Kolpingfamilie Viechtach

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Der Viechtacher Gesellenverein im Jahre 1904 -Foto: Kolpingsfamilie

Die Kolpingsfamilie Viechtach ist einer der ältesten und traditionsreichsten Viechtacher Vereine.

Adolph Kolping

Adolph Kolping, der nachmalige Gesellenvater, wurde am 8. Dezember 1813 in Kerpen bei Köln geboren. Er erlernte das Schuhmacherhandwerk und war als Geselle in verschiedenen Orten tätig. Kolping war entsetzt von den Lebensbedingungen der meisten Handwerksgesellen, die er während seiner Wanderschaften kennen lernte. Um den Menschen besser helfen zu können, entschloss er sich, Priester zu werden. Dem nachgeholten Abitur und theologischen Studien in München, Bonn und Köln folgte am 13. April 1845 in der Kölner Minoritenkirche die Priesterweihe.

In der Mitte des 19. Jahrhunderts brachte die Industrialisierung großes Elend über die Menschen, ein knallharter Kapitalismus verdrängte mit seinen Maschinen das Handwerk. Weil das Zunftwesen zerfiel, standen tausende von Gesellen auf der Straße. Diese hatten bisher in den Familien ihrer Meister gelebt, viele von ihnen standen nun vor einer trostlosen Zukunft. Es war einer der ihren, der diese Not mit einem klaren Konzept bekämpfte, das auch bald für die neue „Arbeiterfrage“ Lösungen anbot: Adolph Kolping.

Als Karl Marx am 6. Mai 1849 im Kölner „Gürzenich“ sein kommunistisches Manifest verkündete, war der nunmehrige Domvikar Adolph Kolping maßgeblich an der Entstehung des Katholischen Gesellenvereins beteiligt, das heutige Kolpingwerk.

Aus dieser Gründung erwuchs eine Bewegung, die sich schnell ausbreitete. Der Sozialreformer Kolping gab ihr das geistige Konzept, der Seelsorger Kolping die religiöse Mitte, der Publizist Kolping die öffentliche Wirkung. Mit seinem auf dem Prinzip gemeinschaftlicher Selbsthilfe beruhenden Werk gab Kolping eine praktische Antwort auf die soziale Frage des Industriezeitalters. Er wurde zum Wegbereiter der Katholischen Sozialbewegung und zugleich zu einem Vorläufer der Katholischen Soziallehre. Nach rastlosem Einsatz für sein Werk starb Adolph Kolping am 4. Dezember 1865 in Köln. Am 27. Oktober 1991 wurde Kolping von Papst Johannes Paul II. selig gesprochen.

Gesellenverein

Noch zu Lebzeiten Kolpings, am 27. Dezember 1859 fanden sich im Gasthaus Josef Schmaus in Viechtach („Alte Post“) 80 gestandene Viechtacher Männer ein, um auch hier einen Katholischen Gesellenverein zu gründen. Bei den ersten Wahlen am 1. und 6. Januar 1860 (der 6. Januar ist noch heute „Generalversammlungstag“) wurde der Schreiner Josef Kammerl als Altgeselle (vergleichbar dem späteren Senior oder heutigen Vorsitzenden), Lederermeister Josef Kilger als Kassier und Cooperator Fischer als Schriftführer gewählt. Erster Präses war Cooperator Sebastian Gleißner. Noch im selben Jahr wurde eine Fahne beschafft, die heute noch vorhanden ist.

Nach der Gründung wurde voller Elan die Arbeit im Sinne des Gesellenvaters in Angriff genommen. Großer Wert wurde auf die Bildung gelegt. So war jeden Sonntag im Vereinslokal von 12 bis 18 Uhr unentgeltlicher Unterricht in Schön- und Rechtschreiben, Geschichte, Geographie, Zeichnen und Rechnen. Abends um 19.30 Uhr war dann nochmals Unterricht in Form von „belehrenden Vorträgen religiöser Art, Deklamationen und Gesang“.

Die ersten Vereinsstatuten mit dieser Festlegung von Tätigkeiten im Gesellenverein befinden sich in den Vereinsunterlagen. Schon 1860 wurde erstmals ein Theaterstück aufgeführt, im selben Jahr fand auch schon die erste Wallfahrt nach Schönau statt. Zum Ende des 19. Jahrhunderts wurden auch die Aktivitäten des Viechtacher Katholischen Gesellenvereins eingeschränkt, ausgelöst wohl durch den Bismarck’schen Kulturkampf und den Sozialismus.

In den ersten Jahren des 20. Jahrhunderts wird dann schon von Rosenmontagsbällen berichtet. Zu dieser Veranstaltung waren des großen Andranges wegen nur Mitglieder und ihre Angehörigen zugelassen. Dieser Traditionsball fand bis zum Ende der 1990er Jahre statt.

Ein großer Teil der Mitglieder kehrte aus dem ersten Weltkrieg nicht mehr heim oder verstarb noch später an den Kriegsfolgen. So tat sich eine neue Führungsgeneration mit Präses Josef Wolf, den Altgesellen Josef Muhr und später Xaver Stoiber („Schmied-Meier“) hervor. In dieser schwierigen Zeit fand auch die vom Kolpingwerk in Köln veranlasste Umbenennung der „Gesellenvereine“ in „Kolpingsfamilie“ statt, um einem sofortigen Verbot der Nazis zu entgehen. Trotzdem blieb auch in Viechtach jegliche Vereinstätigkeit außerhalb der Kirchenmauern vom 7. März 1936 bis zum 24. April 1945 (Einmarsch der Amerikaner) verboten. Aus Berichten von Zeitzeugen ist aber bekannt, dass auch während dieser schlimmen Jahre die Vereinstätigkeit nicht ganz zum Erliegen kam. Auch wurden die Vereinsunterlagen auf pfiffig-abenteuerliche Art und Weise von Xaver Stoiber gerettet.

Durch tatkräftige Initiative des damaligen Viechtacher Kooperators Josef Bartl (später Pfarrer in Gotteszell) konnte mit verbliebenen 30 Alt- und zwölf Neumitgliedern am 6. Januar 1948 ein Neuanfang gemacht werden. Bei den Wahlen wurde Xaver Stoiber zum Senior gewählt, Schriftführer und Kassier war Josef Schmaus, Fahnenjunker Hermann Reisinger, Beisitzer („Ordner“) waren Alois und Anton Penzkofer, Alfred Kuffner und Werner Haimerl, als „1. und 2. Meister“ fungierten Anton Ludwik und Johann Schmid.

Eine neue Ära brach 1956 mit dem Wirken von Katechet Alfons Ofenbeck als Präses an. Er hatte dieses Amt - seit 1974 auch in Personalunion als Vorsitzender - bis 1983 inne. Dwie erstmalige Aufnahme von weiblichen Mitgliedern war im Jahr 1976. Seit 1967 wird jährlich die Nikolausaktion durchgeführt, 1968 fand die erste Altkleider- und Papieraktion zu Gunsten von Entwicklungshilfeprojekten des Kolpingwerkes statt. Die Theatertradition erlebte neue Höhepunkte. Der frühe Tod von Ehrenpräses Alfons Ofenbeck im Jahr 1988 riss eine tiefe Lücke in die Viechtacher Kolpinggemeinschaft.

Von 1983 bis 1995 wirkte Heinrich Wagner als tatkräftiger Vorsitzender der Kolpingsfamilie. Sein Engagement brachte ihm gelegentlich sogar den Beinamen „Herr Kolping“. In dieser Zeit wurde die erste Podiumsdiskussion zur Kommunalwahl veranstaltet, viele Vereinsabende mit hochkarätigen Referenten konnten durch Wagners vielfältige Kontakte als Bezirksvorsitzender veranstaltet werden. Als letzte „Amtshandlung“ von Heinrich Wagner wurde vor der Neuwahl 1995 noch die Kommunionkleideraktion gestartet.

1995 bis 2004 war Anton Voitl als 1. Vorsitzender tätig. In dieser Zeit wurden erhebliche Beträge im Rahmen der Renovierung des Alten Pfarrhofes investiert und ein Kolpingbus angeschafft. Von Anfang an wurde auch die Vorstandsarbeit umstrukturiert, indem Zuständigkeiten verteilt wurden und seitdem von den jeweiligen Sachgebietsleitern verantwortlich und fachkundig ausgeführt werden, zum Beispiel Nikolausaktion, Theater, Kleidersammlung, Pressearbeit.

Am 6. Januar 2004 wurde Reinhard Zeitlhöfler zum neuen Vorsitzenden gewählt. Dabei soll nicht nur an Vergangenes gedacht und erinnert werden, sondern durch neue Ideen und neue Mitglieder der Verein auch in Viechtach so erfolgreich wie in den vergangenen 150 Jahren fortgesetzt werden.

Literatur