Kajetan Schinkinger

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Kajetan Schinkinger

Kajetan Schinkinger, im Volksmund „Maxl Kajetan“ genannt, (* 9. August 1867 in Gegenbach; † 19. Dezember 1950 in Sandbach) ging 1913 als „Schmugglerkönig des Bayerischen Waldes“ in die Annalen ein. Er erwirtschaftete viel, verlor aber am Ende alles.

Leben und Wirken

Kindheit, Auswanderung und Rückkehr

Kajetan Schinkinger war am 9. August 1867 als fünftes von sechs Kindern der Häuslerfamilie Georg und Anna Schinkinger in Ungarsteig (Gemeinde Gegenbach, Pfarrei Breitenberg) zur Welt gekommen. Der Familie ging es nicht gut, so mussten die Kinder schon früh aus dem Haus. Zunächst kam Kajetan bei einem Verwandten in Haar bei Erlau als Rossknecht unter. Eine Schlägerei während eines Feuerwehrfestes brachte ihn erstmals mit dem Gesetz in Konflikt.

Da er für sich und seinen weiteren Lebensweg keine Perspektiven sah, wanderte er 1890 nach Amerika aus. Als gewandter und umgänglicher Mann bekam er in Oshkosh im Bundesstaat Wiskonsin Arbeit in einer Zündholzfabrik. Dorthin wanderte noch im selben Jahr auch seine Geliebte Maria Lermer aus Zielberg bei Jandelsbrunn aus. Beide heirateten 1892 in Oshkosh. Doch das Leben in der „Neuen Heimat“ dauerte nicht lange. Getrieben vom unendlichen Heimweh der Ehefrau kehrten sie 1895 zurück in die alte Heimat und übernahmen das abgewirtschaftete elterliche Anwesen in Ungarsteig. Händeringend versuchte Kajetan Schinkinger zur kargen Landwirtschaft einen lukrativen Nebenverdienst zu ergattern. Gemeinsam mit zwei engen Vertrauten aus Zielberg begann er eine Falschmünzerwerkstatt einzurichten. In großem Umfang stellten sie 1-, 2- und 5- Markmünzen aus billigem Kompositionsmetall, also aus alten Esslöffeln, her und verkauften diese. Im Juli 1897 ging die Falschmünzerbande der Polizei ins Netz und Schinkinger wanderte für vier Jahre ins Gefängnis. Wegen guter Führung nach zweieinhalb Jahren wieder in Freiheit, entschloss er sich, fortan alleine zu arbeiten. Bestens gelegen kam ihm dabei das verbotene Geschäft mit dem in der Schweiz hergestellten und monopolisierten Kunstzucker Saccharin.

Einstieg in den Saccharinhandel

Der Süßstoff, dessen Wirkung extrem höher war als herkömmlicher Zucker, wurde in Deutschland 1901 mit hohen Zöllen belegt und 1903 zur Hebung der heimischen Zuckerindustrie in Einfuhr und Vertrieb unter Strafe verboten. Im Kaiserreich Österreich stand zwar die Einfuhr unter Verbot, jedoch nicht der Handel, und so begann sich vielerorts entlang der Grenze ein Schmuggel gewaltigen Ausmaßes zu entwickeln. Ein Kilogramm des weißen, tablettenförmigen Kunstzuckers, in der Schweiz legal um 5,60 bis 9,60 Mark eingekauft, konnte in Bayern um 18 bis 22 Mark an den Mann gebracht werden. Noch größer war der Gewinn in Österreich und Böhmen. An einem einzigen Kilogramm Saccharin konnten in Böhmen 25 Mark verdient werden.

Schinkinger fuhr zunächst mit der Bahn nach Radolfzell und ließ sich dort den Kunstzucker über einen Mittelsmann von der Schweiz bringen. Im Anschluss trat er als Tourist mit einem oder zwei Rucksäcken die Heimreise an und brachte bei Nacht und Nebel die „süße Ware“ über die Grenze oder an seine heimischen Kunden. Dabei war Verschwiegenheit oberstes Gebot. Niemand kannte ihn offiziell oder wusste, wo er wohnte, nur in Österreich wurde er unter vorgehaltener Hand als „Boarischer Zugara“ ohne Namen bezeichnet.

Weil die Aktionen zunächst reibungslos verliefen und die bayerischen Behörden auch nicht sonderlichen Ehrgeiz für ein Ergreifen Schinkingers an den Tag legten, intensivierte dieser sein verbotenes Tun. Mehrere Personen, Männlein und Weiblein, engagierte er, die dann in geheimen Missionen unauffällig unterwegs waren, um am Körper in eigens angefertigten Schmugglerwesten oder Damenröcken mit unzähligen Täschelchen das „Süße Geschäft“ zu erledigen. Er selber betrieb den Schmuggel auf ausgeklügelte Weise in hohlen Baumstämmen oder als Umzugsunternehmer in Kommoden, Schränken und Truhen. Selbst in Bettfedern versteckte er die heiße Ware.

Überführung als Schmuggler

Der Ruf als Saccharinschmuggler ereilte Schinkinger erstmals am 7. Dezember 1906. Mit 1,5 Zentnern Süßstoff als Gepäck wurde er am Bahnhof in Hauzenberg verhaftet und für sechs Wochen eingesperrt. In den folgenden zwei Jahren wurde er noch mehrere Male des Schmuggels überführt und bestraft. 1908 errichtete er auf seinem Betrieb eine Limonadenfabrik unter Verwendung von Saccharin. Gleichzeitig vergrößerte er seine Landwirtschaft um 30 Tagwerk, erneuerte das Wohnhaus und baute auf der Wiese unterhalb seines Anwesens eine Ziegelei. 1909 stellte er zur Versorgung seiner Helfershelfer und zum Transport des Saccharins ein Automobil zur Verfügung. Mit 18 in seinen Diensten stehenden Personen betrieb Schinkinger einen über den gesamten Bayerischen Wald ausgedehnten Großschmuggel. Obwohl die Polizei dauernd Verdächtigen auf der Spur war, konnten die Beamten niemand bei frischer Tat ertappen. Erst im Herbst 1911 gelang es, einen Teil der Bande zu verhaften.

Schinkinger selbst als Rädlsführer kam gegen Zahlung einer Kaution wieder auf freien Fuß. Im Sommer 1912 zog sich die Schlinge um den Schmugglerring doch endgültig zu. 15 Personen wurden in Gewahrsam genommen und am 15. November 1912 vor dem Landgericht I in München abgeurteilt. Schinkinger jedoch verschwand spurlos.

Versteckspiel mit den Behörden

Wochenlang versteckte er sich in seinem unterirdischen Bunker in der Nähe seines Wohnhauses, bis ihn die Leidenschaft wieder packte. Ein Streifenbeamter erkannte seine Spur und leitete eine Großfahndung ein. 16 Mann der Gendarmerie- und Zollstationen Breitenberg, Neureichenau und Rosenberger Gut konnten schließlich Schinkinger am 4. Februar 1913 (Faschingsdienstag) kurz nach Mitternacht bei einem Nachbarn in Ungarsteig aufspüren und verhaften.

Bei der Verhandlung am Landgericht I in München am 14. Juni 1913 erhielt Kajetan Schinkinger, der als „Schmugglerkönig des Bayerischen Waldes“ durch alle Zeitungen ging, seine Strafe. Das Gericht verurteilte ihn zu insgesamt einem Jahr und neun Monaten Gefängnis, 1.700 Mark Geldstrafe, Verlust der Kaution, sowie zur Zahlung von 3.160 Mark Wertersatz an den bayerischen Staat. Die Gattin Schinkingers konnte diese Geldsummen nicht aufbringen und musste das Bauernanwesen an den Straubinger Güterhändler Spanner und Rosner verkaufen.

Die Familie fand zunächst in Hartmannsreut bei Wegscheid, dann in Passau, Sandbach und zuletzt in Vornbach ein neues Zuhause. Kajetan Schinkinger starb am 19. Dezember 1950 im Alter von 83 Jahren.

Literatur