Renate Conradi

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Renate Conradi in ihrem Backshop. (Foto: Fischer)

Renate Conradi (* 1944 in Ruhmannsfelden) ist eine bekannte Passauer Gastronomin.

Leben und Wirken

„D’ Renate wird’s scho richten“

„D’ Renate wird’s scho richten“ – so lautete viele Jahre der geflügelte Satz, wenn die emsige, langjährige Gastro-Glucke einem der Szene-Lokale ihres Neffen Uli Mühlbauer zu Flair und Frequenz verhalf. Das galt für das Café Kowalski ebenso wie für den Innstadt-Mexikaner Cantina Ensenada oder die benachbarte Birreria Venti-Tre. Und das galt auch für den bierseligen Betrieb im Innstadt-Dultzelt, in dem sie sieben Jahre lang forsche Festwirtin war und mit Wolfgang Fiereck schon mal mit der Harley über den Holzboden bretterte. Dort sorgte sie nicht nur am Abschlusssonntag für Partystimmung und Tanzeinlagen auf den Dulttischen, die damals in der Stadt noch unbekannt waren und heute in Kohlbruck fast schon zu viel des Guten sind. In jüngerer Vergangenheit begleitete Renate Conradi Gastronomie-Projekte ihrer einstigen Schützlinge, die lange unter ihr arbeiteten und sich in die Selbstständigkeit wagten.

Als 9-Jährige auf dem Tragerl vorm Zapfhahn

Gerichtet hat es die gebürtige Ruhmannsfeldenerin schon von frühesten Kindsbeinen an. „Meine Leut haben mir immer ein Tragerl vor die Theke gestellt, damit ich zum Ausschenken zum Zapfhahn hochgekommen bin“, erinnert sich die Wirtstochter des Familien-Gasthauses „Zachskorn“ an die Zeiten, als sie als Neunjährige nach der Schule im Mittagsgeschäft aktiv wurde, während die Schultasche im Eck pausierte. Unerwartet früh wurde sie in dem elterlichen Betrieb sogar Chefin. „Nach dem Tod unseres Vaters musste ich als 16-Jährige zusammen mit meinem 19-jährigen Bruder Hans das Wirtshaus und die Metzgerei übernehmen. Und Zimmer haben wir auch noch gehabt.“ Die vier älteren Geschwister waren weit verteilt bereits aus dem Haus und anderswo fest eingebunden. Ebenso die Mutter, die aber wieder in den Bayerwald zurückkehrte. „Ja und Nein“, antwortet Renate Conradi, wenn man sie fragt, ob sie denn damals Unterstützung und Mitarbeit von der Mutter im Gastro-Betrieb erfahren hätte.

Zwei Jahre werkelte die heranwachsende Jung-Wirtin zu Hause, dann verschlug es sie zur ältesten Schwester nach Spitzingsee. Auch dort waren ihre gastronomischen Talente schnell gefragt. Bereits einen Tag nach ihrer Ankunft im Oberbayerischen war sie mit Schwester und Schwager privat zum Nachmittagskaffee eingeladen. Die Gastgeberin hatte mit der „Gundel-Alm“ ein bekanntes Sommer-Ausflugslokal. Das aber hatte an diesem ersten schönen Frühlingstag noch geschlossen, als ein vollbesetzter Bus mit kaffee- und kuchenlüsternen Gästen vorfuhr. Den wollte die Bekannte zunächst abweisen - als Renate , die damals noch Zachskorn hieß, ein „Moment mal“ einwarf. Zusammen mit der Lokalbesitzerin und ihrem Organisationsgeschick verköstigte die zugereiste Niederbayerin die rund 60-köpfige Busbesatzung. „Die waren alle schnell und zufrieden abgefertigt.“ Die Betreiberin war begeistert. „Drei Jahre lang war ich danach dort Bedienung“, sagt Conradi.

Eigenes Lokal auf Teneriffa

Die redselige Niederbayerin verstand es prächtig mit den meist auswärtigen Gästen. Aber auch mit den Einheimischen. Ein junger Mann wollte die damals 21-Jährige im Sommer 1964 sogar zu einem Mallorca-Trip einladen. Renate hingegen wollte es sich nicht mit möglicherweise eifersüchtigen jungen Gästen verscherzen und buchte für sich einen Solo-Trip nach Teneriffa. Eine Reise ins Glück. „Schon am ersten Tag dort lernte ich dort meinen späteren Mann Otto Conradi kennen.“ Der nach Selbstständigkeit in Spanien suchende Gastronom und Konditor aus dem Westerwald war mit 38 Jahren „ausgewachsen, aber noch ledig“, wie sich die damals 17 Jahre jüngere Renate erinnert. Nach dem 14-tägigen Urlaub flog die Frischverliebte nur nochmal schnell heim, „um meine restlichen Sachen zu packen“. Bereits an Silvester 1964 haben die beiden das gemeinsame Lokal ,Zum dicken Otto’ auf Teneriffa eröffnet. Eines der ersten deutschen Lokale auf der Kanaren-Insel, das in Zeiten der aufkeimenden deutschen Reiselust ein lukratives Unterfangen werden sollte.

Privatleben: Glück und Tragödie

Das gastronomische und private Glück wurde schnell angereichert durch die beiden Kinder Christina (geboren im Dezember 1965) und Oliver (geb. 1970). Ein Glück, das aber im Jahr 1988 jäh zerstört wurde. „Im März ist Christina mit 22 Jahren bei einem Autounfall tödlich verunglückt, im Juni mein Mann überraschend mit 61 Jahren gestorben. Ich habe danach nichts mehr gemacht und das Lokal verpachtet“, blickt Renate Conradi mit glasigen Augen zurück.

Wie eine Art Erlösung und gewünschte Ablenkung war damals der Anruf ihres Neffen und Szene-Gastronomen Uli, der Examen schreiben wollte und um gastronomische Verstärkung bei der Tante vorsprach. Renate Conradi ließ sich nicht zweimal bitten und war im Januar 1991 in Passau zur Stelle. Die direkte und nimmermüde Art der resoluten Geschäftsführerin und gastronomischen Entwicklungshelferin wussten danach Dutzende meist studentische Schützlinge zu schätzen, die in den Lokalen des damaligen Gastro-Gespanns Uli Mühlbauer/Bernd Rose arbeiteten und später vereinzelt weltweit Karrieren in Kanzleien oder großen Wirtschaftsunternehmen machten, Hotel-Chefin oder gar Schwiegertochter von Udo Jürgens wurden. „Noch heute rufen viele mal bei mir an“, freut sich Conradi. Den zwölf Jahren im Kowalski folgten fünf im Venti-Tre. Danach ab 2008 noch kurze Auftritte im Barceloneta oder im neuen Fuzo-Lokal Va bene eines ehemaligen Schützlings.

Backshop-Betreiberin

Seit Oktober 2009 führt Renate Conradi den „Back-Max“ in der Nibelungenstraße - es war eine Idee ihres „Lieblingsschülers“, wie die nimmermüde Jungseniorin einstreut. Morgens um 5 Uhr wirft sie selbst einen der beiden großen Backöfen an und legt nach und nach hunderte von Teig-Rohlingen ein, die dann bis Ladenschluss um 19 Uhr weggehen, wie die vielzitierten „warmen Semmeln“.

Wie lange sie das noch machen will? „Solange es Spaß macht und die Kundschaft nett bleibt. Die vielen jungen Leute halten mich auch jung“, sagt Conradi, die sich auch ein bisschen an einem Evergreen („Mit 66 Jahren, da fängt das leben an“) des vorher erwähnten Udo Jürgens orientiert. „Vielleicht geh ich auch irgendwann wieder nach Teneriffa, wo mein Sohn Oliver eine Bar hat und ich noch viele Bekannte hab“, blickt Conradi voraus. „Aber jetzt bin ich fürs Nichtstun noch zu jung“, sagt Conradi, bevor sie einem Studenten das heißgebackene vorbestellte Baguette in die Tasche steckt, sich die Leidensgeschichte eines Bauarbeiters anhört, dem man gerade das Werkzeug geklaut hat, und sich mit einer Altenheim-Mitarbeiterin von gegenüber und einer Zigarette auf einen Ratsch vor die Tür begibt.

Literatur