Hinterglaseum

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Im lichten Foyer des Hinterglaseums (Foto: Hinterglaseum)

Das Hinterglaseum wurde 2020 als Spezialmuseum für die Geschichte der Hinterglasbilder aus Raimundsreut geschaffen. Es ist im Ortsteil Schönbrunn am Lusen der Gemeinde Hohenau im Gebäude der aufgelösten Volksschule eingerichtet.

Geschichte

Auftakt: Über den inszenierten „Zeitkanal“ gelangt man in die Vergangenheit der Raimundsreuter Hinterglasbilder (Foto: Hinterglaseum)
Themen: Die Glasmalerfamilie Peterhansl und die Hinterglasmalerei der modernen Kunst (Foto: Hinterglaseum)

Die Raimundsreuter Hinterglasmalerei hatte nur gut ein Jahrhundert Bestand, aber sie hat Geschichte geschrieben. Bis heute werden die Hinterglasbilder der Werkstätte Peterhansl aus dem Straßendorf Raimundsreut im Inneren Bayerischen Wald von Kennern und Liebhabern gesammelt. Die Motive der Raimundsreuter Hinterglasbilder schöpfen aus der „Volksfrömmigkeit“: der privaten katholischen Andachtspflege und dem kirchlich beförderten Wallfahrtswesen.

Die Raimundsreuter Hinterglasmalerei

Der bekannte Wallfahrtsort Kreuzberg und die Glashütten Schönbrunn und die Landgrafenhütte trugen dazu bei, dass sich die Hinterglasmalerei in diesem Gebiet entwickelte.
Tobias Peterhansl lernte bei seinem Schwiegervater in den Kreuzberger Vierhäusern das Malen hinter Glas. Im Winter 1758/59 ließ er sich mit seiner Familie in Raimundsreut nieder.

Die Hinterglasmaler-Familie Peterhansl baute gemeinsam mit dem Kreuzberger Johann Kaspar Hilgart nach 1750 in Raimundsreut das „wirtschaftliche Erfolgsmodell“ einer Hinterglasbild-Manufaktur auf. Die Jahresproduktion erreichte bis zu 40 000 Bilder, die entweder transportgeeignet als Tafeln oder fertig gerahmt ausgeliefert wurden.

Im vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereich diente die Hinterglasmalerei den Hilfskräften aus den Familien der örtlichen Bauernanwesen, den regionalen Glashütten, den Farb- und Bindemittelherstellern und -lieferanten, den Rahmenmachern, außerdem den Fieranten an den Wallfahrtsorten, den Händlern und dem Transportgewerbe, insbesondere den sogenannten „Kraxenträger“.
Wegen der Wallfahrtskirche Sankt Anna im benachbarten Ort Kreuzberg wurden Bildnisse der Heiligen Anna (Mutter Mariens) in großer Zahl hergestellt.

Das Straßendorf Raimundsreut

Raimundsreut wurde im Zuge der neuzeitlichen Nachsiedelungswelle 1721 vom Landesherrn Fürstbischof (von Passau) Raymund Ferdinand Graf von Rabatta (1669 bis 1722, Fürstbischof 17131722) mit acht Ursiedlern begründet. Es wurde als bäuerliches Straßendorf (Waldhufendorf) angelegt.

Die Anna-Wallfahrt nach Kreuzberg

Die Kreuzberger Sankt Anna-Wallfahrt war ein entscheidender Impuls für die Entstehung der Raimundsreuter Hinterglasmalerei. Auch nach dem Verbot der Wallfahrten im Zuge der Säkularisation hatte der Markt der Hinterglasbildnerei Bestand. Er kam erst mit dem Entstehen der Farbdrucke (Chromolithographien) ab 1871 zum Erliegen.

Der Blaue Reiter

Die Raimundsreuter Hinterglasbilder kamen über Kraxenträger nach Süddeutschland, u.a. auch nach Murnau. Dort begegneten um 1911 die Künstler der Gruppe „Der Blaue Reiter“, Wassily Kandinsky, Franz Marc und Gabriele Münter, der Hinterglaskunst aus Raimundsreut.
In der starken Abstraktion dieser vermeintlich bäuerlichen Malerei, die jedoch eigentlich der seriellen Produktion geschuldet war, erkannten diese Künstler des Aufbruchs zur Moderne ein Gegengewicht zur erstarrten akademischen Malerei. Sie glaubten mit der Kunst aus dem Volk an den Ursprung der Malerei gekommen zu sein (Primitivismus).

Museum

Maria Trost, Raimundsreut, um 1780 (Foto: Hinterglaseum)
Anna selbdritt, Raimundsreut, Ende 18. Jhd. (Foto: Hinterglaseum)

Am 26. Juli 2020 wurde das Hinterglaseum in Schönbrunn am Lusen eröffnet. Das Museum wurde im Rahmen einer Interreg V-Förderung[1] zugleich mit der Schaffung eines Museums im tschechischen Kvilda (Außergefild) eingerichtet.
Träger des Hinterglaseums ist die Gemeinde Hohenau, den Betrieb leistet der Verein der „Freunde und Förderer des Raimundsreuter Hinterglasbildes e.V.“ im Ehrenamt.

Mit der Projektleitung und dem Fertigen der Print- und Audiotexte war die Kulturwissenschaftlerin (Germanistik und Journalistik) Alexandra von Poschinger[2] betraut.
Mit der innenarchitektonischen Gestaltung war das Büro Goettl.Goettl Markenagentur beauftragt.

Auf 250 Quadratmetern zeigt das Museum aktuell 115 originale Sammlungstücke.

Die Sammlung

Hinterglasbild von Ilse Wolf: Jenes Paradies und dessen verzauberter Garten, 69,5x66,5 cm (Foto: Hinterglaseum)
Hinterglasbild von Walter Mauder: o.T. (Kleine Landschaft), um 1975, 20x30 cm (Foto: Martin Ortmeier)

Das Museum verfügt über eine große Zahl von Hinterglasbildern. Vorrangig wurden Raimundsreuter Stücke gesammelt, sodass eine breite Werkpalette verschiedener Heiliger und Produktionsphasen gezeigt werden kann. Eigentümer der meisten Stücke ist der Förderverein, weitere Exemplare sind als Leihgaben aufgenommen.

Die Hinterglasmaler-„Schulen“ von Augsburg, Buchers, Neukirchen beim Heiligen Blut, Murnau, Sandl, Winklarn usw. werden an ausgewählten Werken gezeigt.
Museum und Förderverein widmen sich auch der regionalen zeitgenössischen Hinterglasmalerei.

Didaktische Modelle, Risse (Vorlagezeichnungen), Werkzeuge und Produktionsmittel, außerdem Transporthilfsmittel runden die Ausstellung ab.

Der Verein

Sammlung und Verein gehen auf eine Initiative der Gemeindebürgerin Josephine Nußhart zurück. 1998 gründete sie gemeinsam mit ihrem Lebensgefährten Max Mader den Verein der „Freunde und Förderer des Raimundsreuter Hinterglasbildes e.V.“, der sich zum Ziel setzte, eine Sammlung aufzubauen und diese in einer Dauerausstellung zu präsentieren. Ab dem Jahr 2004 wurden die Bilder zunächst in Neuraimundsreut in Nußharts Privathaus ausgestellt, bis sie 2020 nach Schönbrunn ins Hinterglaseum zogen.
Neben Kassendienst und Führungen engagiert sich der Verein auch in der Öffentlichkeitsarbeit und dem Erarbeiten pädagogischer Programme.

Öffnungszeiten

Das Hinterglaseum ist geöffnet Dienstag 10 bis 12 Uhr, Donnerstag, Samstag und Sonntag 13 bis 16 Uhr; außerdem nach Vereinbarung fon +49 8558 798 und info@hinterglaseum.de.

Kontakt

Hinterglaseum, Schönbrunn am Lusen 5, 94545 Hohenau

Telefon: +49 8558 798
eMail: [mailto: info@hinterglaseum.de info@hinterglaseum.de]
Internet: [www.hinterglaseum.de noch nicht eingerichtet]

Quellen

  • Werner Friedenberger: Schatzkammer öffnet die Tür, in: Passauer Bistumsblatt, 21. Juni 2020
  • Passauer Neuen Presse 24.07.2020: [1]

Literatur

  • Raimund Schuster: Das Raimundsreuter Hinterglasbild: Geschichte der Raimundsreuter Hinterglasmalerei und ihres Einflussgebietes, Grafenau 1984
  • Simone Bretz und Martin Ortmeier. Die Rekonstruktion eines Raimundsreuter Hinterglasbildes. In: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Volkskunde. Bd. 29, S. 211-212, Tafel XXV. ISSN 1862-3212
  • Wolfgang Steiner: Glanzlichter der Raimundsreuter Hinterglasmalerei: Eine Bilddokumentation, München 2018

Links

Anmerkungen

  1. Gesamtkosten für das Hinterglaseum: 680.000, davon 85 % aus Interreg V. Umbau des Schulhauses: Vom Amt für Ländliche Entwicklung im Rahmen der Dorferneuerung mit 65 % gefördert.
  2. Website Alexandra von Poschinger