Hochwasser 2013 (Passau)

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Blick auf den Inn und die stark umspülte Marienbrücke bei einem Pegelstand von etwa 12,80 Meter.
Luftaufnahme der überschwemmten Stadt. (Foto: Binder)
Luftaufnahme der überspülten Zufahrt zur Schanzlbrücke mit zahlreichen TV-Aufnahmewägen. (Foto: Binder)
Blick vom Georgsberg auf die gesperrte Hängebrücke und die überflutete Altstadt. (Foto: Jäger)
Oberbürgermeister Jürgen Dupper informiert die Presse über die katastrophale Lage. (Foto: Danninger)
Kanzlerin Angela Merkel und Ministerpräsident Horst Seehofer in Passau. (Foto: Jäger)
Der rot gefärbte Ölteppich in der Lederergasse.
Das schnell ansteigende Hochwasser überraschte viele Anwohner. (Foto: Jäger)

Das Hochwasser 2013 in Passau war die zweitschlimmste Flutkatastrophe in der Geschichte der Stadt. Die Altstadt und weitere Teile des Zentrums waren großflächig überflutet. Die braunen Wassermassen aus Donau, Inn und Ilz verwandelten Straßen und Gassen in Kanäle. Das Wasser stand zum Teil bis zum ersten Stockwerk der Häuser. Die am Abend des 3. Juni gemessene Donau-Höchstmarke von 12,89 Meter überschritt dabei sogar deutlich die des sogenannten Jahrhunderthochwassers von 1954 (12,2 Meter) und blieb nur knapp unter der Höchstmarke des Hochwassers von 1501 (ca. 13,2 Meter); normal für die Jahreszeit wäre ein Pegelstand der Donau bis zu 4,50 Metern gewesen. Der Inn erreichte am 3. Juni einen einen historischen Höchstpegel von 10,20 Metern.

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Ablauf

Ursache und Katastrophenalarm

Ein heftiger Dauerregen über mehrere Tage hinweg ließ die Flüsse in ganz Bayern rasant anschwellen, besonders dramatisch war die Lage in Teilen Nieder- und Oberbayerns. In Passau war dabei wieder einmal der Inn das Problem: Er führte schon am 2. Juni 2013 doppelt so viel Wasser wie die Donau. Infolgedessen überschritt die Donau in Passau bereits am Abend des 2. Juni die Höchstmarke des letzten großen Hochwassers aus dem Jahr 2002 mit 10,81 Metern. Als eine der ersten bayerischen Städte hatte Passau daher schon gegen Sonntagmittag den Katastrophenalarm ausgerufen: Die Stadt bat um Unterstützung der Bundeswehr und bereits im Laufe der Nacht kamen die ersten Soldaten an; etwa 120 folgten am Vormittag des 3. Juni. Doch die Flut kam schneller und mächtiger als alle Vorhersagen: „Das Wasser stieg schnell und einen Meter höher als erwartet“, beschrieb Oberbürgermeister Jürgen Dupper die Zuspitzung der Lage am Sonntag. Ministerpräsident Horst Seehofer hatte ihn am Sonntagvormittag angerufen und am Telefon schnelle und unbürokratische Hilfe zugesichert. „Das ist ein feiner und nicht selbstverständlicher Zug, weil ja nicht nur Passau betroffen ist“, meinte Dupper.[1]

Strom- und Wasserversorgung

Teile der Stadt waren schon am Abend des 2. Juni von der Stromversorgung abgetrennt, da die Stadtwerke Passau ab einem Pegelstand von 10,50 Meter aufwärts einzelne Straßenzüge von der Stromversorgung nehmen müssen. Dies war unter anderem Auslöser dafür, dass am Vormittag des 3. Juni die Trafostation in der Wiener Straße ausfiel – sie versorgt die Pumpen für das Wasserwerk auf der Soldatenau mit Strom, wo der größte Teil des Trinkwassers für Passau gewonnen wird. Weil nach dem Ausfall der Pumpen eine kleine Menge nicht durch „Chlorierung“ desinfiziertes Wasser in die Hochbehälter gelangt war, musste das Wasser in ganz Passau vorsorglich abgekocht werden. Zuvor hatte sich ein Mitarbeiter der Stadtwerke Passau bei dem Versuch, die Wasserversorgung der Stadt zu retten bzw. zumindest so lange wie möglich aufrecht zu erhalten eine Kohlenmonoxidvergiftung zugezogen.

Obwohl die Stadtwerke Passau in der Folge einerseits allen großen Betrieben mit mehr als 5.000 Kubikmeter Wasserverbrauch pro Jahr – darunter ZF und Universität – den Hahn abdrehten und andererseits alle Bürger zu Sparsamkeit aufriefen, reduzierte sich der Wasservorrat in den Hochbehältern so schnell, dass die gesamte Trinkwasserversorgung bereits um 14 Uhr eingestellt werden musste – zum ersten Mal überhaupt. Die letzten Reserven waren wenig später verbraucht. Das Klinikum Passau – das ansonsten hätte evakuiert werden müssen – wurde durch Tankfahrzeuge weiterhin mit Wasser versorgt, die einen Hochbehälter in Kohlbruck befüllten, von dem aus das Wasser Richtung Klinikum geleitet wurde. Für die Bürger wurde ab dem 4. Juni eine dezentrale Trinkwasserversorgung an mobilen Ausgabe-Stationen in den Stadtteilen eingerichtet. Das Wasser dafür brachten Brauereien aus der Region mit Tanklastzügen in die Stadt und zum Teil auch die Bundespolizei, die das Nass in drei Wasserwerfern importierte.

Unterdessen arbeiteten Mitarbeiter der Stadtwerke Passau mit Hochdruck an der Wiederherstellung der Trinkwasserversorgung: Vom Polizeihubschrauber aus wurden ein Strom- und ein Wassermeister der Stadtwerke sowie zwei Mitarbeiter einer Chlorgasfirma über der Soldatenau abgeseilt, um dort mit den Instandsetzungsmaßnahmen zu beginnen. Derweil waren sechs Stadtwerke-Mitarbeiter im ganzen Stadtgebiet unterwegs, um Luft aus den leeren Wasserleitungen zu lassen, damit das Wasser langsam wieder in die Rohre laufen konnte. So konnte die Trinkwasserversorgung weitgehend am Abend des 4. Juni, vollständig jedoch erst im Laufe des 6. Juni wiederhergestellt werden. Damit konnten Stadtwerke Passau das Wasser dennoch schneller wieder aufdrehen als zunächst in Aussicht gestellt. Dies lag unter anderem daran, dass die Infrastruktur zur Belieferung der Stadtteile in der Wiener Straße das Hochwasser weitgehend funktionsfähig überlebte. Nur zwei Pumpen erwiesen sich als defekt. Möglich gemacht wurde die zügige Wiederaufnahme der Trinkwasserversorgung aber auch mit einem „Husarenstück in der Nacht“. So würdigte OB Jürgen Dupper den nächtlichen Einsatz von zirka zehn Stadtwerke-Mitarbeitern. „Vier Mann waren über Nacht auf der Donau-Insel Soldatenau und überwachten alles“, teilte Stadtwerke-Chef Gottfried Weindler mit.[2]

Unter anderem wegen der nicht mehr garantierten Trinkwasserversorgung mussten von den 60 Häftlingen der Justizvollzugsanstalt Passau 24 in die JVA Landshut und 35 die JVA Straubing verlegt werden; einer wurde vorzeitig entlassen – er hätte nur noch einen Tag zu verbüßen gehabt. Weitere Gründe für die Evakuierung waren die herannahenden Wassermassen sowie die fehlende Gewährleistung, dass die Essenstransporter weiter täglich bis zur JVA durchkommen, denn das Essen für Passau wird in der JVA Straubing zubereitet.

Von 26. bis 30. Juli musste das Trinkwasser aus der Soldatenau erneut gechlort werden. Die festgestellte, leichte Verkeimung des Trinkwassers war möglicherweise noch eine Spätfolge des Hochwassers: Wegen der Hitze der vorangegangenen Woche wurde Wasser aus tieferen Schichten gepumpt, wobei sich Keime gelöst haben könnten.

Verkehrssituation

Nach der Sperrung beider Tunnel des Ilzdurchbruchs am späten Nachmittag des 2. Juni waren Hals und die Ilzstadt vom Rest der Stadt abgeschnitten – ebenso wie Grubweg, das nur mehr über den Autobahnzubringer PA93 erreicht werden konnte; beide Ilzbrücken waren gesperrt, für Fußgänger wurde ein Bootsverkehr eingerichtet. In Hals stand das Wasser meterhoch am Marktplatz und ins Baugebiet nach Hochstein kam niemand mehr. Der Pegel der Ilz an der Brücke betrug hier am 2. Juni gegen 18 Uhr etwa 4,50 Meter.

Das gleiche Bild bot sich in der Innstadt, nachdem die Marienbrücke bereits am Mittag des 2. Juni und der Fünferlsteg in der Nacht zum 3. Juni gesperrt worden waren. Mit Ausnahme der Eisenbahnbrücke waren damit alle Passauer Innbrücken gesperrt, die Innstadt konnte nur mehr über Mariahilf erreicht werden, nachdem auch die Kapuzinerstraße überflutet war. Über die Marienbrücke durften nur noch Einsatzfahrzeuge der Nothelfer; der zierliche Fünferlsteg schien den Fluten nur mit Mühe Stand zuhalten. Der Beiderwiesbach hatte sich bis ins Lindental zurückgestaut. In den von der Innenstadt abgeschnittenen Stadtteilen stand rund um die Uhr ein Notarztfahrzeug sowie ein Krankentransportwagen bereit, um die ärztliche Notversorgung zu sichern.

Abgesehen von den abgeschnittenen Stadtteilen stand der Verkehr auch im Stadtinneren weitgehend still. Viele Straßen waren nicht mehr befahrbar und nur noch über Stege oder per Boot erreichbar. Da neben der B 12 und B 388 auch die Regensburger Straße sowie die Staatsstraße 2125 nördlich der Donau wegen Überspülung gesperrt werden mussten, war die Innenstadt letztendlich nur noch über die Autobahn-Ausfahrten Passau Süd (über Neuburger Straße) und Passau Mitte (über Äußere Spitalhofstraße) anfahrbar. Außerdem behinderte ein Erdrutsch an der B 85 in Höhe Stelzlhof den Verkehr.

Die Schifffahrt war bereits am 1. und 2. Juni eingestellt worden.

Weiterer Verlauf

Bereits ab dem 2. Juni waren die Wassermassen in der Lederergasse von einem Ölteppich überzogen. Aufgrund des Hochwassers hatte es Heizöltanks nach oben gedrückt, die dann umkippten, so dass das Öl auslief. Mit Schwimmbarrieren wurde versucht, den Ölteppich einzudämmen, bis eine Ölwehr der Feuerwehr mit Spezialgeräten das Öl abpumpen konnte. Auch an anderen Stellen sind schätzungsweise zehntausende Liter Heizöl, Diesel usw. ausgelaufen.

Der Inn, der am 3. Juni einen einen historischen Höchstpegel von über zehn Metern erreicht hatte, hörte in der Nacht zum 4. Juni auf zu steigen. Damit wurde der Rückstau der Donau – der Inn führte die doppelte Wassermenge – gestoppt, sodass sich diese in der Folge auch wieder zurückziehen konnte. Am 4. Juni kam auch Bundeskanzlerin Angela Merkel zu einer Blitzvisite an der Seite des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer nach Passau. Merkel versprach den Flutopfern bei ihrem Besuch 100 Millionen Euro für schnelle Hilfen, 150 Millionen Euro stellte der Freistaat Bayern bereit. Am 8. Juni machte sich auch Claudia Roth, Bundesvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, ein Bild von den Schäden in der Innstadt – ohne jeglichen Medienrummel und mit dem Kofferraum voller Eimer, Handschuhe und Material für die Helfer war sie extra dafür aus Augsburg angereist.

Nachdem am 4. Juni die Statik der Marienbrücke geprüft worden war, wurde die Brücke am 6. Juni zunächst für Fußgänger und Radfahrer, dann auch wieder für Fahrzeuge (unter 16 Tonnen) freigegeben. Bis dahin hatten sich im Internet hartnäckig das Gerücht gehalten, die Brücke sei zu schwer beschädigt, um wieder freigegeben zu werden oder müsse gar abgerissen werden. Allerdings musste sie in der Folge mehrmals erneut gesperrt werden, um Treibgut zu beseitigen oder den Weg für die Einsatzfahrzeuge zu erleichtern. Die Staatsstraße 2125 Richtung Passau wurde am 4. Juni wieder für den Verkehr freigegeben, die B 8 und die B 85 folgten am 5. Juni. Die Gottfried-Schäffer-Straße, die Angerstraße und die Bundesstraße 388 bis zur Einfahrt Schulbergstraße wurden am 6. Juni geöffnet. Am 10. Juni gab die Stadt schließlich die meisten Straßen wieder für den Verkehr frei, auch wenn auch in der Folge noch mit Behinderungen zu rechnen war. Immerhin stand die Donau am 10. Juni immer noch bei etwa 7,30 Meter. Weil zudem erneute, leichtere Regenfälle einsetzten, welche die Pegel nochmal geringfügig anstiegen ließen, blieb der „Katastrophenalarm“ weiterhin ausgerufen. Erst am Abend des 11. Juni hob die Stadt den Katastrophenfall auf.

Helfer und Aufräumarbeiten

Einsatzkräfte

Männer der Feuerwehr Sailauf bei Aschaffenburg beim Einsatz in der Brunngasse. (Foto: Danninger)
Aufräumarbeiten am Ort. (Foto: Danninger)

Schon am Sonntag, den 2. Juni 2013 waren um die 500 Ehrenamtliche der Feuerwehr, der Wasserwacht, des THW, der DLRG und des BRK in Passau im Einsatz – auch aus umliegenden Landkreisen. An der Roßtränke etwa pumpte unter anderem die Freiwillige Feuerwehr Zwiesel Keller aus. Viele dieser Rettungskräfte waren Samstag und Sonntag 20 Stunden im Einsatz. Aus den Nachbar-Landkreisen Regen, Freyung-Grafenau und Rottal-Inn kamen am Sonntagnachmittag rund 300 Mann Nachschub, so dass sich die Passauer Kräfte ausruhen konnten. Zudem wurden die örtlichen Einsatzkräfte ab dem 2. und 3. Juni sukzessive durch Einheiten der Bundeswehr unterstützt: Insgesamt bis zu 450 Bundeswehrsoldaten waren unter Kommando des Aufklärungsbataillons 8 aus Freyung und Oberstleutnant Thorsten Klapp in Passau im Einsatz. Zu Beginn der Katastrophe sicherten sie Häuser und halfen bei Evakuierungen, ab dem 4. Juni waren sie für schwere Aufgaben beim Aufräumen zuständig. Die Soldaten erfuhren dabei eine ebenso große Solidarität und Dankbarkeit, wie alle anderen Helfer. So bildeten sich etwa am 8. Juni spontan Spaliere von Passauern, die den durchfahrenden Militärfahrzeugen applaudierten.

Auch Spezialkräfte des THWs waren ab 3. Juni in Passau. Die örtliche Polizei wurde durch Kräfte der Bereitschaftspolizei verstärkt. 29 Wasserrettungsboote der Wasserwacht und der DLRG versorgten Gebäude, die vom Wasser eingeschlossen waren. Die Intergrierte Rettungsleitstelle stationierte zudem einen Rettungshubschrauber in Passau. Noch am Abend des 3. Juni machte sich eine Hilfskolonne aus dem Raum Aschaffenburg auf den Weg nach Passau: 180 Feuerwehrler fuhren eine ganze Nacht lang in 35 Fahrzeugen durch, um am nächsten Morgen in der Dreiflüssestadt angreifen zu können; viele von ihnen blieben bis zum 9. Juni vor Ort.

Am 5. Juni waren insgesamt über 1.200 Helfer der Feuerwehr, des THW, der Bundeswehr, der Polizei und Bundespolizei, des BRK, des MHD, der Wasserwacht und der DLRG im Einsatz. Dennoch wurden insbesondere in Stadtteilen wie Hals, Ilz- und Innstadt bei Abklingen des Hochwassers Stimmen laut, die Stadtverwaltung konzentriere sich auf das Zentrum und vernachlässige die „Satelliten“. OB Jürgen Dupper wies das mit Nachdruck zurück: „Alle diese Stadtteile verfügen selbst über hervorragende Hilfskräfte und die wurden auch von uns, von der Bundeswehr und vielen anderen unterstützt.“ So seien in der Innstadt österreichische Feuerwehren massiv zur Hilfe angerückt. „Ich bin jeden Tag in allen betroffenen Stadtteilen und ich hatte nie den Eindruck einer Vernachlässigung.“ Wenn jemand glaube, anderen werde schneller geholfen, dann soll er sich vor Augen führen: „Alle Leute arbeiten bis zum Anschlag.“[3]

Auch die Stadt München kam den Passauern zu Hilfe: Ab dem 6. Juni verstärkten Mitglieder der Berufsfeuerwehr, Fachleute der Stadtwerke sowie (zur Schadensbegutachtung) technische Mitarbeiter aus dem Baureferat der Stadt München die Einsatzkräfte in der Dreiflüssestadt. Am 8. Juni waren rund 1.000 professionelle und ehrenamtliche Einsatzkräfte und etwa 2.000 andere Ehrenamtliche in ganz Passau am Aufräumen. Wegen dieser großen Zahl an Helfern waren die Räumarbeiten bereits zu diesem Zeitpunkt weiter gediehen, als viele gedacht hatten.

Soziale Netzwerke

Mit ein Grund dafür waren zweifelsohne auch die zahlreichen Hilfskationen, die auf sozialen Netzwerken ins Leben gerufen wurden – etwa „Hochwasserhilfe Passau“, „Hochwasserhelfer Passau“ und „Passau räumt auf“. Letztere wurde von Studierenden und Mitarbeitern der Universität Passau aus der Idee heraus gestartet, die Uni zu retten, weitete sich dann jedoch sehr schnell auf die ganze Stadt aus; seit dem 2. Juni hatten sich mehrere tausend Freiwillige gemeldet, die eifrig bei den Aufräumarbeiten in der ganzen Stadt mit anpackten. Aufgrund dieser enormen Hilfsbereitschaft schienen jene Misstöne, die in Passau immer wieder über die Studierenden aufgekommen sind, vergessen; fast alle einheimischen Passauer waren von ihrer großartigen Tatkraft überwältigt. Waren Anfang der Flutwoche noch die Pegelstände das Gesprächsthema Nummer eins, prägte seit der Wochenmitte die Geschichte vom helfenden Studenten die Konversation. So sehr, dass am Ende die Einsatzleiter bemüht waren, darüber die Taten der ersten Retter in Uniform nicht in den Hintergrund drängen zu lassen. Ob Feuerwehrler oder THW-Mitglied, viele standen tagelang an der Wasser- und Schlammfront. Die Studentenhelfer wurden allerdings so betont, weil das im Grunde keiner von ihnen erwartete, nicht erwarten konnte: Passau ist eine Durchgangsstation für die meisten. Umso erstaunlicher war ihr Engagement – vor allem in dieser Menge und Intensität – für viele Einheimische.

Folgen und Schäden

Der überflutete Zuschauerraum des Stadttheaters.

Unmittelbare Folgen

Beinahe alle Schulen der Stadt blieben von 3. bis 9. Juni geschlossen. Die Universität Passau, deren Campus ebenfalls massiv von den Überschwemmungen betroffen war, stellte den kompletten Lehrbetrieb ebenfalls bis zum 9. Juni ein. Besonders getroffen wurden die Innsteg-Aula, das Nikolakloster, das Philosophicum und die Mensa sowie das WiWi und die Zentralbibliothek. Darüber hinaus zog das Hochwasser zahlreiche Gebäude der evangelischen und katholischen Kirche in Passau schwer in Mitleidenschaft. Zwar retteten Einsatzkräfte gemeinsam mit vielen Freiwilligen einige wertvolle Kirchengüter, die Schäden gingen jedoch trotzdem in Millionenhöhe. Im Kloster Niedernburg brachten Lehrer der überfluteten Gisela-Schulen noch am 3. Juni die Reliquien der Sl. Gisela in Sicherheit. Bischof Wilhelm Schraml und sein evangelischer Kollege Regionalbischof Dr. Hans-Martin Weiss sicherten am 4. Juni bei Ortsterminen Hilfsgelder der Kirchen zu und würdigten das Engagement der Helfer.

Wegen des Hochwassers wurden die Presse-Meile 2013, das Ilzer Haferlfest sowie das Halser Inselfest abgesagt. Der stark betroffene Passauer Ratskeller wurde nach dem Hochwasser nicht mehr wieder eröffnet.

Entstandene Schäden und Soforthilfe

Wegen den schweren Wasserschäden am Fürstbischöflichen Opernhaus am Innufer musste das Stadttheater Passau seinen Betrieb für die gesamte restliche Saison einstellen. Der Orchestergraben war komplett geflutet worden und alle Räume im Erdgeschoss des Bühnenhauses standen unter Wasser. Zudem war das Wasser in der Nacht zum 3. Juni gegen 4 Uhr auch in den Zuschauerraum eingedrungen, es stand bis zur zehnten Reihe im Parkett – fast bis an die Oberkante der Brüstung zum Orchestergraben. Bis zuletzt hatten Belegschaft und Feuerwehr gegen das Wasser angekämpft – ohne Erfolg.

Im ScharfrichterHaus Passau waren Theater und Restaurant bis an die Decke voll mit Wasser, sogar das höher gelegene ScharfrichterKino war betroffen. Der Weinkeller wurde „evakuiert“, bevor er randvoll lief. Die Schäden wurden auf rund 300.000 Euro geschätzt. Ob es eine Wiedereröffnung des Traditionshauses geben wird blieb unmittelbar nach dem Hochwasser zunächst fraglich. Vergleichsweise glimpflich davongekommen ist das Museum Moderner Kunst Wörlen Passau, dessen Kassenbereich ebenso geflutet wurde wie der Skulpturenraum. Beides war zwar rechtzeitig geräumt worden, das Mobiliar und die Technik wurden jedoch durch die Flut zerstört. Die im Museum höher gelegenen Ausstellungsräume waren nicht betroffen. Das Café Museum hingegen war erheblich schwerer betroffen: Nicht nur das Konzertgewölbe im Keller an der Donau, auch die Gastronomie mitsamt Küche wurden fast komplett zerstört. Darüber hinaus waren zahlreiche Künstler, vor allem auch in der Höllgasse, vom Hochwasser betroffen – unter ihnen Christa Gottinger, Margareta Schäffer, Barbara Dorsch und Rudolf Klaffenböck. Zu Unterstützung der Passauer Kleinkunstszene wurde deshalb die Initiative „Zukunft Höllgasse“ ins Leben gerufen.

Auch das RömerMuseum Kastell Boiotro, die Scheune am Severinstor, die St. Achatiuskirche, das Lukas-Kern-Waisenhaus, das Kraftwerk Passau-Hals und unzählige andere Einrichtungen und Wohnhäuser wurden zum Teil massivst beschädigt. Am Abend des 7. Juni musste die Innbrückgasse wegen einsturzgefährdeter Häuser vorübergehend sowohl für Pkw als auch für Fußgänger gesperrt werden. Seit 5. Juni marschierten bis zu 21 Trupps durch die betroffenen Gebiete, um eine erste Schadensaufnahme durchzuführen. Danach untersuchten Mitarbeiter von drei Passauer Statik-Büros bedenkliche Gebäude auf ihre Tragfähigkeit. In den meisten Fällen konnten die Gebäude wieder freigegeben werden, in zwei Gebäuden allerdings wurden Zutrittsverbote ausgesprochen – eines davon für die Crêperie am Innbrückbogen. Auch alle drei Rathäuser – das Alte, das Neue und das im alten Zollamt – waren von Hochwasserschäden schwer getroffen; Verschont blieben die historischen Rathaussäle, die Flut erreichte die Mitte der Zugangstreppe. Zwei Ämter im Neuen Rathaus hatten derart verwüstete Diensträume, dass sie ausziehen müssen: das Bauordnungsamt und die Bauverwaltung Passau. Schätzungen vom City Marketing Passau von Mitte Juni zufolge denken rund 20 Geschäftsbetreiber ans Aufhören.

Bei der ZF Passau entstanden Schäden im zweistelligen Millionenbereich: Werksgelände und Keller wurden überschwemmt, glücklicherweise keine Produktionsanlagen, automatisierte Regalanlagen standen unter Wasser, Trafos mussten schleunigst vom Netz genommen werden. Ein Zulieferer half mit einem 3,5 Tonnen schweren Trafo aus, der über Nacht aus Saarbrücken nach Passau geschafft werden konnte. Immer mehr Räume wurden geflutet, und doch schafften es die Spezialisten der Werksfeuerwehr und Werkinstandhaltung mit vereinten Kräften, die für die Produktion entscheidende Halle 10 zu verteidigen; die Härterei konnte kontrolliert herunter- und wieder hochgefahren werden. Unterstützung kam unter anderem auch von den Werkfeuerwehren und Technikteams der ZF-Standorte in Schweinfurt und Friedrichshafen. Vom Abend des 2. Juni bis zum Morgen des 6. Juni war die Produktion in Grubweg unterbrochen; weil in ganz Passau die Wasserversorgung zusammenbrach, musste für zwei Tage auch der Betrieb in Patriching eingestellt werden.

Alles in allem sprachen erste Schätzungen von 240 Hektar betroffener Fläche, 5.000 Einwohnern und 800 Gebäuden. Einige Häuser in der Altstadt waren zum Teil acht Tage lang überflutet. Die Gesamtsumme allein der privaten Hochwasser-Schäden wird vermutlich bei rund 100 Millionen Euro liegen; die Schäden in großen Gewerbebetrieben, kirchlichen Einrichtungen, Staatsbauten, an Straßen, Kanälen und Brücken sowie an den eigenen Einrichtungen der Stadt dürften vermutlich ebenfalls um die 100 Millionen Euro betragen. OB Jürgen Dupper forderte deshalb schon am 6. Juni von der höheren Politik, mit dem gleichen Einsatz den verheerenden Folgen der Jahrtausendflut zu begegnen wie die unzähligen Helfer: „Die versprochenen 150 Mio. Euro Hilfe für ganz Bayern dürfen nicht das letzte Wort sein.“ So viel könnte schon für Passau allein erforderlich sein.[4] Einen Ansturm gab es erwartungsgemäß ab dem 6. Juni deshalb auch auf die Anträge zur Soforthilfe durch den Freistaat Bayern: 1.500 Euro bekam jedes Flutopfer pauschal ausbezahlt, wenn es die Bedürftigkeit nachweisen kann; Gewerbetreibende und Landwirte erhielten 5.000 Euro. Dazu hatte die Bayerische Staatsregierung der Stadt sieben Millionen Euro zur Verfügung gestellt – der größte Anteil von den insgesamt 20 Millionen für alle betroffenen Städte und Landkreise.

Finanzielle Folgen und Spendenbereitschaft

Als Folge der Hochwasserkatastrophe musste die Stadt Passau zusätzliche Belastungen von 7,6 Millionen Euro im Haushaltsjahr 2013 ausgleichen. Diese schlüsseln sich auf in 4,1 Millionen Euro Schaden an der Infrastruktur der Stadt; davon entfallen auf Gebäude und Einrichtungen wie Rathäuser, Theater, Römermuseum, Altstadtschule und Leopoldinum 3,5 Millionen, auf Kläranlage und Pumpwerk 400.000, auf Straßen, Wege und Plätze 100.000, auf Ampeln 45.000, auf Grünanlagen 35.000. Hinzu kommen weitere Belastungen: Mehrausgaben für Hochwassereinsätze 1,5 Millionen Euro, Mindereinnahmen bei Gebühren und Gewerbesteuer 1,7 Millionen, zusätzliche Marketingausgaben 300.000. Das ergibt die Summe 7,6 Millionen. Weitere zwei Millionen Euro Schaden hatten die von der Stadt verwalteten Stiftungen, dazu zählen der Totalschaden am Altstadtkindergarten (1,2 Millionen), Lukas-Kern-Kinderheim (300.000), Seniorenheim St. Johann (300.000) und Stiftskeller (120.000). In die damit knapp 10 Millionen Euro noch nicht eingerechnet sind die entstanden Schäden bei den städtischen Töchtern wie den Stadtwerken mit den Parkhäusern und der WGP mit Wohn- und Geschäftshäusern unter anderem in der Höllgasse. Gedeckt wurden diese Mehrausgaben durch ungeplante Überschüsse bei Schlüsselzuweisungen (2,2 Millionen), Bezirksumlage (480.000) und Grundstücksverkäufe (800.000). Weitere zwei Millionen wurden durch nicht mehr aktuelle Projekte wie z.B. den Georgstunnel und den Verzicht auf die Fortschreibung des Flächennutzungsplans. Das staatliche Infrastrukturprogramm deckte die restlichen 2,1 Millionen Euro.

Dem Ausmaß der Flutkatastrophe entsprechend war die Bereitschaft zu Spenden. So stellte das Bistum Passau 3,5 Millionen Euro als Soforthilfe für die Flutopfer in den betroffenen Städten und Landkreisen der Diözese zur Verfügung; vom Erzbistum München und Freising kamen weitere 1,5 Millionen Euro hinzu. Mit insgesamt einer Million Euro unterstützte die ZF Friedrichshafen AG die vom Hochwasser betroffenen Menschen in Passau; dieser Betrag ging jeweils zur Hälfte an die PNP-Fluthilfe und an den ZF-Hilfe-Unterstützungsverein Passau e.V., womit das Geld sowohl den Menschen in der Region Passau als auch betroffenen ZF-Mitarbeitern zugute kam. Die Sparkasse Passau stellte 250.000 Euro sofort und unmittelbar für die Betroffenen in der Stadt und im Landkreis zur Verfügung und bot ihnen darüber hinaus einen zinslosen Sofortkredit für sechs Monate an.

Benefiz-Aktionen

„Passau kommt wieder. Zusammen.“ hieß eine Webseite mit Rabatt- und Gutscheinaktionen vieler Unternehmen für die Hochwasser-Geschädigten. Firmen aus Passau und auch überregional bieten derzeit Rabatt-Aktionen oder Gutscheine für Hochwasser-Geschädigte an. Die Stadt Passau gab ab dem 8. Juni Bestätigungen an die Hochwasser-Geschädigten aus. Damit diese Aktionen allen Betroffenen bekannt werden, stand seither unter www.hochwasser-passau.de auch eine Plattform zur Verfügung, auf der sämtliche Unternehmen ihre Aktionen und Hilfsangebote veröffentlichen können.

Zudem wurde am 13. Juli 2013 unter dem Motto „Passau hat sich rausgeputzt“ ein großes Benefizfest in der gesamten Innenstadt veranstaltet. Am 1. September 2013 fand zudem ein Benefiz-Fußballspiel des FC Bayern gegen eine Regionalauswahl im Dreiflüssestadion Passau statt, dessen Erlös zuzüglich 250.000 € vom FC Bayern an die PNP-Fluthilfe 2013 gespendet wurden.

Diskussionen

Die Markierung des Höchststandes von 2013 steht am Rathausturm über derjenigen von 1501.

Größtes Hochwasser?

Noch während des Hochwassers kursierte ein Bild der Wasserstandshöhen am Rathausturm in sozialen Netzwerken, auf dem die Wassermassen alle bisherigen Markierungen verdeckten. Somit schien erwiesen, dass dieses aktuelle Hochwasser höher war, als alle anderen vor ihm. Unter Berufung auf dieses Bild und dessen Logik folgend vermeldeten zahlreiche Medien daraufhin, dass die Hochwassermarke vom 3. Juni 2013 jene vom 15. August 1501 und damit die bisherige Höchstmarke weit übertroffen habe – 2013 sei das größte Hochwasser in der Passauer Geschichte. Sie lagen damit jedoch einem Irrtum auf, denn die Markierung des Pegelstandes von 1501 war nicht maßstabsgetreu. Das bestätigte unter anderem Heimatforscher Heinz Kellermann gegenüber der PNP: So war das Hochwasser von 1501 noch rund 30 Zentimeter höher als das jetzige.

Die 2013 erreichte Wasserstandshöhe von 12,89 Meter wurde von Robert Firmhofer, dem Hauptamtsleiter der Stadt, provisorisch auf die Mauer geschrieben. Sobald die Markierungen auf Basis dieses Standes neu gestaltet werden, soll auch das mit der falschen 1501-Marke korrigiert werden.

Mangelnder Hochwasserschutz

Im Rahmen des Hochwassers wurde in den Medien mehrmals die Frage diskutiert, warum Passau nicht über Hochwasserschutz-Systeme wie andere Städte verfüge, etwa in Form von Schutzwänden entlang der Flüsse (sog. Spundwände). Dies ist zurückzuführen auf Gründe der Statik. So liegt etwa die Donaulände etwa auf sieben Meter. Bei einem Hochwasserpegel von über zwölf Meter müssten die Wände demnach mehr als fünf Meter hoch sein, um ihre Funktion theoretisch erfüllen zu können, bloß „dann hätten wir keine Donaulände, sondern Alcatraz.“[5] Zudem könnten die Spundwände den Druck dann auch in statischer Hinsicht keinesfalls mehr aushalten. In den vergangenen Jahrzehnten waren solche Szenarien mehrfach durchgespielt worden, man entschloss sich letztlich jedoch dazu, auf Schutzmaßnahmen für Einzelgebäude einzuschwenken. Insofern setzen die vorhandenen Schutzprogramme in Passau an den Häusern selbst an – doch können auch diese kaum für ein so extremes Hochwasser konzipiert werden.

Eine weitere Frage war, warum die Warnungen nur so ungenau und vor allem so spät kamen. Noch während den Aufräumarbeiten fragten sich nicht wenige Betroffene, warum kein Wasserwirtschafts-Experte das Ausmaß der Katastrophe vorhersagen konnte. Der Grund dafür ist der Inn, wie OB Jürgen Dupper mehrfach erklärte: „Wenn wir eine Donaustadt wären, dann hätten wir drei Tage Vorlaufzeit. Durch den Inn sind es nur zehn Stunden.“ Passau liege eben an der Nahtstelle, wenn ein mächtig daherschießender Inn auf eine enorm angeschwollene Donau treffe und diese in die Stadt zurückstaut.[5]

Pegelstreit

Der Pegelstandsanzeiger an der Donau versagte ab 12 Metern seinen Dienst. (Foto: Jäger)

Am 12. Juni 2013 beschwerte sich OB Jürgen Dupper in einem Brief an Umweltminister Marcel Huber über mangelhafte Vorhersagen zum Hochwasser. Dupper forderte insbesondere Aufklärung zu einer Aussage des Deutschen Wetterdiensts in der PNP, wonach die drohenden extremen Regenfälle (bis zu 400 l/m²) bekannt gewesen seien. Diese Prognose wurde der Stadt Passau nämlich nicht bekannt, die nach den ihr vorliegenden Informationen von 100 l/m² ausgegangen war. Damit hatte die Stadt keine Kenntnis über das katastrophale Ausmaß des zu erwartenden Hochwassers. „Wenn die Aussage des Deutschen Wetterdiensts zutrifft, muss unterstellt werden, dass der Hochwasser-Nachrichtendienst (HND) diese Erkenntnisse nicht in dem Umfang an die betroffenen Städte und Gemeinden weitergegeben hat, wie dies möglich und notwendig gewesen wäre“, hielt Dupper dem Minister vor.[6] Den vorliegenden Prognosen entsprechend waren Sandsäcke und Flutwände aufgebaut worden, welche die Stadt bei einem Donaupegel von 9,50 Meter ausreichend und zuverlässig geschützt hätten; auch auf die Entfernung des Inventars kann bis zu diesem Pegelstand verzichtet werden. Tatsächlich stieg das Wasser jedoch auf einen Höchststand von 12,89 Meter. Als das erkannt wurde, war es für die dafür nötigen Schutzmaßnahmen zu spät. Sandsäcke und Flutwände halfen nicht, auch die aufgebauten Stege, die bei einem niedrigeren Wasserstand als Fußwege sinnvoll gewesen wären, wurden zum Problem: Sie gefährdeten die Rettungsboote. „In der Folge sind Inventarschäden entstanden, die teilweise vermeidbar gewesen wären, hätte man auf Sandsäcke verzichtet und stattdessen die Gebäude geräumt“, so Dupper.[6] Ungeachtet der Unstimmigkeit um die Regen-Prognose forderte Dupper, die Prognosehorizont von nur zehn Stunden müsse dringend erweitert werden, um auch bei Katastrophenlagen die richtigen und Erfolg versprechenden Maßnahmen einleiten zu können.

Das Umweltministerium wies die Vorwürfe in der Folge zurück. In dem Antwortschreiben hieß es, der HND habe frühzeitig und mit ziemlich genau vorhergesagten Wasserständen gewarnt. So seien für den Pegel Passau/Donau bereits 48 Stunden vor dem Höchststand 10,64 Meter und 13 Stunden vorher 12,28 Meter vorhergesagt worden. Der Wunsch von Kommunen, möglichst früh genau Vorhersagen zu bekommen, sei wiederholt Anlass für ausführliche Untersuchungen gewesen. Jedoch seien solche Langfristprognosen in der gewünschten Schärfe – vor allem bei Extremereignissen – in absehbarer Zeit auch mit modernsten Prognosemodellen nicht erzielbar. Die Stadt Passau gab sich damit nicht zufrieden und versuchte in der Folge, auch im Hinblick auf künftige Hochwasser-Ereignisse, dieses Thema unmittelbar und intern mit dem bayerischen Umweltministerium abzuklären und aufzuarbeiten. Es gehe nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, wie die Bürger der Stadt Passau möglichst schnell und frühzeitig vorgewarnt werden können. Es stand jedoch Aussage gegen Aussgage: Während sich die Stadt auf Zahlen berief, die im „Konsens“ mit dem Wasserwirtschaftsamt Deggendorf (WWA) mitgeteilt wurden, beharrte das Ministerium darauf, dass die drastischeren Prognosen sicher auch im Passauer Krisenstab landete. Am 19. Juni versicherten OB Jürgen Dupper und Verantwortliche von Helfer-Organisationen im Krisenstab per Unterschrift, dass die von Minister Marcel Huber genannten Prognose-Zahlen nie in den Krisenstab vorgedrungen seien. Zugleich stärkten mehrere regionale Politiker Dupper bezüglich der Pegel-Prognosen den Rücken.

Ebenfalls am 19. Juni wurde bekannt, dass bei den Lagebesprechungen des Hochwasser-Krisenstabs möglicherweise wichtige langfristige Pegel-Prognosen nicht zur Sprache gekommen sind, weil sich die Stadt vor Jahren vom WWA vor allem aussagekräftigere kurzfristige Prognosen gewünscht hatte: „Es gibt einen Vermerk aus früheren Jahren, dass sich die Stadt genauere Angaben nur über zehn bis zwölf Stunden wünscht, weil die längerfristigen Prognosen in früheren Zeiten öfter ungenau waren“, so das WWA. Nicht zuletzt deswegen haben die Mitarbeiter des WWA in den Lagebesprechungen des Krisenstabs auch nur entsprechende kurzfristige Prognosen eingebracht.[7] Dem widersprach die Stadt energisch: Im Rahmen eines Gesprächs mit dem WWA am 17. Juni 2010 – im Nachgang eines wegen Langzeitprognosen zu dramatisch eingeschätzten Fronleichnams-Hochwassers – sei genau das Gegenteil vereinbart worden. Der entsprechende Protokollvermerk hält fest: „Neben der Prognose bis zu einem bestimmten Zeitpunkt wäre auch eine Trendaussage für die weitere Entwicklung wichtig. Das Wasserwirtschaftsamt will die Berichte entsprechend anpassen“.[7]

Umweltminister Marcel Huber reagierte erst Anfang August auf die Anfrage, ob es tatsächlich frühzeitig Prognosen gab, dass Passau vor einer neuen Jahrhundertflut steht. Er räumte schriftlich ein, dass es in der Tat eine „interne“ Modellrechnung gegeben habe, die für 3. Juni um 9 Uhr einen Passauer Donaupegel von 10,64 Meter prognostizierte. Diese Prognose habe bereits am 1. Juni um 9 Uhr vorgelegen – das heißt bereits Samstagfrüh wusste man „intern“, dass auf Passau wieder eine ähnliche Hochwasserwelle wie 2002 zuzulaufen drohte. Huber räumte auch ein, dass im Internetauftritt des HND lediglich Prognosen mit einer Vorlaufdauer von etwa zwölf Stunden eingestellt worden seien. Passauer Bürger, die sich im Internet über das Hochwasser informieren wollten, konnten damit von den dramatischen Prognosen nichts erfahren. Ob Vertreter der Stadt konkret und explizit über die frühzeitige, dramatische Prognose informiert wurden, ging aus dem Antwortbrief Hubers nicht klar hervor: Über die „Trendentwicklung“ sei die Stadt „mündlich informiert“ worden; das WWA habe „gemäß Hochwasserdienstverordnung und der dazugehörigen Vollzugsbekanntmachung“ die Stadt „über das Erreichen beziehungsweise Überschreiten von Meldestufen informiert“[8]. Vor allem Oppositionspolitiker, darunter etwa die Landtagsabgeordneten Eike Hallitzky und Bernhard Roos, lasen aus dieser Antwort heraus, dass der Passauer Krisenstab tatsächlich nicht frühzeitig über die dramatischen Prognosen informiert worden ist.

Kuriositäten

Die „Trümmerhochzeit“ im Kleinen Rathaussaal.

Ironischerweise spielt Carl Amerys bekannter Science-Fiction-Roman „Der Untergang der Stadt Passau“ aus dem Jahr 1975 – eine teils amüsante, teils stockfinstere Endzeit-Vision – ebenfalls im Jahr 2013. Darin ist allerdings nicht eine Überschwemmung die zentrale Katastrophe, sondern eine große Seuche, in Folge derer sich einige Überlebende in Passau verschanzt haben und ums Überleben kämpfen.

Trotz des Katastrophenzustandes hatten auch die Standesbeamten der Stadt genug zu tun. So heirateten während des Hochwassers gleich mehrere Paare in Passau. Eine dieser ungewöhnlichen Hochzeiten ermöglichte etwa der Löschzug Ilzstadt, der ein Brautpaar durch das Hochwasser zum Standesamt fuhr. Die außergewöhnlichste Hochzeit war allerdings diejenige von Stadtarchivar Richard Schaffner und Ratskellerwirt Kurt Strigler am 6. Juni 2013. Sie entstand spontan, als ein Standesbeamter gegen 14.30 Uhr im Anzug vor dem Rathaus eine Raucherpause einlegte. Dort am Parkplatz oberhalb des Scharfrichterhauses machten gerade einige Helfer Pause – unter ihnen eben auch Richard Schaffner und Kurt Strigler, beide seit 2. Juni in Dauereinsatz, mit ihren langjährigen Lebensgefährtinnen Elisabeth Herzog und Heidi Schuster. Die vier kamen mit dem Standesbeamten Gerold Haas, den sie gut kannten, ins Gespräch und die beiden Frauen entschlossen sich schnell zu einer spontanen Doppelhochzeit. Die beiden völlig überraschten Männer nickten nur – Schaffner glaubte, wie er später gestand, dass eine Trauung ohnehin nicht zustande käme. Doch sie kam bereits eine gute Stunde später zustande, nachdem Haas rasch alle nötigen Unterlagen besorgt hatte. So saßen dann in Stiefeln und teilweise schlammiger Arbeitskleidung bzw. Feuerwehrmontur vier Heiratskandidaten vor ihm. Direkt nach der Trauung ging es wieder mit den Aufräumarbeiten weiter.

Weitere Bilder

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Franz Danninger: Passau erlebt eine Jahrhundert-Katastrophe. In: Passauer Neue Presse vom 3. Juni 2013 (S. 19)
  2. Julia Ried: Passau hat wieder Leitungswasser. In: Passauer Neue Presse vom 6. Juni 2013 (S. 23)
  3. Franz Danninger: Das Wasser verschwindet langsam. In: Passauer Neue Presse vom 5. Juni 2013 (S. 21)
  4. Franz Danninger: Das große Räumen und Zählen beginnt. In: Passauer Neue Presse vom 6. Juni 2013 (S. 21)
  5. 5,0 5,1 Franz Danninger: Die Passauer Schlammschlacht. In: Passauer Neue Presse vom 7. Juni 2013 (S. 17)
  6. 6,0 6,1 Thomas Seider: Richtige Prognose kam nicht an: OB beschwert sich beim Minister. In: Passauer Neue Presse vom 13. Juni 2013 (S. 21)
  7. 7,0 7,1 Christian Karl, Alexander Kain: WWA: Kurzfristige Prognosen auf Wunsch der Stadt. In: Passauer Neue Presse vom 20. Juni 2013 (S. 21)
  8. Alexander Kain: Pegelstreit: Umweltminister nimmt Stellung. In: Passauer Neue Presse vom 3. August 2013 (S. 10)

Literatur

Weblinks