Juden in Passau

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Der angebliche Hostienfrevel der Passauer Juden auf einem Gemälde des 16. Jahrhunderts im Oberhausmuseum

Juden in Passau haben eine wechselvolle Geschichte.

Geschichte

Mittelalter

Die ersten Belege für in Passau ansässige Juden stammen aus dem frühen 12. Jahrhundert. Bischof Wolfger von Erla gestattete ihnen, sich in Passau niederzulassen und Geld zu verleihen. Rechtlich waren sie direkt dem Bischof als Schutzherrn in Vertretung des Kaisers unterstellt. Die Häuser lagen zunächst über die Stadt verstreut. Eine Verdichtung gab es in der heutigen Zinngießergasse, ehemals in der Judenschule und in der heutigen Steiningergasse, ehemals Judengasse beziehungsweise Judenstras genannt. Eine Synagoge am Innufer ist erst für das 14. Jahrhundert bezeugt.

Pogrome wie 1338 in Deggendorf (siehe Deggendorfer Gnad) sowie im niederösterreichischen Pulkau und schwelende Konflikte führten in Passau 1409/1412 zur Ansiedlung der Juden in der entlegenen Ilzstadt. Dazu kaufte Fürstbischof Georg Graf von Hohenlohe 1409 ein vom Passauer Stadtrichter Niclas Czeller dort errichtetes Haus. Dieser Bereich war als Freyung bei dem Nidern Hause aus der allgemeinen Rechtssprechung ausgeschlossen.

In diesem oppidulum Judaeorum kam es auch zur Errichtung einer Synagoge sowie eines Judenfreithofs, der noch 1593 erwähnt wird. Die relative Größe des Judenviertels mit 54 Familien um die Mitte des 15. Jahrhunderts lässt darauf schließen, dass vermehrt Juden aus Niederbayern und Österreich hier Zuflucht suchten. Während die Herzöge Albrecht III. und Ludwig IX. 1442 beziehungsweise 1450 alle Juden aus ihren Herzogtümern vertrieben, ließ Fürstbischof Leonhard von Laiming im Jahr 1442 innerhalb des Judenviertels ein neues Gebäude errichten, das wohl dem Geldverleih diente.

Doch im Jahr 1478 wurde auch den Passauer Juden ein Hostienfrevel nachgesagt, und es kam unter Fürstbischof Ulrich von Nußdorf zu einem Prozess, der mit der Hinrichtung von zehn unter Folter geständigen Juden endete. Vierzig Juden ließen sich taufen, während alle anderen aus der Stadt vertrieben wurden. Die Häuser wurden zerstört und anstelle der Synagoge die Kirche St. Salvator erbaut. Noch in der berühmten Sammlung deutscher Volksliedtexte Des Knaben Wunderhorn von Achim von Arnim und Clemens Brentano (1806/1808) wird in dem Gedicht Die Juden in Passau mit dem Zusatz Aus einem geschriebenen geistlichen Liederbuche in der Sammlung von Clemens Brentano der angebliche Hostienfrevel von Passau detailliert dargestellt. Die Reste des spätmittelalterlichen jüdischen Friedhofs sind am steilen Osthang des Georgsberges nachgewiesen, nicht aber Spuren des Ghettos oder der Synagoge, von denen es auch keine bildlichen Überlieferungen gibt.

19. und 20. Jahrhundert

Erst nach dem Judenedikt von 1813 kam es wieder zur Ansiedlung von Juden in Niederbayern. 1871 lebten erst sieben jüdische Bürger in Passau, 1900 waren es 34, 1925 48 und 1933 43. Das Zentrum der niederbayerischen Juden war Straubing, wo sich die 1907 eröffnete Synagoge befand. 1903 schlossen sich die Passauer Juden offiziell der jüdischen Gemeinde Straubing an. Die Passauer Juden betätigten sich beinahe ausnahmslos als Kaufleute und hatten dadurch wirtschaftlich einige Bedeutung. Allerdings waren nur die Familien Bernheim, Pick, Grünebaum und Forchheimer Eigentümer ihrer Grundstücke. Religiös und politisch verhielten sich die Passauer Juden völlig unauffällig, ein evident spezifisch jüdisches Leben war nicht vorhanden.

Zeit des Nationalsozialismus

Der reichsweite Boykott jüdischer Geschäfte vom 31. März/1. April 1933 verlief in Passau ohne Zwischenfälle bis auf die Verhaftung von Felix Bernheim, angeblich um ihn vor der aufgebrachten Menschenmenge zu schützen. Er wurde erst Mitte Mai aus der Haft entlassen, wonach er Passau verließ. Seinem Beispiel folgten die Familien Hartmann, Schmiedeck und Grünebaum.

Im September 1935 tauchten auch in Passau und Umgebung die Schilder Juden unerwünscht! auf. Am 31. August 1935 fand in der Nibelungenhalle eine Veranstaltung unter dem Titel Gegen Judentum und politischen Katholizismus statt, wo das Verbot bekräftigt wurde, bei Juden einzukaufen. Nach den Nürnberger Gesetzen vom 12. September 1935 setzte in Passau eine neue Welle von Arisierungsverkäufen ein. Dabei musste die Familie Bernheim das Kaufhaus Merkur entschädigungslos aufgeben, ebenso wurden das Vereinigte Kaufhaus AG Max Pfeiffer in der Grabengasse und die Kleiderhandlung der Gebrüder Klein in der Brunngasse arisiert.

Nachdem der Großteil des Pickschen Anwesens in der Ludwigstraße 17 bereits 1935 veräußert worden war, folgte 1938 der Verkauf des Anwesens Ludwigstraße 19. Der Passauer Stadtrat nahm in der Sitzung vom 29. Juli 1938 unter dem Tagesordnungspunkt Judenreinheit der Stadt die Geschäftsübernahme des Kaufhauses Pick mit Genugtuung zur Kenntnis.

Die Verdrängung der jüdischen Bürger aus Passau verlief weitgehend unspektakulär. Auch die sogenannte Reichskristallnacht verlief in Passau unauffällig und brachte nur wenige Verhaftungen. Mit der Schließung der Filiale des Schuhwarengeschäftes Springmann’s und dem Entzug der Legitimationskarte für die Weingroßhandlung Max Blättner verschwanden 1938 die letzten jüdischen Gewerbebetriebe aus Passau. Allerdings bestand noch nach 1939 die Holzhandlung der Gebrüder Forchheimer, obwohl die Familie Forchheimer bereits 1933 aus Passau abgewandert war.

Siehe auch

Literatur

  • Egon Johannes Greipl/Ludger Drost: Stadtgeschichte und Stadtgestalt. In: Denkmäler in Bayern, Band II.25 Kreisfreie Stadt Passau. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9 (S. LXXIII)
  • Peter Morsbach, Irmhild Heckmann, Christian Later, Jörg-Peter Niemeier: Denkmäler in Bayern, Band II.25 Kreisfreie Stadt Passau. Verlag Friedrich Pustet, Regensburg 2014, ISBN 978-3-7917-2552-9 (S. 331-332)
  • Bernhard Löffler: Passauer Juden. In: Winfried Becker (Hg.): Passau in der Zeit des Nationalsozialismus, Universitätsverlag Passau 1999, ISBN 3-86036-031-0
  • Josef Kirmeier, Judentum in Altbayern (bis 1800), in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: <http://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Judentum in Altbayern (bis 1800)> (27.01.2016)