Reichsautobahn

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Die Wände der Autobahnbrücke sind mit Granitsteinen verkleidet, die Unterführung nutzt heute ein Landwirt.
Ursprünglich sollte hier die Reichsautobahn verlaufen.

Die Reichsautobahn im Landkreis Deggendorf wurde von Kreisheimatpfleger Florian Jung und dem Deggendorfer Alois Wanninger erforscht. Vor rund 70 Jahren erfolgten die ersten Bauarbeiten für die Reichsautobahn von Nürnberg über Regensburg nach Passau.

Geschichte

Die Direktion der Reichsautobahnen mit Sitz in Berlin wies am 22. Januar 1937 die Oberste Bauleitung in München an, „die Planung für die Strecke Nürnberg-Regensburg-Passau mit allen Kräften zu fördern“. Bereits 1939 wurde zwischen Regensburg und Wörth an der Donau und bei Deggendorf mit Erd- und Brückenbauarbeiten begonnen. Doch die Reichsautobahn 87 von Regensburg bis Passau wurde nie gebaut. 1937 wurde auf dem Papier die Trasse festgelegt, 1938 wurden die ersten Brücken und Wegedurchlässe errichtet. Wegen des 2. Weltkriegs sind die Arbeiten 1940 eingestellt worden.

Die Reichsautobahn, so die damaligen Planungen, sollte nördlich an Deggendorf vorbeiführen. Die Straßenüberführungen an der Ulrichsberger Straße und an der Ruselstraße sind für die Autobahn errichtet worden. Eine weitere Autobahnbrücke steht in einem kleinen Waldstück in der Nähe des Weilers Klessing - von der Staatsstraße 2133 nicht einsehbar.

Abgleichen alter Baupläne. (Foto: Roland Binder)
Bauarbeiten am Mühlbogentunnel. (Bild: Sammlung Florian Jung)

Forschungen

Alois Wanninger stieß vor etlichen Jahren beim Mountainbiken auf das Bauwerk im Wald. Bei Nachforschungen im Familienkreis und in Klessing erfuhr Wanninger, dass es sich um eine Brücke der geplanten Reichsautobahn handelt. Das Interesse des Diplom-Ingenieurs, der Werkleiter der Stadtwerke in Landau a.d. Isar ist, war geweckt. Wanninger machte sich im Internet kundig und stieß dabei auf die Arbeitsgemeinschaft Autobahngeschichte e. V., ein bundesweit organisierter Verein, der die Geschichte des Autobahnbaus regional erforschen will.

Kreisheimatpfleger Florian Jung will einen Beitrag für die „Deggendorfer Geschichtsblätter“ über die Reichsautobahn verfassen. Bei Nachforschungen im Stadtarchiv lernten sich die beiden Autobahn-Forscher kennen und fanden in der Kürze der Zeit einiges heraus.

Sie suchen Zeitzeugen bzw. Kinder von Zeitzeugen, die Details über die Arbeiter auf den Baustellen kennen. Außerdem interessiert die Forscher, wie beim Bau der Autobahn mit den Grundbesitzern umgegangen worden ist. Klärungsbedarf gibt es zudem zu der Tatsache, dass die Autobahntrasse zunächst über Simmling und Klessing, nach dem 2. Weltkrieg aber südlich von Simmling geführt werden sollte. Bei Eichberg sollte die Trasse die Höhenzüge verlassen und ins Donautal führen. Diese Linienführung, so Wanninger, passe genau ins damalige Raster. Der NS-Staat führte seine Fernstraßen so, dass es immer wieder Aussichtspunkte in die Landschaft gab.

Das Baulos 135, das ist der Bereich Deggendorf, sah laut Planungen einen Erdabtrag von 750.000 Kubikmetern und einen Felsabtrag von 50.000 Kubikmetern sowie zahlreiche Kunstbauten vor. Ein Teil dieser Kunstbauten steht heute mitten im Stadtgebiet von Deggendorf]]. An der in den Dreißiger Jahren festgelegten Trassenführung der Reichsautobahn nördlich des damaligen Stadtgebiets wurde aber noch lange festgehalten. Kreisheimatpfleger Jung ist auf einen Briefwechsel zwischen dem Deggendorfer Rathaus und der Nachfolgebehörde der Reichsautobahndirektion aus den Jahren 1947 und 1948 gestoßen. Die Autobahnbehörde wollte ein Mitspracherecht bei der Erteilung von Baugenehmigungen in der Nähe der Trasse haben. Jung: „Die Behörde wollte offenbar sicherstellen, dass die Häuser, die neben der Autobahn gebaut werden, vom optischen Eindruck her auch zu dem exponierten Bauplatz passen.“

Weiter hat Jung bei seinen Recherchen im Staatsarchiv in Landshut herausgefunden, dass die NS-Regierung beim Baubeginn der Reichsautobahn 87 nicht gerade zimperlich mit dem Eigentum umging. In Einzelfällen wurde einfach mit den Bauarbeiten begonnen, obwohl Grund und Boden noch nicht dem Staat gehörten. Ebenfalls in Einzelfällen wurden Enteignungsverfahren durchgedrückt. Ein Teil der Grundstücksverfahren wurde jedoch nach den damals gültigen Gesetzen abgewickelt. Rechtlich ungeklärte Grundstücksfragen und das Festhalten an der bisherigen Autobahntrasse führten dazu, dass sich laut den Erkenntnissen des Kreisheimatpflegers 1969 in Deggendorf eine Interessengemeinschaft der Autobahngeschädigten gebildet hat. Der Arbeit der Interessengemeinschaft ist es zu verdanken, dass einige Gebäude und Grundstücke, die zum Beginn des Autobahnbaus enteignet worden waren, zurückgegeben wurden.

Erst Mitte der 1960er und Anfang der 1970er Jahre musste die Trasse nördlich von Deggendorf verworfen werden. Sie war mit den Richtlinien für den Bau von Bundesautobahnen nicht vereinbar. Diese sehen nämlich Steigungen von höchstens vier Prozent vor, auf der bisherigen Trasse hätte die Steigung sechs Prozent betragen. Die Autobahn zwischen Regensburg und Passau wurde im Bereich Deggendorf neu geplant und verläuft im Donautal.

In den Jahren 1938 bis 1940 wurden im Los 135, Deggendorf, zahlreiche Kunstbauten für die Autobahn errichtet. Die Straßenunterführung an der Ulrichsberger Straße wurde 1983 durch eine Sprengung auf den heutigen Querschnitt reduziert. Ebenfalls 1983 wurde ein Teil der Autobahnbrücke über den Hammermühlbach weggesprengt. Die Unterführung der Ruselstraße unter der Trasse der Reichsautobahn wurde belassen. Sie wurde 1976 umgebaut. Auf beiden Seiten wurden Fuß- und Radwege integriert.

Der Tunnel am Mühlbogen weist laut Jung und Alois Wanninger geringe Veränderungen auf, wurde aber im wesentlichen belassen. Die Tunnelröhre diente bei den Luftangriffen gegen Ende des Krieges als Luftschutzbunker, hat der Kreisheimatpfleger erfahren. Omnibusunternehmer Hansbauer hat damals seine Busse in der Tunnelröhre versteckt. Eine Wegeunterführung in Schleiberg wurde in die Kreisstraße DEG 1 integriert und wird heute als Fuß- und Radweg verwendet. Eine Unterführung in Haslach wird heute nicht mehr genutzt. Eine nicht fertiggestellte Wegeunterführung bei Dippling wurde beim Ausbau der DEG 1 gesprengt.

Vollständig erhalten ist eine Wegeunterführung bei Klessing. Sie steht mitten in einem Waldstück, da die Reichsautobahn abweichend vom heutigen Straßenverlauf der DEG 1 in Richtung Eichberg weitergebaut werden sollte. Jung und Wanninger wollen mehr wissen über die Bauarbeiten für die Reichsautobahn: Sie suchen Zeitzeugen bzw. Kinder von Zeitzeugen, die Details über die Arbeiter auf den Baustellen kennen. Auf den einzelnen Brückenbaustellen gab es nach jetzigem Kenntnisstand der Heimatforscher Kantinen und Baracken für die Arbeiter. Während der letzten Kriegsjahre wurde die Baracke in Klessing als Heim für die Kinderlandverschickung genutzt. Hier sind die beiden Heimatforscher auf Zeitzeugen angewiesen.

Klärungsbedarf gibt es zudem zu der Tatsache, dass die Autobahntrasse zunächst über Simmling und Klessing, nach dem 2. Weltkrieg aber südlich von Simmling geführt werden sollte. Bei Eichberg sollte die Trasse die Höhenzüge verlassen und ins Donautal führen. Diese Linienführung, so Wanninger, passe genau ins damalige Raster. Der NS-Staat führte seine Fernstraßen so, dass es immer wieder Aussichtspunkte in die Landschaft gab. Bei Klessing zum Beispiel hat man einen sagenhaften Blick ins Donautal.

Literatur