Internationale Studioglasbewegung

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Erwin Eisch bei der Arbeit.

Die Internationale Studioglasbewegung ist eine 1962 in Amerika begründete Künstlerbewegung. Ihrer Auffassung nach ist Glas nicht nur ein Material, aus dem man Gebrauchsgegenstände herstellt, die bestenfalls noch verziert sind. Sondern ein Material, das in der Kunst ebenso seine Berechtigung hat wie Bronze oder Ton, und mit dem der Künstler plastisch arbeiten kann. Damit der Glaskünstler seine Ideen auch schöpferisch umsetzen kann, braucht er eine kleine Glashütte – auf Englisch Studio, daher der Name.

Die Bewegung geht zurück auf den amerikanischen Glaskünstler Harvey Littleton. Als ihr deutscher Vater gilt Erwin Eisch aus Frauenau.

Entstehungsgeschichte

An einem Freitag im August 1962 begegneten sich – eher zufällig – der Amerikaner Harvey Littleton und der Frauenauer Erwin Eisch. Aus diesem schicksalhaften Treffen erwuchs die internationale Studioglasbewegung.

Erwin Eisch hatte bereits seit den 1950ern, abseits des Akkordbetriebs, mit Glas experimentiert. Dabei entstanden die ersten seiner verdrehten Vasen, für die er anfangs gerade einmal zehn Mark bekam. Eine von diesen sonderbaren Vasen bekam Harvey Littleton in die Finger, der Keramikprofessor aus Corning, New York. Er war der Sohn des Leiters der Forschungs- und Entwicklungsabteilung im Glaskonzern Corning Glass Works, der sich gegen ein Physikstudium und für die Kunst entschieden hatte. Nun lehrte er an der University of Madison, Wisconsin, und reiste mit seiner Frau Bess durch Europa – auf den Spuren des Glases. Der Ruf der Glasfachschule hatte den Amerikaner nach Zwiesel gebracht.

Im Glashaus Rimpler entdeckte er die Eisch-Vase aus rotem Glas. „Who made that piece of glass?“, soll Littleton gerufen haben. Wer hat dieses Glas gemacht? Irgendwie hat Littleton es auch noch „mit Händen und Füßen“ geschafft, eine Antwort zu bekommen. Und stand bald darauf bei den Eischs vor der Tür. Mit getrimmtem Schnauzer und seiner auf Hawaii geborenen Frau Bess, einer exotischen Schönheit, wie mehrere männliche Quellen bezeugen.

Die für die moderne Glasgeschichte folgenschwere Begegnung verlief denkbar unspektakulär. Frisch verheiratet waren die Eischs, wohnten noch neben der Glashütte. Ihr erstes Kind, Tochter Katharina, war gerade drei Monate alt. Doch die Begeisterung von Harvey Littleton muss ansteckend gewesen sein, über alle Sprachgrenzen hinweg. „Es war kein Gespräch möglich“, berichete Erwin Eisch später, sein Schulenglisch reichte nicht. Aber er verstand auch so, dass der Gast Glas sehen wollte. Am nächsten Morgen nahm er Littleton mit in die Hütte, wo er mit Glasmachermeister Karl Lautscham am Ofen herumexperimentierte. Dann reisten die Littletons ab, zurück blieb als Gastgeschenk eine kleine Keramikschale, gefertigt von Littleton. Heute liegen darin Kugelschreiber.

Zwei Jahre später kam aus Amerika eine Einladung zum „World Crafts Council“ in New York, samt Flugbillets. Was Erwin Eisch in jenen zwei Juni-Wochen sah, beeindruckt ihn bis heute schwer. „Da stand der Harvey mit zwei Studenten mitten im Hof auf dem Campus der Columbia University vor so einem Öferl.“ Auf einem Foto ist er selbst zu sehen, wie er in Socken und Sandalen im karierten Hemd und noch ohne Vollbart mitmischt. Er macht nicht nur die Bekanntschaft anderer Künstler, sondern sieht auch zum ersten Mal eine Frau am Glasofen. 1965 sollte Eisch sich im Untergeschoss der Glashütte einen eigenen kleinen Studio-Ofen bauen.

Nach dem Kongress fuhren ein paar der Teilnehmer für einige Tage zu Littleton nach Hause. Der Unterhaltung folgen konnte Eisch immer noch nicht bis ins Detail. Doch es ging um die große Frage, wie man an den Universitäten Glasabteilungen etablieren könnte. „You have to have a glass department!“, diesen Satz Littletons hat Eisch immer noch im Ohr. Schon im Frühjahr 1962, vor seinem Besuch in Frauenau, hatte Littleton sein erstes Glasseminar abgehalten. Und obwohl er an seiner Universität eigentlich in der Keramikabteilung war, eröffnete er eine Glasabteilung. Littleton ging, bei aller Sorge um die Kunst, die Sache mit dem Glas pragmatisch an. Auch wie man es wertvoll macht und vermarktet, hat ihn von Anfang an beschäftigt.

In Deutschland hingegen war die Situation ganz anders. Als Erwin Eisch dem Präsidenten der Münchner Akademie vorschlug, ein Glas-Department einzurichten, habe es geheißen, das könne er nicht entscheiden. Das sei Sache des Kultusministeriums. Das wiederum habe beschieden, dass man so etwas nicht brauche. Ein Argument sei die schon vorhandene Glasfachschule in Zwiesel gewesen.

Literatur

Weblinks