Marterl

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Marterl bei einem Bauernhof im Unteren Bayerischen Wald, um 1910 (Bildarchiv Martin Ortmeier)

Ein Marterl ist ein zumeist religiöses Kleindenkmal in der Flur. Zu unterscheiden sind (kleine) Feldkreuze (Flurkreuze) und Bildstöcke. Im engeren Sinn geht es um die Darstellung einer profanen Marter oder eines christlichen Martyriums. Auch (nichtpolitische) Gedenksteine (Denkmäler) und Votivtafeln in der Flur werden als Marterln bezeichnet.

Beschreibung

Weg- und Straßenränder, vor allem Kreuzungen sind bevorzugter Platz von Marterln. Der Ort eines Unfallgeschehens oder einer Kriminaltat kann die Platzierung veranlasst haben.
Traditionell schlägt der Passant das Kreuzzeichen, Männer lüften die Kopfbedeckung. Marterln können auch Anlass für eine kurze Rast (Besinnung), verbunden mit einem Gebet, sein[1]. Ein Marterl wendet sich an die Öffentlichkeit.

Feldkreuze sind häufig aus Stahl (individuell aus Schmiedeeisen oder seriell aus Gusseisen), gelegentlich aus Holz, sie sind auf Steinsockel montiert. Wenn den Corpus Christi ein Holzkreuz trägt, ist dieses zumeist mit einem Dach versehen.
Viele Kreuze wurden in der Folge von Grabauflösungen oder -erneuerungen aus Friedhöfen in die Flur versetzt.
Bildstöcke sind aufragende behauene Stein- oder Holzkörper, auch vereinzelt aufragende „gewachsene“ Felspartien, die in einer flacheren oder tieferen Nische bildliche Darstellungen in Malerei, Relief oder vollplastisch und Inschriften (Jahreszahl, INRI, Stiftername und Stiftungsanlass usw.) tragen.

Ephemere Kreuze und Inschrifttafeln an Straßenrändern und -böschungen, die an bei einem Verkehrsunfall zu Tode Gekommene am Ort des Ereignisses erinnern, führen die Tradition des Marterls fort. Das traditionelle Verhalten der Rast und Besinnung des Passanten ist jedoch obsolet geworden. Die Aufstellung ist gewöhnlich befristet, da die Zeugnisse im Verkehrsumfeld nach einer angemessenen Frist von den Straßendiensten entfernt werden.

Name

Denkmal bei Passau-Hals am Ort der Tat für die 1944 ermordete Hildegard Baumann (Foto: Martin Ortmeier 2022)
Marterl beim Bockhof auf der Ries in Passau (Foto: Martin Ortmeier 2022)

Das Wort Marterl ist (bairisch) Diminutiv von Marter. Das Wort ist eine althochdeutsche Entlehnung des kirchenlateinischen Wortes martyrium, das für Zeuge (des christlichen Glaubens) durch Leid oder Tod („Blutzeuge“) steht. Marter meint sowohl passiv das Erleiden als auch aktiv die Tat. Der Plural von Marterl ist Marterln[2].

Große Gipfel- oder Wegkreuze, zudem politische Gedenksteine, St. Nepomuk-, Muttergottes- oder andere religiöse Figuren bleiben außen vor.
Ein Feldkreuz (Flurkreuz) ist – strenggenommen – nur dann ein Marterl, wenn es den Körper des gekreuzigten Christus trägt. Darstellungen von Heiligen-Martyrien oder „Christus in der Ruh“, außerdem Gemälde (auf Blech oder Holz) von Unfällen oder Moritaten sind Gegenstand von Bildstöcken.

Die Begriffe Marterl und Feldkreuz werden in der Praxis häufig gleichbedeutend verwendet[3]. Gelegentlich wird dargelegt, religiöse Klein- und Flurdenkmäler würden „im Volksmund“ allgemein als Marterln bezeichnet[4].

Quellen

  • Bayerisch-Österreichisches Wörterbuch. II. Bayern. Bayerisches Wörterbuch (BWB). Herausgegeben von der Kommission für Mundartforschung, München (R. Oldenbourg) 1995-2002, ISBN 3-486-56629-6 ([1]), Sp. 1173, ein Beleg aus der Literatur: „A stoi'alts Marterl... As schaut scho’ bal’ zun Daboarma as SCHWÄGERL Dalust 26“

Literatur

  • Karl Schaefler: Denkmäler gläubigen Volkssinns aus alter und neuer Zeit. Die Feldkapellen, Feldkreuze und Marterl in der näheren und weiteren Umgebung von Simbach a. I. nach Geschichte und Sage, Bd.1. Kirchberg am Inn 1937 (= Beitrag zur Pflege von Heimat und Volkstum’', Bd. 5)
  • Werner Sturm: Kapellen, Marterl, Flurdenkmäler. Bad Abbach (Heimatverein) 1984
  • Paul Werner: Vom Marterl bis zum Gipfelkreuz. Flurdenkmale in Oberbayern. Berchtesgaden (Plenk) 1991, ISBN 3922590624
  • Martin Ortmeier: Katalog der Flurdenkmale in Finsterau. In: Martin Ortmeier und Susanne Preußler. Steinreich ... Granit im Bayerischen Wald (= Ausstellungskatalog des Freilichtmuseums Finsterau). Landshut 1986, S 62–78
  • Renate Atzinger: Wanderungen zu den Feldkreuzen und Marterl in Sankt Oswald, Riedlhütte und Spiegelau. Riedlhütte (Heimatverein d'Ohetaler Riedlhütte e.V.) 1994
  • Iris Brücklmeier: Kapellen, Marterl und Wegkreuze in der Gemeinde Arnstorf. Passau 1994
  • Gabriel Kreuzer: Ein Ruheplatz am Wegrand. Kapellen, Wegkreuze, Marterl im Pfarrverband Velden/Vils. o.O. (Velden) 1998
  • Richard Stieglbauer: Kleindenkmäler in der Marktgemeinde Triftern. Marterl, Kreuze und Kapellen – Zeichen des Glaubens der Bevölkerung. o.O. (Triftern) 2003
  • Ludwig Gschneidner: Feldkreuze, Bildstöcke und Kapellen in der Gemeinde Wittibreut. Wittibreut (Heimat- und Trachtenverein Altbachtaler) o.J. (2004)
  • Walpurga Oppeker, Hans Georg Mössner, Franz Stürmer: Leitfaden zur Klein- und Flurdenkmaldatenbank für Niederösterreich und Salzburg (Version 2/2012)
  • Rainer A. Roth: Marterl und Kreuze rund um Jägerwirth. Fürstenzeller Kapellen- und Marterl-Wege. Fürstenzell, o.J. (2013)

Weblinks

Anmerkungen

  1. Der Gedenkstein für die am 31. März 1944 an der Grafenleite in Passau-Hals ermordete Hildegard Baumann trägt u.a. die zwischenzeitlich schwer zu entziffernde Inschrift „Man bittet um ein stilles Gebet“.
  2. Zum Plural von Marterl siehe Helmut Krajicek: Die Ausseer Tracht, in: Österreichische Zeitschrift für Volkskunde (hgg. vom Verein für Volkskunde in Wien), Neue Serie Band XXXIII, Gesamtserie Band 82, Wien 1979, S. 45: „Auch die Marterln, die in der Umgebung von Aussee noch in großer Zahl anzutreffen sind, kommen als Bilddokumente (für die Trachtenforschung) nur beschränkt in Frage“.
  3. Im Bistumsblatt Nr. 40 vom 2. Oktober 2022, S. 3 heißt es unter der Überschrift „Rettung für ein zerstörtes Marterl“: „Ein Weg- und Flurkreuz in idyllischer Lage, die Bank daneben lädt zur Rast und stillem Gebet.“
  4. Zeichen unserer Kulturlandschaft (Niederösterreich): “Kleindenkmäler, im Volksmund oft als "Marterl" bezeichnet, sind ein Teil unserer Landschaft, ein Teil unserer Kultur und Identität.“