Kerzenwallfahrt

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13 Meter ist die Kerze hoch, ein mit Wachs umwickelter Fichtenstamm. Die Votivgabe ist Zeichen der Treue und des Glaubens. 1475 versprachen die Holzkirchner, eine besondere Kerze zum Marienwallfahrtsort am Bogenberg zu bringen, sollte die Gottesmutter sie vor einer weiteren Borkenkäferplage bewahren. 539 mal wurde die „lange Stange“ gut auf den Bogenberg gebracht. Getragen wird sie nur in einigen wenigen Passagen, vor allem zum Start in Holzkirchen. Foto: Rücker

Die Kerzenwallfahrt von Holzkirchen zur Wallfahrtskirche Bogenberg ist eines der größten Brauchtümer der Pfingstzeit in Niederbayern. Die Fußwallfahrt führt von der Sankt-Andreas-Kirche in Holzkirchen über 75 km zur Sankt-Maria-Himmelfahrtskirche in Bogen.

Geschichte

Das Entstehungsjahr der Holzkirchener Wallfahrt nach Bogenberg ist nicht genau bekannt. Sicher ist nur, dass sie im 15. Jahrhundert entstand. Die erste sichere Quelle für die Existenz der Fußwallfahrt ist ein Wallfahrtsbuch aus dem Jahr 1632. Vor über 500 Jahren wütete eine Borkenkäferplage in den Wäldern um Holzkirchen. Um dieser Plage Einhalt zu gebieten, schworen die Holzkirchner der Mutter Gottes jenen Eid, ihr jedes Jahr an Pfingsten eine Pilgerreise nach Bogenberg zu widmen und ihr dort ein Opfer in Form einer riesigen Kerze darzubringen. Kurz nach dem Ablegen des Eids verschwand die Plage aus Holzkirchen. Die Wallfahrt besteht bis heute. Vor allem viele junge Menschen begeistern sich Jahr für Jahr für die zweitägige Kerzenwallfahrt nach Bogenberg. Diese findet seit dem 19. Jahrhundert am Pfingstsamstag und –sonntag statt. Heute zeigen sich die Menschen dankbar, dass sie eine Krankheit, eine Prüfung oder eine Lebenskrise gut überstanden haben.

Überlieferung

Viele der Einheimischen kennen die geheimnisvolle Überlieferung um die „lange Stang“. Die Spitze der Kerze darf nicht den Boden berühren, geschweige denn abbrechen, sonst stehen Krieg und Hungersnot ins Haus. Aufzeichnungen nach brach die Kerze 1913 und 1938 ab, also jeweils ein Jahr vor Ausbruch des ersten und zweiten Weltkrieges. Ob das nun zufällige Übereinstimmung ist oder es sich um ein Zeichen Gottes handelt, muss jeder für sich entscheiden. Trotz aller Strapazen - es tut gut. Es reinigt die Seele. Es gibt Kraft.

Die Dauer der Wallfahrt

Genaue Zeitangaben sind nicht möglich, da die Dauer der Wallfahrt stark von äußeren Umständen, vor allem der Witterung, beeinflusst wird. Dennoch wurde die ungefähre Gehzeit ermittelt (siehe nachfolgene Übersicht). Die Gehzeit der gesamten Wallfahrt beträgt 14 Stunden und ca. 40 Minuten. Auf die ganze Wallfahrt fallen zusätzlich noch etwa sechs Stunden Ruhepause an.

Samstag

Sonntag

  • Deggendorf
    • Gottesdienst: 05:00 Uhr
    • Aufbruch: 05:45 Uhr
  • Neuhausen
    • Ankunft: 07:10 Uhr
    • Aufbruch: 08:00 Uhr
  • Niederwinkling
    • Ankunft: 09:50 Uhr
    • Aufbruch: 11:00 Uhr
  • Pfelling
    • Ankunft: 12:00 Uhr
    • Aufbruch: 12:30 Uhr
  • Bogen
    • Ankunft: 13:30 Uhr
    • Aufbruch: 13:50 Uhr
  • Bogenberg
    • Ankunft: 14:30 Uhr

Luftig gekleidet, ohne Rucksackballast, aber mit Kopfbedeckung machten sie sich laut das "Ave Maria" betend auf den Weg in einen heißen Tag. Am ersten Tag werden gleich 50 Kilometer absolviert. Das Frühstück in Vilshofen, der musikalische Empfang in Hofkirchen, das rasche Mittagessen in Winzer - das ließ sich meistern. Der zweite Tag, die letzten 25 Kilometer, wird getragen von der Vorfreude, es bald geschafft zu haben.

Die Opferkerze

Beschreibung der Kerze

Durch die Opfergabe, „die lange Stang“, hebt sich die Wallfahrt Holzkirchen–Bogenberg von anderen Wallfahrten ab. Das Aussehen der Kerze soll sich seit dem 15. Jahrhundert nicht verändert haben. Hergestellt wird die Kerze nach den Maßen eines alten Schriftstückes, das der jeweilige Wallfahrtsführer aufbewahrt. Über die Länge gibt es viele Angaben. Da die Kerze auf die Höhe des Mittelschiffs der Bogenberger Kirche abgestimmt ist, kann sie also nicht länger als 12,30 m sein. Der Länge nach ist zu schließen, dass es sich nicht um eine Wachskerze im üblichen Sinne handeln kann. Die Kerze ist ein „geschälter“ Fichtenstamm, der mit rotem Wachs umwunden ist. Zudem wird die Kerze durch das Einarbeiten von Büscheln des Segensbaumes geziert. Die Abstände der Büschel sind genau festgelegt. Am unteren Ende befindet sich ein 70 cm langer, hölzerner Halte- oder Standfuß. Um die Kerze aufrecht zu tragen, ist dieser auch genannte „Stutzel“ oder „Stiefel“ von großer Bedeutung. Das darüberliegende Stück ist keilförmig zugeschnitten. Das Gewicht der Pfingstkerze liegt zwischen 35 und 40 kg. Die Votivgabe ist Zeichen der Treue und des Glaubens. 1475 versprachen die Holzkirchner, eine besondere Kerze zum Marienwallfahrsort am Bogenberg zu bringen, sollte die Gottesmutter sie vor einer weiteren Borkenkäferplage bewahren. 539 mal wurde die "lange Stange" gut auf den Bogenberg gebracht. Getragen wird sie nur in einigen wenigen Passagen, vor allem zum Start in Holzkirchen und beim Aufstieg vom Stadtplatz bis zum Bogenberg.

Kerzenherstellung

Die Art der Herstellung soll sich seit dem Entstehen der Wallfahrt nicht geändert haben, da die Fertigkeit von Generation zu Generation weitergegeben wurde. Waldbesitzer in der Umgebung von Holzkirchen stiften jedes Jahr eine Fichte, die möglichst gerade und astfrei sein soll. Der Baum wird kurz vor Pfingsten gefällt und schließlich zum Hof des jeweiligen Wallfahrtführers transportiert. Dort wird er von der Rinde befreit und für zwei Jahre zum Trocknen in eine Scheune gebracht. Das Trocknen bewirkt, dass der Stamm später beim Tragen leichter ist. Nach Ablauf der zwei Jahre wird der gelagerte Rohling auf 12,30 m zugeschnitten. Der hölzerne Kern der Kerze wird herausgearbeitet. Am unteren Ende wird der „Stutzel“ angebracht und der Rest wird mit einem großen Handhobel in Form gebracht. Bis zur Mitte wird der bearbeitete Stamm mit einem Wachsstrang von etwa 8 mm umwickelt. Entsprechend dem schlanker und schwächer werdenden Stamm verwendet man ab dort einen Wachsstrang mit dem Durchmesser von 5 mm. Dabei werden die Büschel des Segensbaumes in genau festgelegten Abständen eingearbeitet. Auf die Spitze kommt noch mal ein Büschel, der von einer blauen Schleife geschmückt wird. Beim Umwickeln des Stammes mit dem Wachs soll dieses eine Temperatur von etwa 25°C betragen, damit das Wachs nicht bricht. Der besseren Verarbeitung und des Glanzes wegen wird das Wachs mit Schweineschmalz eingefettet. Die Pfingstkerze ist fertig.

Ablauf der Wallfahrt

Die Wallfahrt über 75 km von Holzkirchen nach Bogenberg lässt sich in mehrere Etappen einteilen.

Das Einholen der Kerze am Freitag vor Pfingsten

Nach dem Fertigstellen der Kerze wird sie mit Begleitung des Pfarrers, Ministranten und Pfarrangehörigen zur etwa 1 km entfernten Pfarrkirche Holzkirchen meist aufrecht getragen. Danach wird die Kerze in einer kleinen Zeremonie vom Pfarrer und den Ministranten mit folgendem Wortlaut gesegnet:

„Lasset uns beten: Herr Jesus Christus, Sohn des lebendigen Gottes, segne auf unsere Bitte diese Kerze, die wir für unsere Wallfahrt nach Bogenberg bereitgestellt haben. Durch die Kraft des heiligen Kreuzes senke in sie ein deinen himmlischen Segen. Alle, die im Vertrauen auf dich in bußfertiger Gesinnung diese Kerze zum Heiligtum der Mutter Gottes vom Bogenberg tragen oder begleiten, mögen auf die Fürbitte deiner Mutter Maria erfüllt werden mit Trost und Kraft und deinen Schutz und deine Hilfe erfahren, der du lebst und herrschest in Ewigkeit. Der Segen des allmächtigen Gottes komme herab auf diese Kerze im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes, Amen.“

Die Wallfahrt am Pfingstsamstag

Nach dem Gottesdienst wird die Kerze aus der Kirche gebracht und im Uhrzeigersinn einmal um die Kirche getragen. Dann wird zur Wallfahrt aufgestellt. Voran die Pfingstkerze, dahinter die „Kreuzlbuben“. Der Vorbeter, die Wallfahrtsführer und das betende Volk, voraus die Burschen und Männer, dahinter die Frauen und Mädchen, folgen der Kerze. Die Pfingstkerze wird normalerweise liegend von zwei Männern getragen, aber in bestimmten Orten wird sie stehend von einer Person fortbewegt. Die Wallfahrer pilgern am Pfingstsamstag von der Pfarrei Holzkirchen weg bis nach Deggendorf. Dabei durchlaufen sie viele Ortschaften, in denen Pause gemacht wird. In Deggendorf angelangt wird die Kerze über Nacht in der St. Martins-Kirche verlagert und die Wallfahrer werden in Privatquartieren untergebracht oder viele lassen sich abholen.

Die Wallfahrt am Pfingstsonntag

Der zweite Tag, Pfingstsonntag, beginnt ebenfalls mit einem Gottesdienst, der nun in der St. Martins-Kirche abgehalten wird. Von dort aus geht es weiter mit der Fußwallfahrt. Beim Durchlaufen weiterer zahlreicher Ortschaften wird Pfelling erreicht. Dort findet die traditionelle Anrufung der Mutter Gottes statt. Die Wallfahrer knien vor der Madonnastatue nieder. Der Vorbeter spricht:

„Ich grüße dich Maria.
Ich grüße dich Maria.
Ich grüße dich Maria.
O Maria, ich grüße dich
Dreiunddreißig tausend Mal,
wie dich der heilige Erzengel Gabriel gegrüßet hat.
Es freuet sich in deinem herzen und mich in meinem Herzen,
dass der heilige Erzengel Gabriel den himmlischen Gruß zu dir gebracht hat.“

Das Gebet wird dreißig Mal wiederholt. Danach geht es weiter zum Endspurt. Insgesamt werden an beiden Tagen etwa 30 bis 35 Rosenkränze gebetet.

Literatur