Kegelbahn aus Egglkofen

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Interieur Blick Richtung Salettl

Die Kegelbahn aus Egglkofen wurde 1904 errichtet. 2002 bis 2003 wurde sie ins Freilichtmuseum Massing übertragen und dort funktionstüchtig wiederhergestellt.

Kegelbahnen bei Wirtshäusern entstanden im bürgerlichen Milieu des späten 19. Jahrhunderts. Schon vor 1900 war der Bau von Kegelbahnen von den städtischen Wirtshäusern über die Ausflugslokale der Vororte auch aufs Land gekommen.

Beschreibung

Ansicht Südwesten
Ansicht Südosten

Die Egglkofener Kegelbahn ist ein besonders schön gestaltetes Exemplar. Der zartgliedrige Holzbau ist als Hängewerk ausgebildet, dieser ingenieurmäßige Abbund ist zeittypisch. Von Beginn an war der Bau außen und innen mit einer grünen Fassung versehen. Ursprünglich sind auch die bunt verglasten Giebelfenster und die rot abgesetzten historistischen Zierelemente.
Der nach Osten offenen Kegelbahn ist südlich ein lichtes Salettl vorgesetzt, in dem Tische und Stühle für Geselligkeit aufgestellt sind.

Auf einer traditionellen Kegelbahn wird mit lochlosen Kugeln geschoben. Dem Kegler stehen für jeden Schub verschieden große Kugeln zur Wahl, gelegentlich auch sehr schwere kleinere Kugeln aus exotischem Pock- oder Eisenholz zum Abräumen einzeln stehen gebliebener Kegel.
Die Kugeln holt ein Kegelbub aus der Fanggrube und legt sie in den Rollkasten, der sie in leichtem Gefälle zur Kegelgesellschaft zurückführt. Er richtet auch nach jedem Spiel die Kegel an den am Boden markierten Stellen auf.

Die Kegel sind etwas weiter gestellt als dies heute der Fall ist. Eigentümlich ist auch, dass der mittlere Holzladen der Bahn, auf dem die Kegelkugel aufgesetzt und angeschoben wird, aus Hartholz (gewöhnlich Buche) gefertigt ist. Wegen der geringeren Abnutzung im Betrieb und des geringeren Trocknungsschwundes ist dieser Laden gewöhnlich zirka 0,5 mm über die flankierenden Nadelholzläden erhaben. Erfahrene Kegler lassen die Kugel mittels Effets[1] erst sehr nahe an der Kegelraute von diesem Anschubladen auslenken.

Geschichte

Kegelbahn in Egglkofen

Die Wirtseheleute Kaspar und Magdalena Frischeisen haben 1904 bei Ihrem Wirtshaus in Egglkofen eine Kegelbahn errichtet. Nahe der Ortsmitte, wo sich Kirche, Auffahrt zum Schloss, der neue Bahnhof und zwei Wirtshäuser zusammenfanden, war die Kegelbahn mit ihrem Salettl und dem kleinen vorgelagerten Biergarten Treffpunkt für Bürger und Beamte, Bauern, Fuhrleute und Arbeiter. Die Einrichtung der Bahnstrecke Neumarkt-Sankt Veit–Landshut ab 1889 (als „Hauptbahn“) brachte dem ländlichen Pfarrdorf Egglkofen gewerblich-wirtschaftlichen Aufschwung, von dem auch die Wirtshaus- und Freizeitkultur profitierte.

Nach 1945 diente die Kegelhalle als Kohlen- und Holzlager. Ab zirka 1999 war die Beseitigung geplant.

Hochzeit des Kegelns

Illustration im Buch „Altbayrische Bilderbogen“ 1920

Kegeln war einmal ein Sozialschichten übergreifender Volkssport für Bürger und Arbeiter und Freizeitvergnügen für Männer jeden Alters. Preiskegeln waren Attraktion für Jugendliche, Vereine, Paare und Familien.

Der niederbayerische Dichter Heinrich Lautensack hat 1920 in seinem Buch Altbayrische Bilderbogen[2] Ereignis und Regeln des Preiskegelns in der Stimmung der Zeit beschrieben: „Wenn du dich so einer Kegelbahn näherst und sonst ein Ohr für derlei unterschiedliche Dinge mitbringst, dann hörst du’s – am Rhythmus! – von weitem schon, ob da nur ein gewöhnliches Kegelscheiben statthat oder aber ein Preiskegeln! Denn da geht’s aus einem andern Takt, wenn so ein Preiskegelscheiber Kugel um Kugel hineinfeuert: daß die Kegelmännchen blitzend und unter einem metallischen Schrei zur Seite springen – Hals über Kopf – ausschlagend als wie junge Füllen – und grad so klirrend als wie mit einem ersten Hufschlag.“ (S. 123)
Max Unold[3] hat 1939, am Vorabend des Zweiten Weltkriegs, in seinem Buch Zwischen Atelier und Kegelbahn den sozialen Aspekt des Kegelns in launigen Worten geschildert.[4]

Übertragung ins Museum

Interieur Blick Richtung Kegelgrube

Die Translozierung der Kegelbahn aus Egglkofen geschah in einer Zeit, als der Museumsträger Investitionen im Freilichtmuseum Massing deutlich zurückgefahren hatte. [5] Die bauhistorische Dokumentation geschah auf Antrag des Museumsleiters[6] mit erheblicher Förderung durch die Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern.

Im Museum ist das weitgehend originale Holzgefüge außen durch sichtbar belassene T-förmige Stahlstützen verstärkt. Vor dem nach Westen exponierten Fenster ist zwischen die Stahlprofile ein Schutzglas eingefügt.
Die Verschlagbretter und mehrere Pfosten des Gefüges waren im Fußbereich abgefault. Sie wurden angestückt und nach Befund beigefärbt.
Der Boden ist, mit Ausnahme der eigentlichen Kegelbahn, betoniert (gegossen, geglättet und mit einer genarbten Handwalze profiliert).
Die Verglasung der Giebellünetten wurde nach geringen Glasresten, die in den Rahmenfälzen aufgefunden wurden, rekonstruiert. Vermutlich waren mehr Felder farbig verglast, aber es fehlten Befunde. Der Rollkasten wurde nach Wandbefunden und einem Vergleichsobjekt in Gern rekonstruiert.

Der Standort im Museum wurde wegen des dort eingerichteten Wirtsbetriebs beim Schusteröderhof gewählt. Die Anbindung blieb bis dato provisorisch, mit dem Bau des Ausstellungshauses für die Berta Hummel-Sammlung und dem geplanten Forum (in zwei Ebenen) westlich des Schusteröderhof-Stadels eröffnete sich 2019 die Chance, diese Anbindung herzustellen.

Daten

  • 1904 Errichtung beim Wirtshaus Frischeisen in Egglkofen
  • 1999 Hinweis auf das gefährdete, nicht in der Denkmalliste geführte Bauwerk aus der örtlichen Heimatpflege[7]
  • 2001 Dokumentation durch das Freilichtmuseum Massing (photographisch und historisch-analythisches Bauaufmaß; Förderung durch die Landesstelle Nichtstaatliche Museen in Bayern)
  • 2002–2003 Abtragung und Wiederaufbau der Kegelbahn (ca. 114 000 €; Förderung: Bayerische Sparkassenstiftung (25.500EUR), Sparkasse Rottal-Inn (10.000 EUR) und Kulturfonds Bayern (42.000 EUR))
  • Konzept, Rekonstruktion, Platzierung, Förderwesen: Dr. Martin Ortmeier
  • Hauskundliche Beratung: Georg Waldemer (Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern)
  • Photodokumentation: Fotografenmeister Josef Lang
  • Aufmaß: Axel Will Dipl.-Ing. FH
  • Historische Forschung: Dr. Winfried Helm und Sebastian Mayer Dipl.-Geogr.
  • Befragung von Gewährsleuten: Maria Bruckbauer M.A. und Simone Weber
  • Materialhistorische Untersuchung (Fassungsbefundung): Uwe Graf, Restaurator
  • Planung und Bauleitung: Hermann Lichtnecker Dipl.-Ing. (FH) unter Mitarbeit von Hans Eichinger

Quellen

Anmerkungen

Zuletzt als Kohlenlager 2001 in Egglkofen (Foto: Josef Lang, 2001)
Mit zerschlagenen Fensterscheiben auf Abbruch (Foto: Josef Lang, 2001)
  1. Heinrich Lautensack (s. u.) bemerkt zu diesem Anschubladen und der erforderlichen Kegeltechnik: „Und so hebt denn noch einmal – gedrängter, aber verzweifelter – der Kampf an: des Aufwerfens der Kugel auf den mittleren Laden um Haaresbreiten und des am wirksamsten Hinausbugsierens ins volle Haus, das Turnier der Handgelenke und ihres feinsten ‚Drehs‘“, S. 129
  2. Heinrich Lautensack: Altbayrisch Preiskegeln! Herrn Urzinger am Sand und seinem Bruder auf der Ries mit dem Aussichtsturm. In: Altbayrische Bilderbogen. Berlin (Fritz Gurlitt Verlag. Mit zehn Original-Holzschnitten und zehn Zeichnungen von Max Unold) 1920, S. 118–129 – belegt u.a. in der Staatlichen Bibliothek Passau: 750/GM 4468 A46.920
  3. Max Unold: Über das Kegeln. In: Zwischen Atelier und Kegelbahn. Frankfurt a. Main (Societäts-Verlag) 1939, S. 221–231
  4. Siehe Martin Ortmeier: Zwischen Atelier und Kegelbahn. In: Passauer Kunst Blätter 32 (2-2003), S. 24–25
  5. Insbesondere die Landrätin des an der Trägerschaft des Museums beteiligten Landkreises Rottal-Inn, Bruni Mayer („Wir brauchen keine neuen Höfe mehr“), blockierte Baumaßnahmen im Freilichtmuseum Massing. Siehe: PNP, 20. Oktober 2004, S. 1 und PNP, Landkreis Rottal-Inn, 4. Dezember 2004)
  6. Museumsleiter war der Hausforscher [[|Martin Ortmeier| Dr. Martin Ortmeier]].
  7. Die Initiative ging vom Lehrer und Heimatpfleger Eduard Speckmaier und seiner damaligen Klasse 5A der Volksschule Egglkofen aus. Unter der Überschrift „Anliegen: Rettung der alten Kegelbahn Egglkofen“ schrieb die Klassengemeinschaft am 18. Januar 2001 einen Brief an das Museum. (Archiv des Freilichtmuseums Massing: Az. M 7.2.8.6)