KZ-Außenlager Ganacker

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Das Lager Ganacker bei Landau an der Isar war ein Außenlager des KZ Flossenbürg.

Ganacker - Außenlager des KZ Flossenbürg

Das KZ Flossenbürg war im Sinne von Auschwitz kein „Vernichtungslager“, es war ein Arbeitslager, in dem die Häftlinge durch unmenschliche Arbeit und Arbeitsbedingungen massenhaft zu Tode kamen. Über 100 Außenlager wurden von Flossenbürg aus eingerichtet, um die Kriegsindustrie im Reich notdürftig in Gang zu halten, den sinnlosen „Totalen Krieg“ an der Heimatfront weiter zu führen und den „Endsieg“ mit „Wunderwaffen“ doch noch zu erreichen, woran im Frühjahr 1945 nur noch die eingefleischtesten Nazis glaubten.

Vernichtung durch Arbeit

Die ökonomische Verwertbarkeit der Häftlinge trat in der Ideologie des Nazi-Staates immer mehr und deutlicher in den Vordergrund. Menschen sollten durch Arbeit und unvorstellbar schlechte Haftbedingungen systematisch körperlich und seelisch zerstört werden. Die KZ- Häftlinge im KZ-Außenlager Ganacker, zum größten Teil Juden, lebten und starben so massenweise völlig entrechtet unter dem Terror der SS- Wachmannschaften und ihrer Erfüllungsgehilfen, den „Kapos“. Kapos waren Häftlinge, die für geringe Privilegien ihre Mitgefangenen bis aufs Blut schikanierten. Von den Launen und der Willkür dieser Kapos und des SS-Wachpersonals hingen die individuelle Überlebenschance und das Leben der Häftlinge insgesamt ab. Von dem einstigen Küchenkapo des Außenlagers Ganacker Johann Nowak ist bekannt, dass er sich im Jahr 1954 vor dem Landgericht Landshut verantworten musste. Es wurde ihm Totschlag und gefährliche Körperverletzung zur Last gelegt, Verbrechen aus unseliger NS-Vergangenheit.

Verlegung vom Flugplatz in die Erlau

Hunger, totale Erschöpfung durch völlig unzureichende Ernährung und Terror bestimmten das Lagerleben im KZ- Außenlager Ganacker, das zunächst auf dem Flugplatzgelände Landau/Ganacker untergebracht war und, bedingt durch zunehmende feindliche Luftangriffe in das nahe „Pfarrerholz“ am Erlauspitz, westlich von Wallersdorf, umgesiedelt wurde. Das dürfte Ende März 1945 gewesen sein, als der Fliegerhorst Ganacker am 20. März massiv bombardiert worden war. Das Provisorium in der Erlau, das den rund 500 KZ-Häftlingen bis zum finalen „Todesmarsch“, zugemutet wurde, war gekennzeichnet durch eine chaotische Organisation, unzureichende Versorgung und eine hohe Sterberate. Die Häftlinge mussten trotzdem Schwerstarbeit leisten. Der Häftling Jeruham Apfel erinnert sich: „Ich war so geschwächt, dass ich wie ein Tier lebte.“

Vor dem Verhungern

Das größte Problem war der Hunger. Es wird von Augenzeugen berichtet, dass die ausgehungerten und kurz vor dem Hungertod stehenden Häftlinge ausgelegte Saatkartoffeln von den Feldern stahlen, von vorbeifahrenden landwirtschaftlichen Wägen Futterrüben von den Wägen zogen, rohe Kartoffeln aus den Kartoffelmieten holten und aßen. Ja selbst Löwenzahnwurzeln und Gras wurden verzehrt, was zu unbändigen Leibschmerzen und zu unheilbaren Magenerkrankungen führte. Beim Suchen und der Annahme von Essbarem wurden Häftlinge geknüppelt und mitleidige Essgeber eingeschüchtert und bedroht.

Wer waren die Täter?

Viele Häftlinge haben die Torturen nicht überlebt, obwohl es sich durchwegs um junge und als arbeitsfähig eingestufte Männer handelte. Es kamen die Misshandlungen der Häftlinge mit Anschreien, Beschimpfungen, Peitschenschlägen und Kolbenhieben dazu, seitens der Posten und Kapos. Dieses brutale und unmenschliche Verhalten, das sowohl von den KZ-Überlebenden als auch von einheimischen Zeitzeugen beschrieben wird, ist speziell für uns Deutsche und für die Menschheit insgesamt eine Schande.

Der anerkannte Soziologieprofessor Wolfgang Sofsky (geb. 1952) hat sich in seiner wissenschaftlichen Arbeit auf die Konfliktfelder Krieg und Gewalt spezialisiert. Seine Habilitationsschrift „Die Ordnung des Terrors: Das Konzentrationslager“ wurde literarisch ausgezeichnet und ist ein Standardwerk in Sachen Zeitgeschichte und NS-Staat. Sofsky analysiert den Charakter der sadistischen Gewaltmenschen , die offenbarten, wie unmenschlich der Mensch sein kann, so: „Für Grausamkeit reicht ein Mangel an moralischem Sinn und die Verrohung durch den täglichen Dienstbetrieb. Die Aufseher prügelten, quälten und töteten, nicht weil sie mussten, sondern weil sie durften.“ Der Gerechtigkeit halber muss gesagt werden, dass nicht alle Aufseher und Posten im KZ-Außenlager Ganacker gleich schlimm waren. Es gab auch welche, die nicht bedenkenlos schlugen nd schossen. Es gab auch Aufseher, „die uns zwar anschrien und uns zur Arbeit antrieben, uns aber nicht schlugen“, bestätigt der KZ-Insasse in Ganacker Jeruham Apfel.

Schwerstarbeit auf dem Flugplatz

Die KZ-Insassen mussten die Bombentrichter im Rollfeld zuschütten und planieren, unter der Gefahr dabei selbst bombardiert zu werden. Sie waren eingeteilt zum Bau einer Startbahn aus Beton, die aber nicht mehr fertiggestellt werden konnte. Die befestigte Startbahn war für den Einsatz des von Messerschmitt entwickelten 1. Düsenjägers der Geschichte, der ME 262, notwendig. Fünf Maschinen dieses Typs sollen in Ganacker stationiert gewesen sein. Mangels Sprit kamen die Jagdflugzeuge jedoch nicht in die Höhe und zum Einsatz. Der Fliegerhorst Ganacker war von Anfang an ein Schulungsflugplatz zur Ausbildung von Piloten. Kampfeinsätze wurden von dort nicht geflogen.

Die Häftlinge mussten Waggons mit Zementsäcken, die für den Bau des Rollfeldes benötigt wurden, händisch entladen. Auch das Entladen von Kohlenlieferungen gehörte dazu. Zur Versorgung des Flugplatzes Ganacker war vom Bahnhof Wallersdorf her ein Gleisanschluss gelegt worden. Besonders hart war für die entkräfteten Häftlinge der Kiesabbau in den nahe gelegenen Kiesgruben im Isartal. Ein Bagger füllte dort Loren mit Gestein, die von Häftlingen aus der Grube heraus geschoben werden mussten, ehe sie von der Diesellok zur Rollfeldbaustelle gezogen wurden.

Lagerstatistik

Ob schon vor 1945 KZ-Häftlinge am Flugplatz Ganacker im Arbeitseinsatz waren, wie von Einheimischen oft gehört und bezeugt, ist fraglich. Von Flossenbürg aus ist das jedenfalls nicht zu belegen. Nach Unterlagen des Konzentrationslagers Flossenbürg geht am 20. Januar 1945 ein Transport mit 1000 Häftlingen mit der Eisenbahn in Güterwägen nach Plattling und nach Ganacker, 500 für jedes Lager. Mehr als 300 Personen der Gesamtbelegschaft in Ganacker waren Juden. Es befand sich neben Polen und Ungarn sowie Häftlingen aus zahlreichen anderen Nationen auch eine größere Gruppe von Franzosen und Belgiern im Lager Ganacker/Erlau. Im Nummernbuch des KZ Flossenbürg sind die Namen der nach Ganacker abkommandierten Häftlinge vom 20. Februar genau erfasst, ebenso ihre KZ-Nummer, ihre Nationalität und ihr Alter.

Nach Unterlagen des Bundesarchivs Berlin wurde die Leitung des Außenlagers Ganacker dem SS-Oberscharführer Pohnat, auch Pohnert, übertragen, dem eine Wachmannschaft mit 50 Mann zugeteilt wurde. Nach dem 20. Februar sind sie vor Ort eingetroffen. Jeweils zum Monatsende musste nach Flossenbürg eine Meldung der Mannschaftsstärke gemacht werden. Für Ende Februar 1945 und Ende März 45 wird jeweils die Zahl 50 angegeben. In den letzten Tagen und Wochen des 3. Reiches mit den massiven Auflösungserscheinungen in der Verwaltung gibt es auch im KZ Flossenbürg keine Einträge mehr für die Aufnahme von Häftlingen. Vom Außenlager Ganacker weiß man, dass sich aber zu Kriegsende hier KZ-Häftlinge aufhielten, die nicht registriert waren. Es handelt sich dabei um mehrere Häftlingstransporte aus verschiedenen Orten Süddeutschlands, die hier kurz vor der Evakuierung eintrafen und nicht mehr aufgezeichnet wurden. Trotz vieler registrierter Todesfälle in den letzten Tagen vor dem Eintreffen der Amerikaner dürfte die Kolonne, die sich zum Evakuierungsmarsch im Wiesenlager der Erlau aufstellte, zwischen 400 und 500 Häftlinge umfasst haben. Die härteste Probe stand den ausgemergelten KZ-Häftlingen da noch bevor.

Der Evakuierungsmarsch („Todesmarsch“) des KZ-Außenlagers Ganacker

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Im Befehl des Reichsführers SS Heinrich Himmler vom 18. April 1945 heißt es für das KZ Flossenbürg in der Oberpfalz, dem auch das Außenlager in Ganacker unterstellt war: „Das Lager ist sofort zu evakuieren. Kein Häftling darf in die Hände des Feindes fallen.“ Dieser Befehl war auch für das Außenlager Ganacker in der Erlau bei Wallersdorf durchzuführen, wenn auch zeitversetzt.

Die SS hatte großes Interesse an der Verwischung der Spuren der Verbrechen, die an den KZ-Häftlingen verübt worden waren. Man hatte aber auch Bedarf an Arbeitskräften, bzw. an Arbeitssklaven. So wollte man arbeitsfähige Häftlinge nach Süden in Richtung „Alpenfestung“ evakuieren. Vielleicht konnte man auch in allergrößter politischer Gefahr und Not die Häftlinge als Geißeln nehmen.

Am 23. April 1945 begann man mit der Räumung des Lagers in der Erlau. Die 3. US-Army konnte täglich in Wallersdorf eintreffen, wo sie schon von Regensburg her kommend, donauabwärts unterwegs war. Auch den Häftlingen wurde mitgeteilt, dass der Feind sich nähere und deshalb das Lager geräumt werde.

Die Versorgung mit Lebensmitteln im Lager war in diesen Wirren der letzten Kriegstage total zusammengebrochen. Da wurde es den Häftlingen sogar teilweise erlaubt, unter der Bewachung von deutschen Soldaten in die, dem Lager am nächsten gelegenen Häuser und Höfe, zum Betteln zu gehen. Auch die hierfür abgestellten Soldaten waren für jeden Bissen dankbar. Ab Mitte April 1945 war die gesamte Lagerverwaltung Flossenbürgs und seiner Außenlager zum Erliegen gekommen.

Am 24. April 1945 war der Aufbruch zum „Todesmarsch“. In den vorausgehenden 5 oder 6 Tagen gab es im Außenlager Ganacker 45 Todesfälle zu verzeichnen. Eine außergewöhnlich hohe Zahl unter rund 400 Insassen! Es ging dem Wachpersonal um die Durchführbarkeit des Evakuierungsbefehls: Häftlinge, die dem Gewaltmarsch nicht gewachsen schienen, wurden getötet. Sicher starben einige Insassen auch an totaler körperlicher Erschöpfung und Entkräftung.

Für den Evakuierungsmarsch in Richtung Süden mit unbekanntem Ziel gab es fast keine Marschverpflegung. Der KZ- Häftling in der Erlau Jeruhim Apfel berichtet, dass jeder Mann ein halbes Brot (ca. 750 Gramm) bekam. Es war einigen KZ-Häftlingen in diesen Tagen der Endstimmung gelungen, aus dem Lager zu entfliehen und sich im Wald oder bei Bauern und Gütlern der Umgebung zu verstecken. Das bedeutete für jeden Beteiligten absolute Lebensgefahr, für Flüchtling und für Fluchthelfer. Diese dem Todesmarsch entkommenen KZ- Häftlinge wurden am 28. April 1945 mit dem Eintreffen der amerikanischen Armee in Wallersdorf endgültig befreit, ebenso die wenigen Häftlinge, die man im Lager zurückgelassen hatte. Es dürfte sich insgesamt um 20 Personen gehandelt haben.

Der Todesmarsch war zu dieser Zeit schon mehrere Tage im Gange. Die von Soldaten streng bewachte Kolonne der KZ-Häftlinge zog im ersten Tagesmarsch über das Moos nach Landau an der Isar. Am Sebastianibrunnen wurde Rast gemacht. Es durfte Wasser geschöpft, aber kein Brot gereicht werden. Es war für die Landauer ein gespenstischer Anblick. Die Strapazen des KZs waren den ausgemergelten Gestalten anzusehen. Sie hatten dünne Sträflingsanzüge an und waren barfuß in Holzschuhen. Ende April 1945 war es kalt in unserer Gegend. Die Männer waren nur noch Haut und Knochen und machten einen verwahrlosten Gesamteindruck. Manche Landauer mieden die Gruppe und hatten Abscheu, andere Mitleid und wollten helfen. Aber das wurde untersagt. Trotzdem berichtet Olga Nothaft, dass sie den Häftlingen vom oberen Stock des Friseursalons, in dem sie arbeitete Brot zugeworfen habe. Die Kolonne zog weiter durch die Stadt. In der Gegend von Haunersdorf wurde übernachtet. Ob es auf freiem Feld geschah oder in einer Scheune, ist nicht bekannt. Ein Tagespensum von 20 Kilometer oder sogar weniger wurde geschafft, mehr war unter diesen Umständen nicht drin.

Neben Landau an der Isar und Haunersdorf sind Simbach bei Landau, Arnstorf, Schönau, Eggenfelden, Reischach, Winhöring, Neuötting, Garching an der Alz, Trostberg und schließlich Traunstein weitere Stationen auf dem Todesmarsch. Am 3. Mai 1945 wurden die Überlebenden des Todesmarsches von amerikanischen Truppen in Surberg bei Traunstein befreit. Stunden vorher waren noch 61 KZ- Häftlinge am Waldrand bei Surberg erschossen worden.

In Haunersdorf im Vilstal hatte sich die Kolonne aus dem Außenlager Ganacker mit der des Außenlagers Plattling vereinigt, in Winhöring bei Neuötting stieß die Kolonne vom Außenlager Regensburg dazu. Der Evakuierungsmarsch erforderte viele Opfer. In Haunersdorf beispielsweise wurden 8 Personen eingegraben, in Arnstorf 5 Häftlinge und in Schönau waren es 10 Tote.

Die Leichen wurden auf einen Wagen geworfen, der die Kolonne begleitete. Viele Tote wurden aber auch einfach im Straßengraben liegen gelassen. So steht die genaue Anzahl der Opfer dieses Todesmarsches nicht genau fest. Aber sie war beträchtlich. Manche Wissenschaftler gehen davon aus, dass jeder dritte Beteiligte auf den Todesmärschen in ganz Deutschland noch in den allerletzten Kriegstagen sein Leben lassen musste.

Literatur

Siehe auch