Kieslingsches Schloss

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Das Kieslingsche Schloss im Jahr 1906

Das Kieslingsche Schloss war ein Herrenhaus in Rabenstein. Es wurde 1785 erbaut und brannte 1961 ab.

Geschichte

Schlossbau

Die Familie der Kiesling, seit 1793 geadelt, war über 200 Jahre auf dem Glashüttengut Rabenstein ansässig und bestimmte im 18. und 19. Jahrhundert weitgehend das dörfliche Leben. 1785 ließ Johann Michael Kiesling ein repräsentatives Glasherrenschloss errichten. Die Balkenlager, Pfetten, Dachsparren und Bohlen für die Fußböden erforderten eine Rundholzmenge von 600 Festmetern.

Der zweigeschossige Bau hatte im Untergeschoss Muschelumrahmungen und im oberen Stockwerk verkröpfte Stuckrahmen an den Fensterachsen. Ein Portal mit einem geraden, granitenen Sturz, in dem die Jahreszahl „1785“ eingemeißelt war, führte von der Vorhalle in das Hauptgebäude. Über eine breite Treppe, deren Geländer mit geschuppten Pilastern versehen war, gelangte man in das obere Podest. Hier fanden sich Brüstungen mit doppelten Lorbeergehängen, Kleeblattbögen, die mit Muscheln verziert waren sowie weitere Stuckarbeiten an Wand und Decke. Im oberen Stockwerk befand sich auch das legendenumwobene Votivbild der Anna Maria Kiesling aus dem Jahr 1778. Großzügige Bäder und ein mit Bögen und Säulen ausgestatteter Keller, von dem ein unterirdischer Gang zum Schlossgarten führte, vervollständigten das Bauwerk.

Das frühere Herrenhaus, in das die Dorfschmiede integriert wurde, erhielt eine neue Bestimmung. Die Schlosskapelle wurde am 15. Oktober 1816 eingeweiht.

Sitz des Forstamtes Rabenstein

Nach dem Tod des letzten Kieslings 1845 übernahm am 22. Oktober 1847 der Bayerische Staat das Schlossgut. Im Glasherrenschloss wurde das Forstamt Rabenstein installiert. Seit dieser Zeit entstanden zahlreiche Berichte über Poltergeister im Schloss. Besonders beim Marktbrand von 1876 in Zwiesel, bei dem die Pfarrkirche den Flammen zum Opfer fiel, habe es die ganze Nacht gepoltert, und die Fenster sollen trotz Verriegelung oft auf- und zugegangen sein. Viele Dorfbewohner waren davon überzeugt, dass dieser Spuk seine Ursache in der Aussetzung der Stifts- und Jahrtagsmessen der Glashüttenmeisterin Anna Maria Kiesling hatte und fürchteten das Votivbild im Schloss.

Besatzung durch amerikanische Truppen

Am 24. April 1945 erschienen um 19.45 Uhr zwölf US-Jagdbomber Mustang über Rabenstein. Bei dem Angriff starben eine Frau und ein Kind, das Schloss erlitt schwere Schäden. Das hintere Portal wurde zerstört, ebenso das Fundament an der Westseite. Wenige Tage später besetzten US-amerikanische Truppen das Schloss, und die bisherigen Bewohner einschließlich Forstmeister Moser mussten es sofort räumen.

Am 9. Mai 1945 verließen die Besatzer ihr Domizil wieder und ließen Wolldecken, Bettzeug, Planen und Mäntel zurück. Das Votivbild war von ihnen als Zielscheibe für Messerwerfer benutzt worden, wie die von Messerklingen hervorgerufenen Schäden zeigten. Für Bomben- und Besatzungsschäden am Schloss wurden 80.000 Reichsmark Entschädigung bezahlt.

Schlossbrand

Der Brand wurde am 20. Dezember 1961 um 12.45 Uhr durch einen überhitzten Ofen und einen undichten Kamin im oberen Stockwerk in der Wohnung des Revierförsters Rabas ausgelöst. Das Feuer breitete sich sehr schnell aus. Als erste Feuerwehr erschien die Rabensteiner Feuerwehr, dann die Theresienthaler, dann die Zwieseler. Das Votivbild wurde von Sepp Schmidt gerettet. Durch in das Dach geschlagene Löcher wurde versucht, Löschwasser an die brennenden Sparren zu bringen.

Die Wohnungen der Förster waren kurz zuvor mit Eichenparkettböden versehen worden, die nun mit großer Hitzeentwickung verbrannten. Die im Freien herrschende große Kälte von minus 30 Grad erschwerte die Löscharbeiten außerordentlich. Aus Löschwasser wurde schnell Eis, wenn eine der Motorspritzen, die am Löschwasserbecken oder am Mühlkanal hingen, nur kurzzeitig aussetzte. Um 15.15 Uhr stürzte mit gewaltigem Getöse der Glockenturm herab. Etwa eine Stunde später brachen die Decken durch. Erst am Mittag des 24. Dezember 1961 war der Brand endgültig gelöscht.

Der Verwaltungsbetrieb des Forstamtes Rabenstein wurde in der Folge im Schulhaus abgewickelt, bis ein neues Verwaltungsgebäude errichtet worden war. Als ein großer Verlust erwies sich neben der Zerstörung des historischen Gebäudes die Vernichtung des umfangreichen Schlossarchives. Das Schloss wurde nicht mehr aufgebaut. Der unversehrt gebliebene Schlossstadel wurde 1964 in die Dorfkirche St. Johannes Nepomuk umgebaut. Dort hängt seit 1966 das Votivbild der Anna Maria Kiesling.

Literatur

  • Erwin Steckbauer: Rabenstein. Von der Glashüttensiedlung zum Ferienort, Ohetaler-Verlag Riedlhütte, 2006, ISBN 3-937267-50-7
  • Thomas Weber: 700 Jahre Rabenstein. Schlossgeister - Wandernde Altäre - und der Waldprophet Stormberger, 2011