Kirchbau-Verein Ruderting

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Der Kirchbau-Verein Ruderting (KBV) war ein 1905 gegründeter Rudertinger Verein, der maßgeblichen Einfluss auf den Bau der Kirche St. Josef in Ruderting hatte.

Geschichte

Gründung und erste Jahre

Die Bewohner der 1808 gegründeten politischen Gemeinde Ruderting gehörten entweder zur Pfarrei Neukirchen vorm Wald oder zu Tiefenbach. Rudertings Pfarrangehörige von Tiefenbach gründeten am 24. Oktober 1905 den Kirchbau-Verein Ruderting (KBV); Vereins-Jahresbeitrages war 2,40 Mark. Erster Vereinsvorsitzender war der Gastwirt Alois Muttenhammer, der aber im nächsten Jahr ausschied und mit 1.000 Mark Spende den Verein stärkte.

Neuer Vorsitzender wurde der Zwischenberger Bauer Matthias Koller. Er baute auf die kräftigste Unterstützung durch seinen Nachbarn Franz Breinbauer aus Rockerfing (* 29. November 1880 in During; Übernahme des Anwesens Nr. 31 in Rockerfing; † 26. März 1967). Matthias Koller war beseelt von seinem Ziel „Kirche in Ruderting“ und trat vehement und unerschütterlich für eine eigene Kirche in Ruderting ein.

Tiefenbachs Pfarrer Joseph Bauer wehrte sich gegen die beabsichtigte Trennung der Rudertinger, die jedoch in dem seit 28. Juni 1906 in Tiefenbach tätigen Kooperator Alois Gruber (* 19. Juli 1879 in Hauzenberg; Kooperator in Tiefenbach vom 21. Juni 1906 bis 24. April 1912; † 23. Juli 1958 als freiresignierter Pfarrer von Johanniskirchen in Landau a. d. Isar) unerwartete Unterstützung fanden. Dieser startete am 15. Juli 1907 eine schriftliche Meinungsumfrage, die den kirchlichen Behörden Nachweis für die Ernsthaftigkeit der Rudertinger Bestrebungen geben sollte.

Klärung der Grundstücksfrage

Der KBV erhielt durch Grubers Engagement einen Überblick über seine Finanzlage: Die versprochenen Zuwendungen beliefen sich auf 6.830 Mark in barem Geld und zeigten die Schenkung von einem Tagwerk Baugrund und Material. 1907 klärte sich die wichtige Grundstücksfrage für Kirche und Friedhof, weil der zweite Rudertinger Wirt, Matthias Grubmüller aus dem Anwesen Nummer 4 (heute: „Kirchenwirt“), dem Kirchbau-Verein ein Grundstück überschreiben ließ. Vorgesehen war die Wiese zwischen dem Grubmüller’schen Wirtshaus und dem Schulhaus mit 0,342 Hektar (nun: Kirchenstiftung Ruderting).[1] KBV-Vorsitzender Matthias Koller lobte die 44 Mitglieder, die jährlich 2,40 Mark, aber meist 3 Mark bezahlten und einige Einzelspenden.

Der KBV erwarb Bruchsteinmaterial aus Sittenberg zu verbilligtem Preis; Gastwirt und Steinbruchbesitzer Jungwirth von Fischhaus hatte weiteres Steinmaterial zugesichert. Sämtliches Bauholz einschließlich der Hand- und Spanndienste wurden zugesagt. Vorstand Koller stellte für die Jahre 1908 und 1909 die eigene Herstellung von Ziegelsteinen durch den Verein in Aussicht, die der Duringer Bauer Johann Endl „Hiasnbauer“ mit Hilfe des qualifizierten Italieners Jakob Cittaro ermöglichte.

Baumittel und Situationsplan

KBV-Vorsitzender Matthias Koller suchte den bekannten Architekten Michael Kurz auf, als dieser in Vilshofen an der Donau weilte, und gewann ihn für die Erstellung des Situationsplans für ein Kirchengebäude der künftigen Expositur. Doch die Kgl. Regierung von Niederbayern, Kammer des Innern, verweigerte im Sommer 1908 die Baugenehmigung, weil man erst mit dem Ansammeln von Baumitteln sowohl für die Kirche als auch für das Priesterhaus fortfahren müsse.

Die Darstellung des Vereins nach außen übernahm der Protokollführer und war ab 3. April 1910 mit Max Reschauer hervorragend besetzt. Er hielt eine zündende Rede, ließ sie drucken und überlieferte sie der Rudertinger Bevölkerung. Darin findet sich der erste Hinweis auf das Patronat des heiligen Josef für die neue Kirche, die Sankt-Josef-Kirche.

Die Rudertinger begannen mit der Produktion von Lehmziegeln und schichteten die Steine in einem Ziegelstadel gegenüber dem Kirchengrund auf. Wegen der Bauverzögerung war es ihnen möglich, im Frühjahr 1911 spontan Ziegel zu verkaufen und die Kirchbau-Vereinskasse mit Bargeld zu beschicken. Dringenden Bedarf an Ziegelsteinen meldete nämlich die Pfarrei Neukirchen vorm Wald, denn im Januar 1911 war dort ein Teil des Pfarrhauses ausgebrannt. Das wunderschöne Gebäude aus dem Jahre 1733 fiel unachtsamem Vorgehen bei Lötarbeiten am eingefrorenen Wassertank unter dem Dachstuhl zum Opfer.

Die Rudertinger produzierten fleißig neue Ziegel und meldeten 1911 einen Bestand von 60.000 Steinen und 8.000 Mark Kontostand. Am 1. Mai 1911 führte Architekt Michael Kurz einen Plan vor, der „Chor und Sakristei“ zeigte, aber letztendlich nicht annähernd zur Verwirklichung kommen sollte. Matthias Koller gab der Resignation keine Chance, obwohl Tiefenbachs Pfarrer auf seiner Meinung beharrte: Kein Kirchbau in Ruderting, denn für ihn bestünde keine Notwendigkeit. Auch die angedachte Notkapelle sei nicht durchführbar.

Wirren des Ersten Weltkriegs

Im Frühjahr 1914 stimmten rund 30 KBV-Mitglieder mit Vorstand Matthias Koller, mit Kassier, dem Dorfschmied Ludwig Wagner, und mit Schriftführer, dem Gastwirt Alois Muttenhammer gemeinsam mit dem neuen Kooperator Anton Amann (24.04.1912 – 07.05.1915 in Tiefenbach) für den Bau einer Dorfkapelle. Aber der Erste Weltkrieg verhinderte ab 1. August 1914 die Weiterführung des Projekts. Matthias Koller musste Kriegsdienst leisten und stand an der Front, ohne den Traum der eigenen Kirche in Ruderting zu verlieren.

Allmählicher Baubeginn

Am 1. Juni 1919 leitete er die Vereinsversammlung in Anwesenheit des Tiefenbacher Pfarrers Joseph Bauer, und notierte das Ergebnis, dass in Ruderting eine Kriegergedächtniskapelle gebaut und mit den Namen der Gefallenen aus der Gemeinde versehen werden sollte. Aber das schien mehr ein Zugeständnis an den Rudertinger Veteranen- und Kriegerverein zu sein, denn der Bau wurde bewusst verzögert. Erst als Matthias Koller und Tiefenbachs Kooperator Joseph Breit (1. November 1918 bis 7. März 1924 in Tiefenbach) als Bittsteller im Passauer Ordinariat vorsprachen und ein offenes Ohr fanden bei Dompropst Dr. Franz Seraph von Pichler fanden, kam Bewegung in den Kirchbau Ruderting. Rudertings Chronist beschrieb das Treffen mit Dr. Pichler: „Und der Gewaltige neigte gnädig sein Haupt, ermunterte zum raschen Handeln, in 14 Tagen müsse die Summe von 700.000 Mark [Anm.: Inflation] aufgebracht sein, dann wäre die Expositur Ruderting fertig.“

Tatsächlich ermöglichte Rudertinger Opfergeist die geforderte Summe und „Dr. Pichler lächelte vergnügt, er hatte wieder einmal eine neue Seelsorgstelle“, steht in der Rudertinger Pfarrchronik. Am 24. Februar 1922 heißt es: „Ein Kirchenbau in Ruderting ist wahrlich notwendig. Schade, schade, dass das Unternehmen nicht schon vor dem Krieg in die Wege geleitet wurde, und dass fragl. Kirchenbau somit jetzt in die dunklen ungünstigsten Zeitverhältnisse fällt, wo wahrlich auch dem Beherztesten der Mut sinken möchte.“ Joseph Breit lobte die Rudertinger wegen ihres Eifers, obwohl „das Projekt durch die verschiedensten Machenschaften und Intrigen immer wieder aufgehalten wurde“.

Bald redeten die Rudertinger von Matthias Koller als „Kirchenvater“, der als Vorbild an Selbstlosigkeit und Tatkraft in die Ortsgeschichte einging. Er war es, der Verhandlungen mit Architekten, Maurern, Bauern und Hilfskräften aus allen Familien führte und sie zur Arbeit rief. Die feierliche Grundsteinlegung fand am 22. September 1922 mit Prälat Dr. Georg Pell statt.

Finanzielle Absicherung

Das Staatsministerium für Unterricht und Kultus verlangte die finanzielle Absicherung des Kirchenbaus (mit Pfarrhof) und Matthias Koller erreichte es, dass die Rudertinger Bauern Ende März 1923 das Bauvorhaben mit 300.000 bis 500.000 Mark mit Grund- und Sachwerten absicherten. Das war mehr als eine Geste, denn bei dieser Sicherheitsleistung bewiesen die Bauern das drängende Bedürfnis nach einem eigenen Gotteshaus. Allen Zeugenaussagen nach – voraus der von Rosina Obermüller (* 3. Juni 1898; † 31. Oktober 1994) – war Matthias Koller die treibende Kraft bei der Bauausrührung. Er organisierte unermüdlich die Zusammenarbeit der Rudertinger Bauern, die ihre Dienstboten für stundenweise Arbeiten „ausliehen“, die kräftige Kinder und Jugendliche für Botengänge und leichte Arbeiten zuließen und Frauen, die Mörtel und Steine die Leitern hinauftrugen und Brotzeiten herrichteten. Dass Matthias Koller sein eigenes Bauernanwesen zeitweise hintanstellte, war eine andere Sache. Er war der Motor der Bewegung „Kirchbau Ruderting“ und erhielt den ehrenden Beinamen „Kirchenvater“.

Segnung der Kirche

Die Expositur Ruderting bekam eine eigene Filialkirchenverwaltung mit Alois Kurz von Ebental, Johann Höltl von Ruderting, Matthias Koller von Zwischenberg und Alois Bauer von Hatzesberg. Ersatzmänner: Alois Breinbauer von Rockerfing, Michael Streifinger von Reithof, Jakob Risinger von Gastorf und Joseph Schwaiberger von Wullersdorf.

Am 1. August 1923 wurde die Rudertinger Expositurkirche gesegnet und der erste Expositus Paul Hohensinn gefeiert. Er freute sich mit den Gläubigen und nahm es in Kauf, dass er zunächst in einer Mietwohnung bleiben musste, weil sein Pfarrhof noch nicht ganz fertig war. Er vertraute nicht zuletzt auf Matthias Koller. Für die finanziellen Angelegenheiten war ab Januar 1924 nicht mehr der KBV zuständig, denn die Kirchenverwaltung Ruderting hatte beschlossen, „den Kirchbau-Verein aufzulösen und im Vereinsregister löschen zu lassen“. Die Pfarrkirchenstiftung Ruderting war für finanzielle Belange zuständig.

Doch allen war klar, dass die Arbeit am Kirchengebäude nicht beendet war. Das Kirchenschiff war 17 m lang, 12 m breit und 6 m hoch und sollte ab 1925 erweitert werden. Matthias Koller packte am 20. Januar 1925 mit vorbildlichem Eifer als erster bei den Steinbrucharbeiten an und lag am nächsten Morgen „von einem schweren Schlaganfall getroffen“ darnieder. In der Folge trat er im März 1926 aus gesundheitlichen Gründen aus der Kirchenverwaltung aus; er starb am 11. Dezember 1926.

Am 1. Oktober 1927 konnte die Kirche St. Josef schließlich feierlich geweiht werden.

Einzelnachweise

  1. Schenkungsvertrag für den Kirchbau-Verein Ruderting, Geschäfts-Register Nr. 1432/07.

Literatur