Marxensölde (Massing)

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Die Marxensölde in Seemannshausen im Jahr 1942 (Foto: Theodor Heck)
Die Marxensölde im Freilichtmuseum Massing im Jahr 2019 (Foto: Martin Ortmeier)

Die Marxensölde ist ein vermutlich 1812 erbauter Einfirsthof aus Seemannshausen bei Gangkofen. Er wurde [[1983] abgetragen und 19851986 im Freilichtmuseum Massing wiedererrichtet. Dem Ensemble sind die Seilerei Eder aus Pfarrkirchen und ein Backofen aus Malling bei Massing zugeordnet.

Beschreibung

Die Marxensölde repräsentiert im Freilichtmuseum Massing den Haustyp Mittertennhaus.

Als sich mit der Einführung der ganzjährigen Stallhaltung um 1800 die bäuerliche Arbeit wesentlich verdichtete, wurde auch bei den Kleinbauernanwesen nach Raumstrukturen geforscht, die effizienteres Arbeiten und dennoch eine stärkere Trennung von Wohnen und Viehhaltung ermöglichten.[1] Das Mittertennhaus, bei dem sich die befahrbare Stadeltenne zwischen Wohnteil und Stallungen unter einem gemeinsamen Dach befindet, hat sich bewährt, sodass landwirtschaftliche Anwesen dieser Art im 19. Jahrhundert in großer Zahl neu errichtet wurden. Die Liberalisierung des bäuerlichen Eigentums-, Betriebs- und Erbrechts, außerdem die Verteilung der Allmenden bewirkte zudem, dass mehr Kleinbauernanwesen entstanden.

Das Gefüge

Blankziegelmauerwerk im Erdgeschoss (Foto: Martin Ortmeier)

Dass im Jahr 1812 ein Kleinbauer einen Blankziegelbau errichtet, ist verwunderlich. Aber es deuten keine Befunde darauf hin, dass das Erdgeschoss der Marxensölde erst nachträglich gemauert worden wäre.[2] Das Obergeschoss ist in Blockbau errichtet. Das Dach ruht auf kräftigen Pfetten, es ragt am Ortgang und an den Traufen weit vor. Es wurde vermutlich 1885 steiler gemacht und von Legschindeln auf Falzziegel umgedeckt.

Vor dem Obergeschoss verläuft ein Schrot, dessen Brüstung seit 1885 mit dekorativ gesägten Brettern ausgefacht ist. Auf den Schrot führt von der Diele des Obergeschosses eine Türe.

Der Stall ist gemauert. Abweichend vom gewählten Darstellungszeitraum 1892 wurde er in der erst später erweiterten Form im Museum rekonstruiert.

Die Raumanordnung

Der Schrot von 1885 (Foto: Martin Ortmeier)

Die Marxensölde ist traufseitig erschlossen, vor Haustüre und Stube verläuft eine Gred, welche der darüber verlaufende Schrot beschattet und vor Regen schützt. Den Wohnteil erschließt parallel zur Tenne eine Fletz, die jedoch nicht bis zur rückwärtigen Seite des Hauses durchläuft. Türen führen von der Fletz auf die Tenne und in die Stube, eine einläufige Treppe auf die Diele des Obergeschosses. Dort sind eine große lichte Schlafkammer über der Stube und eine weitere kleinere Schlafkammer und ein Kämmerchen eingerichtet.

Im Stall sind für das Großvieh Futter- und Mistgang getrennt, in der traufseitigen Raumerweiterung befinden sich zwei Schweinekoben. Die Rekonstruktion führte Bauteile von verschiedenen Anwesen zusammen. Tränkwasser für das Vieh kann vom Brunnen direkt zu einem Grand im Stall gepumpt werden. Ein Abwurfschacht für Gsod (Stroh-Heu-Häcksel zur Fütterung) verbindet den Heuboden, wo eine Häckselmaschine aufgestellt ist, mit dem Futtergang.[3]

Die Datierungen

Handgeschlagener Ziegel mit Akkordmarken und eingeritzter Jahreszahl 1795 (Foto: Martin Ortmeier)

An der Marxensölde finden sich inschriftlich drei Daten: 1795 an zwei Ziegeln (eingeritzt und gebrannt, nebst Akkordmarken), 1812 über der Schrottüre und 1885 in den Brüstungsbrettern des Schrots. Die Datierung in den Ziegeln ist vermutlich unabhängig von einem Baugeschehen auf der Marxensölde, das Datum 1812 verweist auf die Neuerrichtung dieses Mittertennhauses. 1885 hat der kurzfristige (1982–1885) Eigentümer der Sölde Bartlmä (Bartholomäus) Maier das Haus umgebaut und instandgesetzt. In die Schrotbretter hat er das bayerische Wappen, die Jahreszahl und seine Initialen B und M gesägt.

Das Ensemble

Zur Marxensölde gehören ein Hausgarten im Süden des Anwesens (näher an der Straße neu angelegt 2019 mit einem Zugang über die Gred), ein Pumpbrunnen, ein Klohäusl über einer Odelgrube, eine Obstwiese und ein gemauerter Backofen. Der Backofen wurde im Ganzen aus Malling übertragen, wo er einem Neubau weichen musste. Gepflanzt wurden vier Kastanienbäume entlang der „Dorfstraße“, ein Walnussbaum als „Hausbaum“, eine alte Traubensorte an der Südfassade, einige Obstbäume und (als zukünftige Mitte des geplanten Weilers) eine Linde.

Zu einer Sölde gehört ein Haupterwerb des Eigentümers, denn von der Ausstattung mit landwirtschaftlichen Flächen konnte eine Familie nicht leben. Bei der Marxensölde bot sich erst viele Jahre nach ihrer Translozierung ein geeignetes Gewerbe an: eine Seilerei mit einer einfachen Seilerhütte.

Eine Sölde steht gewöhnlich im Dorfverband. So sollte sich das Umfeld der Marxensölde im Museum entwickeln. Geplant waren eine Wagnerei, eine Schmiede, eine Hafnerei und – nach Möglichkeit – ein Kramerladen. Erst mit dem Wiederaufbau der Görgenmannsölde (Hausname „Beim Girgnma“) ab 2018 kam dieser Plan wieder zur Wirkung.[4]

Geschichte

Der Sesselofen in der Austragskammer (Foto: Martin Ortmeier)
Papiertapete und bemaltes Himmelbett waren 1892 altmodisch, passend für die Austragskammer. (Foto: Martin Ortmeier)

Der 1812 erbaute Einfirsthof Namens Straußen- oder Marxensölde wurde 1885 instandgesetzt und wesentlich umgebaut. 1983 bis 1986 wurde das gesamte Gebäude vor Ort dokumentiert und in das Freilichtmuseum Massing übertragen.[5] Die Marxensölde wurde in Seemannshausen ohne Ausstattung erworben.

Für das Ausstattungskonzept ging der Museumleiter 1985 von der Situation aus, die 1892 bestand: „Michael und Maria Feuchtgruber erwerben die Marxensölde für ihre Tochter Anna und ihren Bräutigam Anton Zumüller und gehen in den Austrag. Sie behalten sich die größere der Kammern im Obergeschoss vor: auf ihre Lebensdauer: die freie Wohnung in einem beheizbaren Zimmer des übergebenen Hauses“[6]

Der Museumleiter hat eine Darstellung um 1892 rekonstruiert. Beachtenswert sind die Feuerstätten: ein für die Darstellungszeit altartiger Stubenkachelofen schwerer Bauart und eine offene Herdstelle in der Küche, rekonstruiert mit Rücksicht auf die Wand- und Bodenbefunde, außerdem ein Sesselofen leichter Bauart in der Austragskammer.[7] Das heizbare Austragszimmer bekam bemalte Möbel, u.a. ein einteiliges Bett mit Himmel, die Schlafkammer der Bauerseheleute ein damals modernes maseriertes, aber noch "zwieschläfriges" Bett.

Bis 1984 war allgemeine Praxis, Holzbauteile mit großen Mengen chemischer Holzschutzmittel zu behandeln. Mit der Marxensölde wurde 1984 im Freilichtmuseum Massing der Weg zum baulichen (physikalischen) Bautenschutz eingeschlagen. Die didaktische Erschließung geschah 1986 sehr zurückhaltend, im Vertrauen auf zureichendes Vorwissen der Besucher. Eine Revision und zugleich Verdichtung der Ausstattung nach Finsterauer Vorbild (Sachl) sollte 2019 der wissenschaftliche Mitarbeiter leisten.[8]

Literatur

  • Rudolf Hoferer: Der Mittertennbau in Südostdeutschland. In: Bayerische Hefte für Volkskunde 13, Heft 5/6, 1940, S. 70–75
  • Otto Schweiger: Das Mittertennhaus von Amelgering. In: Heimat an Rott und Inn, 1968, S. 125–127
  • Martin Ortmeier: Die Marxen- oder Straußensölde. Ein Mittertennhaus im Freilichtmuseum Massing. In: Charivari, Nr. 6, September 1986, S. 49-55
  • Martin Ortmeier: Glump und Gloria. Die Rekonstruktion eines niederbayerischen Kleinbauernhauses. In: Ostbairische Grenzmarken. Passauer Jahrbuch für Geschichte, Kunst und Volkskunde, Bd. 29, Passau 1987, S. 134-150
  • Martin Ortmeier: Die Marxensölde. In: Georg Baumgartner, Kunstführer Landkreis Rottal-Inn, Pfarrkirchen 1988, S.132-133
  • Martin Ortmeier: Freilichtmuseum Massing – Bauernhäuser und ihre Geschichte. Passau 1995, S. 46–53
  • Martin Ortmeier: Die Sache mit den „Itakerhöfen“. In: Martin Ortmeier (Hg.): Per Handschlag – Die Kunst der Ziegler. Passau 1995 (Verlag Passavia Passau, ISBN 3-87616-192-4, vergriffen), S. 18-37

Weblinks

Anmerkungen

  1. Vgl. August Voit: Handbuch der landwirtschaftlichen Baukunst. Erster Theil. Von der Einrichtung und Anordnung der Ställe, Scheuern und Wohnungen überhaupt, dann über zusammengesetzte landwirtschaftliche Gebäude, Bauernhöfe (…) und andere Bauwerke. München 1817
  2. Es kann sein, dass mit der säkularisationsbedingten Auflösung des Klosters Seemannshausen, dem die Kleinbauern im Dorf zugehörig waren, Ziegelvorräte verfügbar wurden.
  3. S. Martin Ortmeier: Glump und Gloria. Die Rekonstruktion eines niederbayerischen Kleinbauernhauses, a.a.O., S. 143-144
  4. Die Finanzausstattung des Freilichtmuseums insbesondere für Baumaßnahmen, die personellen Ressourcen für Dokumentation und wissenschaftliche Hauskunde und die politische Initiative waren über sehr lange Zeit heimatpflegerisch und wirtschaftlich nicht zweckgemäß und nicht zukunftsorientiert. Die Fläche östlich der Marxensölde ist nicht im Eigentum des Museumsträgers, nur die südlich anschließenden Grundstücke konnten in den 1990er Jahren erworben werden.
  5. Das Freilichtmuseum Massing verfügte zu der Zeit über keine eigenen, im historischen Bauen geschulten Fachhandwerker, deshalb konnte der Museumsleiter (1982–1983) Dr. Georg Baumgartner nur in der Dokumentation, jedoch nicht bei der Abtragung und der Einlagerung der Bauteile zureichende Qualität erzielen.
  6. Zitiert aus dem Übergabevertrag vom 28. März 1892; Hauptstaatsarchiv München
  7. Vgl. Martin Ortmeier: Ofen und Herd in Niederbayern. Spurenlese. In: Martin Ortmeier und Walter Wandling, Keramik in Niederbayern. Landshut, S. 24-40
  8. In der Versammlung des Museumsträgers am 27. November 2018 sollte eine freigewordene Stelle qualifiziert neu besetzt werden. Dies scheiterte am Widerspruch des Landrats von Rottal-Inn, Michael Fahmüller (s. Protokoll des öffentlichen Teils der Sitzung).