Paul Friedl-Haus

Aus RegioWiki Niederbayern
Wechseln zu: Navigation, Suche
Das Paul Friedl-Haus am 9. Mai 2017 in Spiegelau (Foto: Martin Ortmeier)
Die Stube im Paul Friedl-Haus am 25. April 2018 in Spiegelau (Foto: Martin Ortmeier)

Das sogenannte Paul Friedl-Haus in Spiegelau war ursprünglich das Haupthaus eines landwirtschaftlichen Anwesens im Weiler Pronfelden. Bis zu seiner Abtragung im Jahr 2019 war das größtenteils in Blockbau errichtete zweigeschossige Bauwerk auf der amtlichen Denkmalliste geführt.

Bemerkenswert ist sein Walmdach und das den First überragende Glockentürmchen, außerdem der Fassadenschutz aus Tausenden von Schindeln. Der Bayerwald-Heimatdichter Paul Friedl wurde 1902 dort geboren und hat einige Jahre seiner Kindheit darin verbracht. Die Holzbauteile des Hauses sind seit 2019 witterungsgeschützt im Freilichtmuseum Finsterau für einen Wiederaufbau eingelagert.

Beschreibung

Das Paul Friedl-Haus ist zweigeschossig in Blockbau errichtet, die Fassaden sind mit Scharschindeln verschlagen. Zum Zeitpunkt der Abtragung 2019 war das Haus bereits Fragment, ein westlicher Anbau hatte landwirtschaftlichen Zwecken gedient. Die Erschließung ist an der südlichen Längsseite. Aus der Zeit der Nutzung als Straßenwirtshaus ist nur die Stube erhalten geblieben, aber auch sie diente zuletzt als Werkstatt und Rumpelkammer. Nach 1945 wurden mehrere Wohnungen eingerichtet. Die Räume werden im Erdgeschoss durch eine kurze Fletz erschlossen, aus der zudem eine einläufige Treppe in die Diele des Obergeschosses führt. Die fünf östlichen (straßenseitigen) Räume des Obergeschosses erschließt ein Längsflur. Zum Dachgeschoss führt eine mit Brettern eingehauste Stiege. Der Dachstuhl ist stützenfrei, er ruht umlaufend auf einem Schwellenkranz. Ein Glockentürmchen erhebt sich über den Dachfirst.

Für den Wiederaufbau liegt seit 2019 ein genehmigter Bauplan[1] vor, der die Rekonstruktion der alten Wirtsstube, die Einrichtung eines Veranstaltungssaals im Obergeschoss und einen zeitgemäßen Anbau mit Sanitäreinrichtungen, brandsicherer Treppe und bedingter Behindertengerechtigkeit vorsieht. Im Erdgeschoss sind zwei Räume für eine Paul Friedl-Gedenkausstellung vorgesehen. Der moderne Zweckanbau schließt dort an den historischen Blockbau an, wo sich der abgegangene Wirtschaftsteil befand.

Weil das fragmentarisch erhaltene Bauwerk nicht den ICOM-gemäßen ganzheitlichen Anforderungen des Freilichtmuseums genügen kann, soll es von den Museumshöfen abgesetzt platziert werden. Zu diesem Zweck ließ der Museumsleiter bereits 2016 eine nach Westen geneigte, an den Bestand angrenzende Fläche roden. Dort kann sich das Paul Friedl-Haus mit weitem Fernblick nach Süden und Westen präsentieren. Im Oktober 2021 war, mit eineinhalb Jahren Verzögerung, Beginn des Wiederaufbaus. Realisiert wird das Paul Friedl-Haus ohne den Funktionsanbau für eine eingeschränkte Nutzung. [2] Verloren geht der vom Museumsleiter[3] 2019 angestrebte visionäre westliche Anbau (wo ursprünglich die landwirtschaftlichen Nebengebäude angeschlossen hatten), der einen freien Ausblick nach Westen und Süden eröffnet und das Obergeschoss brandschutzgerecht erschlossen hätte.

Geschichte

Im Sommer 2019 wurde das Paul Friedl-Haus vom Bauhof des Freilichtmuseums Finsterau abgetragen. (Foto: Josef Lang)

Bei der Landes-Uraufnahme im Jahr 1829 war der Blockbau des später nach Paul Friedl benannten Hauses bereits Bestand. Befunde im Blockbau deuten darauf hin, dass das Haus ursprünglich kein ausgebautes Obergeschoss, sondern allenfalls einen Kniestock über dem Erdgeschoss besaß. Vermutlich mit dem Aufsetzen eines Blockbauobergeschosses nach 1850 wurde auch das eigentümliche Walmdach mit dem Glockenturm errichtet. Das Haus diente zu dieser Zeit am Ortseingang des durch die Glasindustrie aufstrebenden Spiegelau als Wirtshaus für Glasmacher, Fuhrleute, Holzhauer und Forstbedienstete.

Zu dem erhaltenen Wohnhaus gehörten mehrere land- und gastwirtschaftliche Nebengebäude. Zwischen 1872 und 1883 wurde mitten durch das Ensemble eine neue Straße gebaut, die jetzige Staatsstraße St 2132. Deren Fahrbahn wurde 1961 und 1972 höhergelegt und verbreitert, zu diesem Zweck wurde unmittelbar vor der Westseite des Hauses eine mannshohe Mauer gebaut. Die Einwirkungen des Straßenverkehrs beschleunigten den Verfall des Hauses und verhinderten eine angemessene Instandsetzung und neue Nutzung vor Ort.

Im den frühen 1990er Jahren haben der Heimatpfleger Karl-Hainz Paulus und der Lehrer und Dichter Karl-Heinz Reimeier erstmals dafür geworben, das leerstehende Haus in die öffentliche Hand zu überführen und für die Pflege der Regionalliteratur zu nutzen. Von da an war von einem Paul Friedl-Haus die Rede. Der Leiter des Freilichtmuseums Finsterau wurde angefragt, ob das Haus als Außenstelle des Museums betrieben werden könne. Es fand sich keine politische Befürwortung des kommunalen Museumsträgers. 2014 schien es noch einmal, als wollte sich die Kommunalpolitik für eine Erhalt in Spiegelau einsetzen. „Der regionale Kulturverein, der sich zwanzig Jahre vergeblich um dessen Erhalt und Wiederbelebung gesorgt hatte, (wollte) die Bemühungen hoffnungsvoll und aufmerksam begleiten.“[4]

Es war Bezirksrat Max Brandl, der mit großer Geduld immer wieder auf das Haus und seine Gefährdung aufmerksam machte. Auch in der Verbandsversammlung des Zweckverbands Niederbayerische Freilichtmuseen, der er als Verbandsrat angehörte, hat er mehrmals eindringlich eine Bewahrung angemahnt. Am 19. Juli 2017 erklärte sich der Trägerzweckverband des Museums schließlich zur Bergung bereit und beauftragte die Museumsleitung, ein Wiederaufbaukonzept zu erstellen[5]. Das Landesamt für Denkmalpflege verweigerte jedoch seine Zustimmung zu einer Translozierung.

2018 hat der Museumsleiter des Freilichtmuseums das Landratsamt schriftlich darauf hingewiesen, dass das schadhafte Dach im Winter unter Schneelast zu der nahen Straße hin abscheren und dort gefährden könne. Nun erfolgte die behördliche Genehmigung der Abtragung unter Auflage eines zeitnahen Wiederaufbaus im Freilichtmuseum Finsterau. Noch vor Wintereinbruch hat der Museumsbauhof das Dach gesichert, 2019 wurde das Bauwerk dokumentiert[6], abgetragen und im Museum nahe dem geplanten Aufbauort witterungsfest eingelagert.

Die Museumsleitung hat für Dokumentation und Abtragung des Paul Friedl-Hauses Förderung von Seiten der Stiftung der Passauer Neuen Presse, der Bayerischen Sparkassenstiftung und der Sparkasse Freyung-Grafenau eingeworben. Das erklärte Ziel, im Paul Friedl-Haus in Verwaltung durch das Freilichtmuseum Finsterau ein Literaturhaus Bayerischer Wald-Böhmerwald zu schaffen, wurde als förderwürdig anerkannt. Karl-Heinz Reimeier hat bereits 2018 die Gründung eines Fördervereins herbeigeführt, der den Betrieb des Paul Friedl-Hauses als Literaturhaus unterstützen soll.

Quellen

Flur für den Wiederaufbau des Paul Friedl-Hauses im Freilichtmuseums Finsterau (Foto: Martin Ortmeier 2019)
Der Baugrund mit Ausblick nach Westen auf Hirschkopf und Steinfleckberg wurde 2016 für das Paul Friedl-Haus gerodet. (Foto 2017 mit Phantomgerüst des Funktionsanbaus: Martin Ortmeier)
  • Im Freilichtmuseum Finsterau liegt ein umfangreicher Aktenbestand unter dem Zeichen F 7.2.18 vor.
  • Die aufeinanderfolgenden Flurkarten des Weilers Pronfelden bei Spiegelau verwahrt das bayerische Landesamt für Digitalisierung, Breitband und Vermessung.
  • Eva Maria Fuchs, Passauer Neuen Presse – Stiftung der Passauer Neuen Presse, 26.08.2017, S. 7: Das Paul-Friedl-Haus zieht ins Museum. Gebäude wird als Literaturhaus im Freilichtmuseum Finsterau wiederaufgebaut – Stiftung fördert mit 30 000 Euro
  • Vermerke zum Stand der Gefährdung bzw. Sicherung des Paul Friedl-Hauses finden sich 2015 und 2018 in den Passauer Kunst Blättern: Passauer Kunst Blätter, Nr. 55 (2015), S. 8–9 und Passauer Kunst Blätter, Nr. 61 (2018), S. 4–5
  • BR: Rettung im letzten Moment: Das Bayerwaldhaus wird versetzt. Schwaben & Altbayern“: [1]
  • Passauer Neuen Presse – Lokales – Freyung-Grafenau, 30.08.2018: Spiegelau. Das blieb vom Paul-Friedl-Haus: [2]

Anmerkungen

  1. Nach Auskunft des Landesamts für Denkmalpflege vom 21. April 2021 wurde die Genehmigung zur Beseitigung des Denkmals in Spiegelau unter der Auflage des zügigen Wiederaufbaus im Freilichtmuseum Finsterau auf der gemeinsam mit Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier begangenen Fläche im Westen des bestehenden Museumsensembles erteilt, der Wiederaufbau mit Ergänzung durch einen Funktionsbau („Rekonstruktion des Paul Friedl-Hauses mit Errichtung eines Erweiterungsgebäudes“) wurde vom Landratsamt mit Datum vom 27. Mai 2019 genehmigt.
  2. (Pressemitteilung des Bezirks Niederbayern vom 27.07.2021: "Paul Friedl-Projekt schreitet voran (...) Die Genehmigungsfähigkeit der vorgenommenen planerischen Änderungen gegenüber dem bisher genehmigten Stand wurde zwischenzeitlich mit dem (...) Landratsamt in Freyung-Grafenau abgestimmt".)
  3. Museumsleiter war bis Ende 2019 der Hausforscher Dr. Martin Ortmeier
  4. Passauer Kunst Blätter 1-2015, S. 8–9; erschienen am 21. Nov. 2014
  5. Eva Maria Fuchs, Passauer Neuen Presse, 26.08.2017, S. 7: “‘Es ist uns ein Anliegen, das Paul Friedl-Haus zu einer lebendigen Begegnungsstätte mit seinen Texten und seiner Musik zu machen‘, erklärt Museumsleiter Dr. Martin Ortmeier und nennt u.a. einige Ideen, die im neuen Literaturhaus neben der Archivierung des Werks von Paul Friedl verwirklicht werden sollen: Lese- und Hörstationen (…)“
  6. Für eine vollwertige hauskundliche verformungsgerechte Bauaufnahme wurden jedoch keine Haushaltsmittel bereitgestellt.