Joseph Stangl

Aus RegioWiki Niederbayern
Wechseln zu: Navigation, Suche
Joseph Stangl, vermutlich ein Jahr vor seinem Tod. (Foto: Photo-Atelier J. Geisinger)
Zu Stangls Primiz war das Elternhaus reichlich geschmückt und die Familie ließ sich gemeinsam davor fotografieren. (Foto: Privat)
Der Deggendorfer Stadtpfarrer Ludwig J. Rösler mit dem Eintrag im Totenbuch der Pfarrei Mariä Himmelfahrt. (Foto: Binder)

Joseph Stangl (* 21. November 1901 in Bradlberg; † 3. Juli 1937 in Helfkam/Deggendorf) war ein katholischer Pfarrer und Täufer von Joseph Aloisius Ratzinger - des späteren Papstes Benedikt XVI.

Leben und Wirken

Joseph Stangl wurde am 21. November 1901 in Bradlberg als Sohn der Eltern Ludwig und Franziska Stangl geboren, die Familie war in der Landwirtschaft tätig. Bradlberg war damals noch eine selbständige Gemeinde, die 1936 in Riggerding umbenannt und 1972 bei der Gebietsreform Schöllnach zugeschlagen wurde. Getauft wurde der kleine Joseph nach den Urkunden im Passauer Diözesan-Archiv noch an seinem Geburtstag um 11.30 Uhr in der Expositurkirche in Zenting.

Joseph Stangl wurde am 29. Juni 1926 zum Priester geweiht und feierte am 7. Juli 1926 in der Stadtpfarrkirche zu Deggendorf sein erstes hl. Messopfer, also Primiz. Sein priesterliches Wirken begann er als Kooperator in Iggensbach. In der Folgezeit war er Seelsorger in Marktl, Stammham, Reischach, Bischofsmais und Hauzenberg. Im April 1937 wurde ihm die Pfarrei Thalberg im Dekanat Obernzell übertragen.

Am 3. Juli 1937 starb Joseph Stangl im Alter von 36 Jahren in der elterlichen Wohnung in Helfkam an den Folgen eines Gehirntumors. Vorher war der schwerkranke Geistliche fast zwei Monate in einer Münchner psychiatrischen Klinik, wo man seine Krankheit jedoch nicht behandeln konnte.

Der Deggendorfer Donaubote schrieb in seinem Nachruf in der Montagausgabe vom 5. Juli 1937: „An all seinen Wirkungsorten erfreute sich der bescheidene und liebenswürdige Priester größter Verehrung und Beliebtheit. Leider wurde der seeleneifrige Priester vor Jahresfrist von einer schweren Krankheit befallen, die seine Arbeitskraft immer mehr hemmte, bis er auch noch einen Schlaganfall erlitt. Von einer Klinik in München, wo er vergebens Heilung suchte, brachte man ihn am Samstag abends in das Elternhaus zurück und schon eine Stunde nach der Ankunft um halb sechs Uhr hauchte er seine Seele aus.“

Am 6. Juli 1937 wurde Stangl im Beisein seines Vaters und dessen zweiten Frau Anna, sowie Geschwistern und Verwandten aus München, Viechtach, Ölberg, Zenting, Padling, Rohrstetten und Hunding beerdigt. Das Grab gibt es noch, allerdings existiert Joseph Stangls Name nicht mehr auf dem Gedenkstein.

Stangl und Ratzinger

Als 25-jähriger Kooperator taufte Stangl in der Pfarrkirche St. Oswald in Marktl um 4.15 Uhr am Karsamstag, den 16. April 1927 Joseph Aloisius Ratzinger, der kurz zuvor in seinem elterlichen Schlafzimmer zur Welt gekommen war. Dieser sollte 78 Jahre später, fast auf den Tag genau, am 19. April 2005 in Rom als Benedikt XVI. zum 265. Papst in der Geschichte der römisch-katholischen Kirche gewählt werden. Knapp drei Jahre zuvor hatte er bereits dessen älteren Bruder Georg Ratzinger getauft.

Die unmittelbare Verbindung von Geburt und Taufe mit dem Osterfest hat Joseph Ratzinger stets als eine besondere Verbindung seines Lebenswegs mit dem Ostergeheimnis verstanden und betont: „Daß der Geburtstag der letzte Tag der Karwoche und der Vorabend von Ostern war, wurde in der Familiengeschichte immer vermerkt, denn damit hing es zusammen, daß ich gleich am Morgen meines Geburtstages mit dem eben geweihten Wasser getauft worden bin: Der erste Täufling des neuen Wassers zu sein, wurde als eine bedeutsame Fügung gesehen. Daß mein Leben so von Anfang an auf diese Weise ins Ostergeheimnis eingetaucht war konnte nur ein Zeichen des Segens sein.“

Alte Fotos

Josefine Stangl und ihr Sohn Klaus Stangl, Neffe von Joseph Stangl, entdeckten Anfang 2009 einen Karton mit alten Bildern. Es sind zum Teil Atelieraufnahme aus dem Photo-Atelier Josef Geisinger in Hauzenberg, die seinen Onkel Joseph Stangl zeigt.

Ein Bild zeigt den jungen Joseph mit seiner Stiefmutter Anna und Vater Ludwig. Stolz präsentiert er sich da im April 1921 in einem Atelier in schmucker Schüleruniform, wie es damals Sitte war, wohl nach dem Abitur mit Gehstock mit Silbergriff und Nickelbrille. Das Abi hat er nach den Akten im Bistums-Archiv am Humanistischen Gymnasium in Passau, dem heutigen Leopoldinum, gemacht.

Es gibt Aufnahmen mit Schulfreunden und später beim Studium an der Phil.-theol. Hochschule Passau als Angehöriger des Priesterseminars St. Stephan, wie Archivdirektor Dr. Herbert Wurster herausfand. Glanzstücke aber sind die Fotos von der feierlichen Primiz am 7. Juli 1926 mit dem von unten bis oben geschmückten Bauernhof in Helfkam, das damals noch eine eigene Gemeinde war. Girlanden aus Tannengrün und buntem Papier und Fähnchen überall, die ganze Familie hat sich zum Gruppenbild aufgestellt. Schwestern und Stiefschwestern haben sich in Schale geworfen, schmuck sind die weißen Kleider und die gewundenen Kränzchen auf den Köpfen. Auch der damalige Stadtpfarrer, Geistlicher Rat Lorenz Elser, ist dabei, der 1929 Ehrenbürger der Stadt wurde.

Familiengeschichte

Josephs Vater Ludwig hatte nach dem Tod seiner Ehefrau Franziska noch einmal geheiratet. Zwei Töchter, Fanny und Anna, stammen neben Joseph aus dieser ersten Bindung. Aus der zweiten Ehe mit Anna gehen die Töchter Resi und Jetta sowie wieder ein Sohn Ludwig hervor. Die Familie zieht bald von Bradlberg bei Schöllnach nach Helfkam, wo Vater Stangl einen Bauernhof gekauft hat. Sohn Joseph lässt sich noch einmal als junger Kooperator fotografieren.

Sein Vater Ludwig zieht nach dem Verkauf des Hauses in Helfkam nach Zenting, dort stirbt er im Dezember 1955 im Alter von 81 Jahren. Das Bauernhaus wird später abgerissen, die Firma Leitl baut dort an der Hopfenstraße. Sohn Ludwig aus zweiter Ehe wird 78-jährig am 9. Oktober 2007 beerdigt. Seine Ehefrau Josefine zeigt sich mit ihrem Sohn Klaus überrascht und stolz, dass dessen Onkel Joseph nicht nur ein Pfarrer war, sondern, wie es der Herr fügte, mit Joseph Ratzinger sogar den jetzigen Papst Benedikt taufen durfte.

Literatur