Landgericht Zwiesel

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Das im Kern aus dem 17. Jahrhundert stammende, 1903 bis 1904 umgebaute und aufgestockte ehemalige Landgerichtsgebäude und Rentamt in Zwiesel.

Das Landgericht Zwiesel war eine Justizbehörde und Verwaltungseinheit mit Sitz in Zwiesel, die von 1399 bis 1802 Bestand hatte.

Geschichte

Unter der Herrschaft der Degenberger

1399 wird mit Hans Pfaller zum erstenmal ein Richter zu Zwiesel genannt, der höchstwarscheinlich von den Degenbergern aufgestellt wurde. Die Herren von Degenberg übten in der Herrschaft Zwiesel die hohe und mittlere Gerichtsbarkeit aus. Die Grundherrschaft und Niedergerichtsbarkeit lag dagegen beim Kloster Niederaltaich und dessen Propstei Rinchnach, die Landesherrschaft bei den Wittelsbachern.

Die Degenberger bemühten sich, ihre Rechte sowohl gegenüber dem Kloster als auch gegenüber dem Landesherrn auszudehnen. Ihr Auflehnen gegen die wittelsbachische Landesherrschaft endete mit den Niederlagen im Böcklerkrieg und im Löwlerkrieg. Erst an der Seite des Landesherrn gelang es ihnen schließlich, das Kloster im Laufe von langwierigen Verhandlungen aus der Herrschaft hinauszudrängen. Am 22. Februar 1539 trat das Kloster alle Ansprüche und Forderungen für 3.500 Gulden und 50 Gulden Zinsgeld an die Freiherrn von Degenberg ab, wodurch diese die Grundherrschaft über alle in der Herrschaft Zwiesel liegenden Güter sowie die gesamte Maut übernahmen. Am 7. Januar 1540 wurde die Übergabe offiziell vollzogen. Damit besaßen die Freiherrn die gesamte Straf- und Zivilgerichtsbarkeit. In allen landesherrlichen Angelegenheiten unterstanden sie jedoch dem Herzog und dessen Mittelbehörde, dem Vitztum Straubing.

Die Degenberger ließen auch ihre außerhalb des Zuständigkeitsbereiches des Landgerichtes liegenden Untertanen ihre Strafen in Zwiesel absitzen und auf Kosten des Marktes versorgen. Fast bis zu ihrem Aussterben im Jahr 1602 bestellten die Degenberger Pfleger und Richter und ließen diese nur vom Viztum bestätigen.

1609 wurde das Landgericht mit dem Pflegegericht Weißenstein vereinigt. Der Pfleger in Weißenstein war fortan zugleich Landrichter in Zwiesel. Hier wurde er durch einen Gerichtsschreiber vertreten.

Praxis der Rechtsprechung

Während zur Vollstreckung von Todesurteilen vermutlich zunächst die Degenberger einen Henker bereitstellten, war nach Errichtung der Viztumsämter dafür ausschließlich der Scharfrichter von Straubing zuständig. Das Hochgericht musste vom Markt instand gehalten werden. Außer dem Galgen befand sich dort auch das Rad. Die Hinrichtung mit dem Schwert wurde je nach Anordnung entweder auf dem Marktplatz vor dem Degenbergischen Haus oder unter dem Hochgericht am Galgenhügel vollzogen. Viele der Urteile wurden öffentlich vollstreckt. Die einheimischen Helfer des Scharfrichters hatten jahrzehntelang ihre Wohnung im Galgenschrederhaus am Fuße des Galgenhügels.

Für Diebe, Raufer und Betrüger gab es den Stock, übereinander liegende Balken, in denen Löcher zum Einklemmen der Hände und Füße eingeschnitten waren. Der Stock befand sich in Zwiesel vor dem Gerichtsgebäude.

Streitsüchtige, Ehebrecher, Gotteslästerer usw. wurden an den Pranger gestellt. Der Pranger, genannt Preche, wo der Verurteilte angekettet wurde, stand vor der damaligen Zwieseler Pfarrkirche an der Friedhofsmauer, wo sich heute das Kriegerdenkmal befindet. Für ähnliche Vergehen war der Springer vorgesehen, ein erhöht beim Rathaus stehender Käfig aus dicken Eisenstäben.

Für zänkische Frauen gab es die Geige, zwei ausgeschnittene Brettchen, die mit einem Scharnier um den Hals der Bestraften geschlossen wurden. Im Waldmuseum Zwiesel ist eine Doppelgeige zu sehen, in die gleich zwei Frauen Gesicht zu Gesicht vor dem Gerichtsgebäude eine Stunde oder länger zusammengesperrt wurden.

17. und 18. Jahrhundert

Am 15. August 1635 wurden die Grenzen des Landgerichtes Zwiesel erstmals exakt beschrieben. Es umfasste in etwa die heutigen Gemeinden Zwiesel, Lindberg und Frauenau sowie Regenhütte.

Auch nach dem Aussterben der Degenberger waren die drei Kaichen (Gefängniszellen) in der Zwieseler Fronfeste ständig überfüllt, worüber sich der Landrichter am 27. Oktober 1656 beim Kurfürsten beschwerte. Auf der Rückseite des Gebäudes befand sich ein dicker gemauerter zweistöckiger Turm, der Reckturm genannt, in dem den Verhafteten bei der peinlichen Befragung die Gelenke ausgereckt wurden. Der untere Teil des Turmes diente als Gefängnis.

1670 wurde ein Zwieseler Bürger wegen Ehebruch nach vierwöchentlichem Gefängnis an den Pranger gestellt.

1675 wurde das Hochgericht auf dem Galgenhügel modernisiert. Es bestand nun aus zwei gemauerten Säulen mit einem starken Querholz. Vermutlich stand es auf einem kleinen gemauerten Podest, dessen Reste erst im 19. Jahrhundert beseitigt wurden. Noch im selben Jahr wurde hier Hans Eckhenrieder, Baumann im Schloss Weißenstein, wegen Korndiebstahl nach vorausgehender Tortur vom Straubinger Scharfrichter hingerichtet. Seine Gebeine fielen im August 1683 vom Galgen. Die Beerdigung besorgte Scharfrichter Jakob Deibler, da nur der Scharfrichter die Gebeine von Gerichteten bestatten durfte.

Am 6. März 1682 wurde der Innmann Jakob Roßberger von Flanitz wegen Diebstahls eines Pferdes nach 55tägiger Einsperrung und Tortur an den Pranger gestellt und durch Scharfrichter Deibler mit Ruten aus dem Lande gepeitscht.

1684 versuchte der Rinchnacher Propst Anselm Guggemos vergeblich, die Rückgabe des Zwieseler Gebietes an das Kloster zu bewirken.

Während des Spanischen Erbfolgekrieges unterstand das Landgericht von 1705 bis 1715 der österreichischen Herrschaft. 1714 wurden zweimal mehrere Zigeunerinnen, die zu einer Gruppe von Plünderern gehörten, an den Pranger gestellt. Nach dem Einbrennen eines etwa 10 Zentimeter großen „B“s (Bayern) auf den nackten Rücken wurden sie auf ewig des Landes verwiesen.

Am 10. Mai 1726 wurde der Bauernsohn Georg Sigl aus Griesbach bei Zwiesel wegen Mordes von Scharfrichter Matthias Pfleger mit dem Schwert hingerichtet. Am 25. Oktober 1745 wurde Hans Kappl, Halbbauer aus Schöneck, wegen Straßenraub durch Scharfrichter Johann Michael Köber mit dem Schwert hingerichtet.

Ende des Landgerichtes

Im Jahr 1800 wurde der Gerichtsschreiber in Zwiesel selbstständiger Landrichter, nachdem seine Zuständigkeit zum Pfleggericht Weißenstein nach der Aufhebung des Pflegeamtes Weißenstein weggefallen war.

Am 24. März 1802 und endgültig am 17. September 1803 wurden bei der Neuorganisation der bayerischen Gerichtssprengel die Landgerichte Regen und Zwiesel sowie das Pfleggericht Weißenstein in einem vergrößerten Landgericht Regen vereinigt. Der bisherige Landrichter zu Zwiesel, Kajetan Wagner, wurde in den Ruhestand versetzt. Das neue Landgericht Regen war aber nur noch für die Gerichts- und Verwaltungsangelegenheiten zuständig, während für die Finanzangelegenheiten des Gerichtsbezirkes 1799 in Regen ein Rentamt geschaffen wurde. Mit Entschließung vom 2. Oktober 1803 wurde bestimmt, dass das Rentamt seinen Sitz in Zwiesel haben solle. Damit war die bis heute bestehende Aufteilung der Amtssitze erfolgt. Das alte, noch vom Landgericht herrührende Gebäude wurde 1903 abgebrochen und das jetzige Bauwerk errichtet. Dabei wurden eine Reihe unterirdischer Gelasse aufgedeckt und im Zuge des Baues eingeebnet. Das Rentamt Zwiesel wurde 1919 in Finanzamt umbenannt.

Ein letzter Versuch

Dennoch ersuchte der Marktgemeinderat die bayerische Regierung, in Zwiesel wieder ein Landgericht zu errichten. Das Rathaus sollte unentgeltlich als Landgerichtsgebäude zur Verfügung gestellt und das Komonbräuhaus angekauft und zur Fronfeste und Amtsdienerwohnung ausgebaut werden. Später wollte der Markt auf eigene Kosten an der Straße nach Theresienthal ein neues Landgerichtsgebäude und ein Gefängnis erbauen.

Am 22. Juni 1869 erschien der bayerische Justizminister von Lutz in Begleitung von Ministerialrat Feustle und Oberbaurat Voith in Zwiesel, um das Rathaus und das Komonbräuhaus zu besichtigen. Bei dieser Gelegenheit wurden aber auch verschiedene Deputationen aus benachbarten Orten beim Minister vorstellig. Am Schluss erklärte Minister von Lutz: „Der heilige Krispinus nahm den reichen Leuten das Leder und machte den Armen Schuhe daraus. Im Falle des Landgerichtes Zwiesel könnte es aber umgekehrt werden, da der Markt ohnedies eine aufblühende Industrie hat, was bei anderen Orten nicht der Fall sei.“

Eine spätere Mitteilung des Ministeriums bestätigte die Ablehnung des Gesuches.

Literatur

  • Manfred Burkhardt: Regen: Landgerichte Zwiesel und Regen, Pfleggericht Weißenstein. (= Historischer Atlas von Bayern, Teil Altbayern, Reihe I, Band XXIV). Bayerische Akademie der Wissenschaften, Kommission für Bayerische Landesgeschichte (Hrsg.), München 1975, ISBN 3 7696 9895 9, (Digitalisat).
  • Josef Schaller: Chronik Zwiesel und Umgebung, Verlag A. Maier, Zwiesel, 1993.

Weblinks

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Diesem Artikel wurde am 25. Oktober 2011 das Prädikat „Ausgezeichneter Artikel“ verliehen.