederbayerischen Bauernhofmuseum Massing im Rottal zum Freilichtmuseum Massing – 50 Jahre Geschichte eines Heimatmuseums. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 61 (2019), S. 279).
  2. Museumsleiter war 1984 bis 2019 Dr. Martin Ortmeier. Im Jahr 2000, als in Bayern die kommunalen Finanzen stark unter Druck gerieten, zeichnete sich ab, dass eine Realisierung nicht zu erreichen sein würde. Zudem hatte nach dem Abschied von Bezirkstagspräsident Sebastian Schenk im Jahr 1998 das heimatpflegerische Engagement des Bezirks Niederbayern nicht mehr hohe Priorität.
  3. Das Konzept des Museumsleiters Dr. Martin Ortmeier wurde vom Museumsträger zustimmend zur Kenntnis genommen in der 46. Sitzung des Zweckverbands Niederbayerische Freilichtmuseen vom 29. März 1995.
  4. Der technische Angestellte des Museums Hans Eichinger hat festgestellt, dass Verschlagbretter, die am Schrot des Wagenschupfens montiert waren, zu den Lauben des Oberbodenschrots am Haupthaus gehörten.
  5. Rekonstruktion Dr. Martin Ortmeier; begleitende Feldforschung Dr. Martin Ortmeier und Dr. Georg Baumgartner (s. Archiv Freilichtmuseum Finsterau Az. M 5.5.36 Gastwirtschaften in Niederbayern 1997 und F 5.5.44 Gasthaus Lanz in Untergriesbach)
  6. Kurat Dr. Martin Ortmeier; s.a. Martin Ortmeier, Valentino Cramero, in: Landstrich. Eine Kulturzeitschrift, Nr. 26, S. 30-33; s.a. https://www.freilichtmuseum.de/museum-massing/polentakessel
  7. Die Initiative für den Bau ging von der Museumspädagogin Roswitha Klingshirn aus, sie hat bei der Ausstattung didaktische Beratung geleistet.
  8. Roswitha Klingshirn; außerdem beraten durch die Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern
  9. Martin Ortmeier: Vom Niederbayerischen Bauernhofmuseum Massing im Rottal zum Freilichtmuseum Massing – 50 Jahre Geschichte eines Heimatmuseums. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 61 (2019), S. 281.