Radabweiser

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Der „Ewige Hochzeiter“ und die „Stoanerne Gretl“. (Foto: Steiml)

Die Radabweiser sind ein Wahrzeichen von Waldkirchen. Sie befinden sich direkt am Marktplatz der Bayerwaldstadt.

Geschichte

Die Familie der Radabweisersteine am Stadtplatz von Waldkirchen, Landkreis Freyung-Grafenau, ist heute das interessanteste und wichtigste Foto-Motiv für Urlauber. Zunächst waren solche Steine funktionale Hilfen. Als in früheren Jahrhunderten auf dem Marktplatz noch laufend Viehmärkte abgehalten wurden, als sich das Leben in den Geschäften und Wirtshäusern des Marktplatzes und seiner kleinen Seitengassen abspielte, waren zahlreiche Pferdefuhrwerke unterwegs. Um die Hausecken und -wände zu schützen, wurden dort granitene Steinsäulen an die Hausecken gemauert, damit diese die Räder von zu eng um die Kurve fahrenden Fuhrwerken abwiesen und so die Hauswand verschont blieb. Später wurden dann solche Steine umfunktioniert.

Matthias Hausbäck hatte als Steinmetz Mitte des 19. Jahrhunderts die Hochzeiter-Figur geschaffen. Alle anderen Figuren hat der bekannte Waldkirchener Künstler Manfred Werner gefertigt. Initiiert wurde das ganze maßgeblich vom Heimat- und Museumsverein Waldkirchen.

Figuren

Der Ewige Hochzeiter

Steinmetz Matthaus Hausbäck war es in der Mitte des 19. Jahrhunderts, der den Radabweiserstein am Hauseck bei der Zufahrt vom oberen Marktplatz umgestaltete. Er machte aus dem Granitstein eine Figur, bemalte sie mit einer Biedermeiertracht – und es war der Ewige Hochzeiter entstanden. Eine Figur, die auch im Volksmund als „Stoanerner Hans“ bekannt ist. Vermutlich sollte er einen heiratsfähigen Burschen aus der Umgebung darstellen, der unterhalb der Kirche sozusagen auf Brautschau war, da er noch nicht unter der Haube zu sein schien.

Die Stoanerne Gretl

Es dauerte bis 1972, als ein oft von der Bevölkerung geäußerter Wunsch realisiert wurde: „Gebts dem Hans doch eine Hochzeiterin!“ Aus Anlass der Stadterhebung Waldkirchens im Jahr 1972 wurde gegenüber vom Ewigen Hochzeiter die Stoanerne Gretl aufgestellt, am Eck vom Modehaus Garhammer. Und seitdem schauen sie sich über die Straße hinweg in die Augen.

Der Herr Marktrichter

1999 kam am unteren Marktplatz der Herr Marktrichter dazu. Mit dieser Figur wird an den Umstand erinnert, dass einst Waldkirchen als der wichtigste Ort im Passauer Abteiland nicht nur die Marktrechte früh erhalten und eine trutzige Ringmauer um sich herum bekommen hatte, sondern dass ihm die Passauer Fürstbischöfe auch einen eigenen Richter gegeben haben. Die eigene Gerichtsbarkeit – diese geschichtliche Besonderheit wird in Waldkirchen alljährlich mit dem Marktrichtertag dargestellt – und am unteren Marktplatz erinnert der steinene Radabweiser an diese lange Phalanx der Waldkirchener Marktrichter.

Der Gastwirt

Weil Waldkirchen einst als wichtiger Ort am Goldenen Steig genau auf halber Strecke zwischen Passau und Prachatitz lag, konnten hier die Säumer, wie die Spediteure des Mittelalters hießen, übernachten bzw. Rast machen. Ergo brauchte es viele Wirtshäuser. Daran erinnert der Gastwirt, der seit 2000 steinern am Gasthof Lamperstorfer steht – und an den Umstand, dass Waldkirchen nach wie vor recht gastfreundlich ist.

Die Marktfrau

Im Oktober 2008 kam Die Marktfrau hinzu. Es erinnert an ein Original, das Hackinger Marerl, die bis in die 1980er Jahre des vorigen Jahrhunderts hinein mit ihrem Stand ein Treffpunkt zum Obst- und Gemüsekauf und zum Plaudern gewesen ist. Sie schaut jetzt vom Pollner-Eck mitten am Marktplatz hinaus aufs Geschehen.

Der Chirurg

Dank großzügiger Unterstützung durch Max Stadler von der Marien-Apotheke ist es dem Heimat- und Museumsverein 2009 gelungen, die Gruppe der so außergewöhnlichen Steinfiguren am Marktplatz zu vergrößern: Johann Caspar Staudenhöchtl, der erste richtige Chirurg in Waldkirchen, kam ans Apotheken-Eck. Von 1763 bis 1835 hat dieser Mann gelebt, mit dem in Waldkirchen eine neue medizinale Ära begonnen hat. Johann Caspar Staudenhöchtl und sein gleichnamiger Vater verkörpern den Übergang vom mittelalterlichen Baderwesen zur modernen Medizin. Teile des damals verwendeten chirurgischen Gerätes und Portraits von Johann Caspar und seiner Gattin Maria Anna Staudenhöchtl sind im Museum Goldener Steig zu sehen.

Der Säumer

Passend zum Jubiläum 1000 Jahre Goldener Steig kam 2010 die siebte Figur auf den Waldkirchener Marktplatz. Der Säumer kommt in schlichtem Gewand, aber mit viel Ausstrahlung, das schwer beladene Pferd führend, vom Unteren Tor herauf. Damals, als viel Salz von Passau ins salzlose Böhmen transportiert wurde, war ein Säumerzug an der Tagesordnung.

Der Torwächter

Als achte Figur erinnert Der Torwächter seit 2011 an die um 1460 errichtete Ringmauer mit ihren zwei Tortürmen. Sie wurden von eben jenen wichtigen Männern bewacht. Ein Torwächter war Gemeindebediensteter und wurde deshalb von der Bürgerschaft unterhalten. Er öffnete die Tore am Morgen und schloss sie wieder bei Dunkelheit.

Der Kaufmann

Vorbild für die am 7. September 2012 enthüllte Figur Der Kaufmann am früheren Staudt-Haus war Joseph Crusilla. Dieser galz zu seinen Lebzeiten als wichtigster und größter Leinenhändler der Gegend. Crusilla trug nicht nur einen italienisch angehauchten Namen, sondern er führte auch regen Handel – international: 1810 haben seine Geschäfte bis nach Italien geführt.

Der Nachtwächter

Die zehnte und vorerst letzte Figur soll Der Nachtwächter sein. Ob er noch realisiert wird, hängt davon ab, ob der Heimat- und Museumsverein Waldkirchen noch einen Sponsor für das Vorhaben findet.

Galerie

Literatur