Kreisarchäologie Deggendorf

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Kreisarchäologe Dr. Karl Schmotz (r.) mit Kollegen bei einer Ausgrabung.

Die Kreisarchäologie Deggendorf wurde 1979 gegründet und ist für die archäologische Denkmalpflege im gesamten Landkreis Deggendorf zuständig.

Geschichte

Alles fing auf dem Natternberg an. Weil auf dem Burgberg ein gastronomischer Betrieb entstehen sollte, war eine archäologische Untersuchung nötig geworden. Damals beteiligte sich der Landkreis unter Altlandrat Dr. Georg Karl erstmals an Ausgrabungen. „Eklatant geworden“ sei der Bedarf einer archäologischen Einrichtung für den Landkreis dann im folgenden Jahr beim Bau der Autobahn A3, erläutert Dr. Karl Schmotz, der als Kreisarchäologe seit 1981 immer dann gerufen wird, wenn in Baugruben, auf Straßentrassen und unter Fundamenten die Vergangenheit plötzlich sichtbar wird. Dann müssen die Archäologen die Bodendenkmäler dokumentieren und retten, was zu retten ist, bevor Baumaschinen die Relikte zerstören.

In den vergangenen 30 Jahren hat der Heimatboden unzählige unscheinbare Fragmente, aber auch eine Reihe spektakulärer Funde preisgegeben.

Die Entdeckung des hölzernen Amphitheaters ermöglichte einen Blick auf das Leben in der römischen Zivilsiedlung.

Funde

Aholming

Ab 1999 wurden in Aholming wiederholt frühmittelalterliche Gräber in der ehemaligen Isaraue entdeckt, an einer Stelle, an der man nicht damit gerechnet hatte. Einer der interessantesten Funde: ein reich ausgestattetes frühmittelalterliches Grab aus der Zeit um 700 n. Chr.. In den Folgejahren gab es wiederholt Hinweise auf eine hochmittelalterliche Besiedelung, die einzige, die die Kreisarchäologie im Landkreis entdeckt hat.

Siehe Hauptartikel: Gräberfeld Aholming

Buchhofen

Ein komplettes Baugebiet wurde in Buchhofen untersucht. Dabei entdeckten die Archäologen einen hallstattzeitlichen Herrenhof aus dem 7. bis 6. Jahrhundert v. Chr, ein Gehöft mit umlaufendem Graben und Einfriedung. Auch diese Anlage hat Parallelen im Landkreis. Bereits 1982 war in Linzing ein solcher Herrenhof gefunden worden. Aufsehen hat in Buchhofen auch der Fund eines Kindergrabes aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. erregt. Die Grabausstattung ließ darauf schließen, dass die Familie des jungen Ur-Buchhofeners aus Böhmen umgesiedelt war.

1995 begannen Ausgrabungen in der Westag-Siedlung Buchhofen. 2,2 Hektar Fläche wurden ausgegraben, wobei über 800 archäologische Objekte in Form von Pfostenspuren, Vorrats-, Schlitz- und Materialentnahmegruben, Gräben und Bestattungsplätzen zum Vorschein kamen. Auch ein Gräberfeld aus der frühen Bronzezeit um 2000 v. Chr. wurde freigelegt. Im Juli 2010 wurden ein Brunnen und keltische Grubenhütten gefuden.

Deggendorf

Bei Ausgrabungen am Östlichen Stadtgraben in Deggendorf haben die Archäologen einen bedeutenden Fund gemacht: eine Wasserleitung aus dem Spätmittelalter. Bei der Wasserrinne handelt es sich um eine relativ aufwendige Konstruktion aus Bruchsteinen und Holzrinnen, die im Laufe der Zeit immer wieder erneuert worden sein muss. Das Leitungssystem besitzt Abzweigungen und ein rundes Abscheidebecken. Der steinerne Leitungsbau ist zusätzlich mit Hölzern stabilisiert, wahrscheinlich weil er zwei ältere Gräben direkt überlagert. Das Besondere an dem Fund: Die Archäologen gehen davon aus, dass es sich um eine öffentliche Wasserleitung handelt, also um städtische Infrastruktur.

Anders als in den Schriftquellen vermerkt, die die erste Wasserleitung Deggendorfs für das Jahr 1599 dokumentieren, deutet der jüngste Fund nach Einschätzung von Stadtarchäologin Dr. Irene Mittermeier darauf hin, dass Deggendorf bereits im 15. Jahrhundert über ein weit reichendes innerstädtisches Wasserleitungsnetz verfügte.

Siehe Hauptartikel: Mittelalterliche Wasserleitung (Deggendorf)

Gergweis

In dem Brandgrab bei Gergweis hat das Grabungsteam des Landkreises Deggendorf die Reste eines verbrannten Toten, etwas Holzkohle und verbrannte Keramik gefunden. Es wurde der allerletzte Rest von diesem Grab gefunden, denn der Rest ist durch die landwirtschaftliche Bearbeitung des Bodens bereits verschwunden.

Ein Brand-Schüttungsgrab aus der mittleren Kaiserzeit im 2. Jahrhundert nach Christus, schätzt der Experte. Neben der Urnenbestattung war damals auch die Erdbestattung der verbrannten Toten üblich. Zum Teil wurden Gefäße, Öllämpchen, Schmuck oder Glas ins Grab mitgegeben, doch in Gergweis fehlen solche Beigaben.

Für den Archäologen Dr. Karl Schmotz ist der kleine Fund eine Riesenentdeckung: Er belegt die ländliche Besiedlung des Vilstals durch die Römer. Das Grab ist mit höchster Wahrscheinlichkeit „ein Repräsentant eines ganzen Friedhofs“, da die Toten nicht einzeln bestattet wurden, schildert der Kreisarchäologe. Und ein Friedhof weise auf eine ländliche Besiedlung in der Nähe hin.

Siehe Hauptartikel: Brandgrab (Gergweis)

Künzing

Wichtig ist in Künzing, dem ältesten Ort des Landkreises, vor allem die römische Vergangenheit und dabei die Zivilsiedlung neben dem Kastell. 1998 war die Entdeckung des Mithrasheiligtums eine Sensation. Im Herbst 2003 entdeckten die Archäologen das hölzerne römische Amphitheater aus dem 2. Jahrhundert, das einzige im römischen Reich, das untersucht wurde. Auf dem selben Areal befindet sich ein Friedhof der Urnenfelder- und Hallstattzeit, belegt vom 11. bis 6. Jahrhundert v. Chr., mit hervorragenden Bestattungen von Reitern und Wagenfahrern.

Einen bedeutenden Fund machte man auch im Baugebiet Bruck, wo der Boden das Grab eines Metallhandwerkers aus der Glockenbecherzeit zwischen 2500 und 2300 v. Chr. barg. Den Steinwerkzeugen nach zu urteilen, die dem Mann mitgegeben wurden, hat er Kupfer und möglicherweise sogar Gold bearbeitet.

Siehe Hauptartikel: Gräberfeld Künzing

Moos

Zwei wichtige Fundeareale erweckten in Moos die Aufmerksamkeit der Archäologen. Am Burgstall fanden sich die Adelsgräber awarischer Reiter aus dem 7. Jahrhundert – Angehörige eines zentralasiatischen Reitervolks. Wie die Archäologen nachvollziehen konnten, hatte wohl der Herzog die Reiterei dort angesiedelt, um die zu dieser Zeit noch immer genutzte römische Straße zu überwachen.

Ober- und Niederpöring

Im Baugebiet „Am Bürggraben“ kam eine reiche keltische Bestattung aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. ans Tageslicht. Zu den wichtigeren Entdeckungen in der Gemeinde Oberpöring gehörte auch ein Gräberfeld, dem ersten rein hallstattzeitlichen Friedhof im Landkreis, datiert auf das 7./6. Jahrhundert v. Chr.. Unter den Bestattungen befand sich auch ein Schwertgrab.

Frühmittelalterliche Siedlungs- und Gräberfunde aus dem 6./7. Jahrhundert machte die Kreisarchäologie im Baugebiet Obermeierfeld in Niederpöring. Eine kleine Sensation war, als in den 80er Jahren Befestigungsgräben und Bestattungen der Münchshöfener Kultur aus der 2. Hälfte des 5. Jahrtausends vor Chr. gefunden wurden.

Siehe Hauptartikel: Gräberfeld Oberpöring bzw. Gräberfeld Niederpöring

Osterhofen

1989 kam bei der Neuanlage des Sportplatzes für die Realschule Damenstift in Altenmarkt eine Gräbergruppe der Glockenbecherkultur zutage mit qualitätsvollen Bestattungen, zum Teil in Grabkammern. Ortsgeschichtlich besonders interessant ist der Fund, den die Kreisarchäologie 2006 in Niedermünchsdorf machte. Man entdeckte den Rand eines frühmittelalterlichen Friedhofes, der aus Bestattungen aus dem 8. und 9. Jh. bestand. Die Gräber orientieren sich zur bestehenden Kirche und man geht davon aus, dass unter der jetzigen Kirche St. Hippolyt Reste einer frühmittelalterliche Vorläuferkirche vorhanden sind.

Einzigartig im gesamten Landkreis sind die Funde aus einer keltischen Siedlung aus dem 5. bis 3. vorchristlichen Jahrhundert im Baugebiet Schlosseracker in Altenmarkt. Dort können die Wissenschaftler anhand von Funden Eisenschmelze und Metallbearbeitung nachweisen. Um hervorragende Denkmäler des frühen 5. Jahrtausends v. Chr. handelt es sich bei vier mittelneolithischen Kreisgrabenanlagen. Entdeckt wurden sie in Schmiedorf, in Ramsdorf, Gneiding und Künzing. Untersuchungen mithilfe der Geomagnetik durch die Biogas-Firma Schmack im Jahr 2008 ließen zahlreiche Befunde vermuten. Die tatsächlichen Befunde sind allerdings wesentlich weniger. Gefunden wurden neben einem Skelett aus der Zeit der Schnurkeramik noch ein Kindergrab, welches nur schlecht erhalten ist.

Siehe Hauptartikel: Gräberfeld Altenmarkt

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Ein Fund in Otzing: Frühmittelalterliche Bestattung (um 700).

Otzing

Drei Jahre lang wurde im Baugebiet Gartenäcker gegraben, nachdem die ersten Hinweise auf eine jungsteinzeitliche Siedlung aus dem späten 6. Jahrtausend v. Chr. aufgetaucht waren. An die 50 Siedlungsbestattungen und rund 70 Überreste von Öfen kamen zutage. Vergleichbare Funde gab es im Landkreis nur im „Urdorf“ in Stephansposching mit rund 100 Hausbefunden gleichen Alters.

Auf dem Baugebiet „Hofäcker“ in Otzing wurde die Entdeckung einer keltischen Siedlung aus dem 5./4. Jahrhundert v. Chr. mit einer Reihe von Grubenhäusern, die man als Handwerksgebäude betrachtet und gerne als Webhäuser nutzte, gemacht. Aus dem Frühmittelalter stammen vier Brunnen in drei verschiedenen Bauweisen, zwei stammen aus dem 8. Jahrhundert. Interessant sind auch die frühmittelalterlichen Hofgrablegen in Otzing, eine kleine Gräbergruppe, die sich zu einem ehemaligen Anwesen hin orientieren. Das lässt darauf schließen, dass damals die Toten direkt hinter dem Haus bestattet wurden. Zehn Gräber sind bisher bekannt.

Siehe Hauprtartikel: Gräberfeld Otzing

Plattling

Der Globus-Bau hat dem Landkreis im Jahr 1994 eine weitere interessante Fundstätte beschert. Der Einkaufsmarkt steht genau auf einer durch Luftbilder bekannten spätkeltischen Viereckschanze aus dem 2./1. Jahrhundert v. Chr., zu der mehrere Gebäude und jahrgenau datierbare Brunnen gehörten.

Stephansposching

Oft waren die Archäologen auf Stephansposchinger Gemeindegebiet zugange. Neben der jungsteinzeitlichen Urdorf-Siedlung, in der Bearbeitung die derzeit bedeutendste Siedlung der frühen Jungsteinzeit in Bayern, wurde beim Bau der Mehrzweckhalle auch ein Friedhof entdeckt. Erst im vergangenen Jahr fand Dr. Schmotz in Bestattungsgruben die Überreste von zwei erschlagenen Männern der Münchshöfener Kultur.

Auch mit der frühmittelalterlichen Befestigung in Wischlburg haben sich die Archäologen immer wieder beschäftigt. Die Kenntnisse über die Struktur der Anlage haben sich in der Zwischenzeit geändert. Die Befestigung stammt aus dem 8. bis 10. Jahrhundert. Interessant weil selten ist auch ein Luftbildbefund aus Wischlburg. Unter der Erde ruht offenbar eine Befestigung aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. Eine keltische Viereckschanze kam im Jahr 2000 in den Kiesgruben bei Fehmbach ans Tageslicht.

Im Überschneidungsbereich der Archäologie mit der Baudenkmalpflege fanden auch immer wieder Untersuchungen in Kirchen statt. Grabungen führten wiederholt zu neuen Erkenntnissen über die Baugeschichte.

Siehe Hauptartikel: Marterläcker (Stephansposching)

Museum Quintana

Das Museum Quintana hat der Kreisarchäologie einige seiner bedeutendsten Funde zu verdanken. Das betont auch die Hausherrin Dr. Eva Bayer-Niemeier. „Einmal abgesehen von den Aktivitäten des Museumsvereins gäbe es das Museum ohne die Kreisarchäologie nicht. Etwa 80 Prozent unserer Ausstellung sind Funde der Kreisarchäologie oder beruhen auf Ergebnissen ihrer Arbeit“, so die Museumsleiterin, die von einer „fruchtbaren und bedeutungsvollen Zusammenarbeit“ spricht.

Literatur