Kramerei

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Inszenierung eines Einkaufs im Kramerladen des Freilichtmuseums Massing (Foto: Gerhard Nixdorf, 2015)
Im Nebenhaus des Heilmeierhofs ist der Kramerladen eingerichtet. (Foto: Martin Ortmeier, 2019)

Die Kramerei beim Heilmeierhof im Freilichtmuseum Massing ist eine Rekonstruktion.

Das Haus ist ein vollständiger Blockbau. Seit 1973 ist es als Austragshaus dem Wirtsanwesen Heilmeierhof zugeordnet. Es stammt aus Winhöring, dort trug es den Hausnamen Bruckjackl. 2013 bis 2019 wurde das Haus von Grund auf saniert und als Kramerladen mit Wohnung eingerichtet.

Das Darstellungskonzept[1] stellt vor: Ein kleines Nebenhaus eines größeren Anwesens beherbergt Altenteiler oder Verwandte des Wirtsbauern. Ein Ehepaar wohnt hier und betreibt gemeinsam einen Dorfladen (Kramerladen). Die Gestaltung der Räume und die Einrichtung stellen eine Situation um 1955 vor.
Dazu dienen die Ladeneinrichtung des Lebensmittelladens von Johann und Therese Wiesmeier, der bis 2000 in Frauenhaselbach (Neumarkt-Sankt Veit) bestand[2], und Ware aus dem Kramerladen der Erika Aigner in der Hofmark Gern[3]. Für die Wohnung dient im Erdgeschoss eine Garnitur von Wohnmöbeln des Jahres 1951 aus Obermaisbach (Unterdietfurt), für das Obergeschoss Mobiliar aus Eggenfelden (Nachlass Maria und Otto Schweiger) und Massing (Schenkung Heinz Plininger)[4].

Die Rekonstruktion der Kramerei im Museum dient der sozialgeschichtlichen Bildung und dem Erlebnis früherer Lebensverhältnisse. Der Dorfladen (Kramerladen) war von zirka 1850 bis zirka 1975 neben Kirche und Wirtshaus eine wesentliche Nahversorgungseinrichtung auf dem Land.

Das zugehörige Hausgartl wurde 2019 näher an die Straße und das benachbarte Wasch- und Backhaus gerückt und neu angelegt.

Das Gebäude

Das Bruckjackl-Anwesen bei Winhöring um 1970. Eine rechtzeitige Dokumentation des zum Haus gehörigen Schupfens hätte eine Rekonstruktion und Darstellungsverdichtung im Freilichtmuseum Massing ermöglicht. (Foto: Archiv Freilichtmuseum Massing)
Die Stube ist mit Möbeln ausgestattet, die 1951 in der Region hergestellt wurden. (Foto: Gerhard Nixdorf, 2015)

Hausgeschichte

Viele Jahre war das Haus im Freilichtmuseum Massing eine Altlast aus dessen Gründungszeit. Es wurde vor seiner Abtragung am historischen Standort kaum dokumentiert, die Qualität der Übertragung war gering[5].
Das Bruckjackl-Haus wurde nach 1975 in Massing lange als Wohnung für eine Museumsaufsicht genutzt, nach den Bewohnern †Gertrud und †Eduard Belmega wurde es bis in die jüngste Zeit Belmega-Haus genannt.

2013 bis 2014 wurden die Fundamente und das Erdgeschoss instandgesetzt.[6] Die Böden wurden erneuert, auf die Innenwände wurde – nach Abnahme der Wandverkleidungen und der schadhaft gewordenen Dämmung – Lehmputz aufgetragen. Eine Temperierung nach Freilichtmuseumsstandard wurde eingebaut. Die zimmermannsmäßigen Bretttüren von zirka 1975 wurden durch lackierte Schreinertüren und -zargen[7] nach (bürgerlichen) Mustern der Zeit um 1930 ersetzt.
2015 wurde[8] das Erdgeschoss als Kramerei eingerichtet. Die gesamte Ausstattung ist rekonstruiert nach Bildbelegen unter Verwendung von vorhandenen und neu gewonnenen Sammlungsstücken.
Die Kramerei dient schwerpunktmäßig für die Hinwendung an Senioren (auch altersdemente Menschen). Zu diesem Zweck wurde ein großzügiger Sanitärbereich eingerichtet[9].

2018 bis 2019 wurde das Obergeschoss saniert. Nach dem Muster des Erdgeschosses wurden die Türen und Türzargen erneuert, außerdem die Böden neu gelegt. Die Treppe zum Obergeschoss im kurzen engen Flur wurde mit möglichst geringer Steigung rekonstruiert, der untere Antritt dazu leicht gewendelt.[10] Auf die Wände wurde Lehmputz aufgebracht, die Temperierung wurde erweitert. Der Boden des Dachbodens erhielt eine Dämmung. Im nordwestlichen Bereich des Obergeschosses, das beim Wiederaufbau im Museum 1973 stark verändert worden war, wurde mit Rücksicht auf die Ausstattung ein Fenster von der Rückseite des Hauses auf die Hofseite verlegt.

Rekonstruiert nach Vergleichsbeispielen ist auch der Wanddekor auf den Lehmputzen, vor allem in Schablonentechnik, außerdem in Rollmustern.[11]

Laden und Kramerwohnung

Das Wohnzimmer ist mit Möbeln aus den 1930er bis 1950er Jahren ausgestattet. (Foto: Josef Lang, 2018)
Die Schlafzimmermöbel wurden in den 1930er Jahren nach Entwürfen von Otto Schweiger hergestellt. (Foto: Josef Lang, 2018)

Im Erdgeschoss sind Kramerladen, Küche, Wohnstube und Stüberl (Aufenthalt der Kramerin mit Gelegenheit zu hauswirtschaftlichen Arbeiten – u.a. Bügeln, Buchhaltung, Radiohören, Erholung) eingerichtet. Die Ladenmöbel stammen aus dem dörflichen Lebensmittelladen von Johann und Therese Wiesinger in Frauenhaslach, Ware aus der Kramerei von Erika Aigner in der Hofmark Gern, außerdem von der Seilerei Eder, die samt Warenlager aus Pfarrkirchen in das Freilichtmuseum Massing übertragen wurde.

Im Obergeschoss sind Wohnzimmer, Schlafzimmer, Kinderschlafzimmer und Spielzimmer eingerichtet.
Das Museum hat 2018 einen umfangreichen Nachlass des 1995 verstorbenen Eggenfeldener Kreisheimatpflegers Otto Schweiger von seiner Tochter Evi Siegel (mit Peter Siegel) als Spende erhalten. Die Möbel, das Tafelgeschirr Oberpfälzer und fränkischer Herstellung, Bücher und Wandschmuck, die er und seine Frau hinterlassen haben, sind Dokumente der Zeit von 1930 bis etwa 1975. Die Möbel hat Otto Schweiger selbst entworfen und von regionalen Schreinern anfertigen lassen, Werkzeichnungen sind erhalten und Rechnungen liegen im Original vor. Die Räume des Heilmeierhof-Austragshauses sind allerdings für diese bürgerlichen Möbel sehr klein bemessen und zu niedrig.
Das Kinderzimmer birgt Möbel von Heinz Plininger aus Massing (1930er Jahre, Krameranwesen Marktplatz 6; Schenkung 2019). Das Bad wurde rekonstruiert auf einen Darstellungszeitraum um 1955[12]. Das Spielzimmer zeigt (als Inszenierung) bürgerliches Spielzeug (teils aus Depotbeständen, teils von Familie Siegel). Die Ausstattung ist inventarisiert.[13].

Didaktische Erschließung

Im Erdgeschoss informiert im Flur eine Text-Bild-Tafel über das Bruckjackl-Haus und das Wesen und die Tradition eines Dorfladens. Eine Bildschau zeigt im Stüberl das Drehen und Falten einer Spitztüte aus einem Papierbogen, wie es lange Zeit gebräuchlich gewesen ist.[14] Laden und Küche sind jedoch vorrangig auf personale didaktische Zuwendung im Rahmen von Gruppenbesuchen ausgerichtet.

Die umfangreiche didaktische Erschließung der Räume im Obergeschoss[15] wurde 2020 nicht realisiert.

Förderung

  • 2013 bis 2014: Europäischer Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER)
  • 2018 bis 2019: Bramenkamp Stiftung, Landau an der Isar
  • Didaktische Ausstattung 2019: Stiftung Niederbayerisches Bauernhofmuseum Massing

Literatur

  • Martin Ortmeier, Vom Niederbayerischen Bauernhofmuseum Massing im Rottal zum Freilichtmuseum Massing – 50 Jahre Geschichte eines Heimatmuseums. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 61 (2019), S. 275–292

Weblinks

Anmerkungen

  1. 2013 von Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier
  2. Photodokumentation 2010, Az. M 5.5.76
  3. Photodokumentation 2012, Az. M 5.5.83
  4. Photodokumentation 2019, Az. M 5.5.95
  5. Beim Blockbau wurde umfangreich minderes Ersatzmaterial verwendet und mit Stahlnägeln teils stark abweichend von der Flucht verbaut. Die Wände waren nach dem Zeitgeschmack der 1970er Jahre mit Nut- und Feder-Brettern verkleidet. Gedämmt war mit Glaswollmatten.
  6. Maurermeister Pierre Starke, Passau, auch bauphysikalische Beratung
  7. Schreinerei Greiler, Galla-Ortenburg
  8. Auf Anregung der Museumspädagogin Roswitha Klingshirn, die im Dezember 2012 eine Dokumentation der Kramerei Aigner in Gern und die Bergung von Ladeninventar veranlasst hat
  9. Gegen Widerstand aus der Verwaltung, jedoch mit ausdrücklicher Empfehlung durch die staatlichen Gutachterbehörden
  10. Schreinermeister Andreas Klusch, Neumarkt-Sankt Veit
  11. Konzept: Dr. Martin Ortmeier, Ausführung: Kirchenmalermeister Michael Brüggemann, Vilsbiburg)
  12. Von Hans Eichinger, Depotleiter des Freilichtmuseums Massing
  13. Von den Beschäftigten des Museumsdepots Hans Eichinger und Andrea Sommer B.A.
  14. Photodokumentation 2012 (Az. M 5.5.81) der Eisenwarenhandlung Fischer in Peuerbach (Oberösterreich) von Fotografenmeister Josef Lang
  15. Das Konzept vom 29. Juli 2019 und 18. Januar 2020 (Az. M 7.2.2.6.3) von Dr. Martin Ortmeier und die typographische und graphische Umsetzung von Dr. Winfried Helm, Büro Theorie&Praxis (Passau)