Renovierung des Doms St. Stephan

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Der verhüllte Südturm im Oktober 2008.
Der eingerüstete Südturm im Oktober 2008.

Die Renovierung des Doms St. Stephan zu Passau erfolgt schrittweise. Im Rahmen der aktuellen Renovierung soll der Dom sein ursprünglich weißes Aussehen zurück erhalten. Im Rahmen dieser Maßnahme wurde Ende 2007 die aufwändige Restaurierung des (südlichen) Langhausportals abgeschlossen, welches drei Jahre lang eingerüstet war. Ab 2008 wurde der Südturm weißgefasst, 2009 die wetterseitige Westfassade, ab 2010 folgte der Nordturm.

Frühere Renovierungen

Seit dem barocken Wiederaufbau erfuhr der Passauer Dom lange Zeit nur verschiedene Teilrenovierungen. Unter Bischof Heinrich von Hofstätter wurde der Dom 1865 und 1873 größeren Renovierungsarbeiten unterzogen, die sich aber im Wesentlichen auf die Reinigung und Tünchung der Stuckdekoration beschränkten.

Bereits im Jahr 1924 wandte sich die Diözese Passau an die bayerische Staatsregierung, da der bayerische Staat sich in dem Konkordat desselben Jahres ausdrücklich zur Erhaltung der großen Dome und ihrer Einrichtungen verpflichtet hatte. Der marode Bau konnte nicht mehr unterhalten, die dringend notwendige Sanierung nicht finanziert werden. Man kam überein, dass die Regierung den Bauunterhalt für den älteren gotischen Teil trägt. Für die aufwendige Sanierung wurde 1928 dann die Dombauhütte Passau gegründet, zu deren erstem Leiter der damalige Regierungsbauamtmann Dr. Hans Hörmann bestellt wurde.

Der erste Jahresetat von 10.000 Reichsmark ging allein für den Gerüstbau drauf. Doch die Verantwortlichen waren findig. Spenden für die Baukasse statt Geschenke zum 75. Geburtstag von Bischof Sigismund Felix Freiherr von Ow-Felldorf waren eine solche Idee. 22.000 Reichsmark kamen so zusammen. Nochmal 36.000 Reichsmark wurden durch eine „Dombaulotterie“ eingespielt.

Neben der Inneninstandsetzung von 1933 bis 1934 war eine erste Bewährungsprobe die Restaurierung des Stephanstürmchens, die 1931 begann und 1937 abgeschlossen war. Die folgende Außeninstandsetzung des nördlichen und südlichen Querhauses oblag seit 1938 dem damaligen Reg.-Bauassessor Hans-Karl Moritz als Nachfolger von Dr. Dr.-Ing. Hans Hörmann. Während der Kriegs- und Nachkriegsjahre konnte der Betrieb jedoch nur in eingeschränktem Umfang weitergeführt werden. Im Sommer 1952 trat der Steinmetz- und Steinbildhauermeister Berthold Schneider seine Tätigkeit als Hüttenmeister an. 1954 war die Instandsetzung des nördlichen Querhauses abgeschlossen. Von 1955 bis 1968 dauerten die Arbeiten am südlichen Querhaus. 1966 wurde mit der Sanierung des Vierungsturms (Domkuppel) begonnen. Nahezu jeder Stein musste gegen ein neues Werkstück ausgetauscht werden. Als im Dezember 1978 die Gerüste abgenommen wurden, präsentierte sich der Vierungsturm in strahlend neuem Gewand. Nun verblieb noch der reich verzierte Ostchor, das Meisterwerk Hans Krumenauers, mit dessen Restaurierung 1978 begonnen wurde. 1972 wurde eine Gesamtinnenrenovierung beschlossen, die 1980 vollendet werden konnte.

Der zur Hälfte weiß gestrichene Dom hinter der Alten Residenz.

Aktuelle Renovierung

Die aktuellen Arbeiten sollen im Oktober 2013 abgeschlossen werden. Der Dom wird dann – für manches Passauer Auge ungewohnt – komplett in reinem Weiß erstrahlen. Das soll aber nicht nur Touristen imponieren oder die Barock-Optik imitieren. In der Hauptsache geht es um die Konservierung. Denn im 19. Jahrhundert war schon mal die Zengergasse gesperrt, weil zu befürchten war, dass ein Bauteil herunter bricht. Die neue Kalkfassung ist etwa einen Millimeter dick, schützt und lässt Schwachstellen erkennen, etwa bei Feuchtigkeit. So kann man früh einschreiten. Ist die weiße Kalkfassung erst einmal komplett aufgetragen, werden voraussichtlich nur noch oberflächliche Instandsetzungen nötig sein – mit einem überschaubaren Aufwand. Denn in Zukunft soll keine Generalsanierung mehr vorgenommen werden, sondern nur noch ausgebessert werden, wo was kaputt ist, also eine geregelte Baupflege betrieben werden. Das neue Weiß besteht aus Sumpfkalk, Sand, Leinöl, Holzkohle und Weißzement.

Eine zusätzliche Herausforderung bei den Restaurationsarbeiten waren Baumängel aus den 1960er Jahren. Damals wurden Stellen an der Außenfassade mit einer Zement-Ziegel-Masse hinterfüllt und danach mit Mörtel verputzt, wobei zusätzlich Eisengitter in die Fassade gemauert wurden. In Verbindung mit Regen und Luftfeuchtigkeit wird die Fassade regelrecht weggesprengt – diese Stellen mussten allesamt ausgebessert werden, bevor die eigentliche Restauration beginnen und die weiße Kalkfarbe angebracht werden konnte.

Bei den Renovierungen wurden zudem Figuren erneuert, Mauersteine ersetzt, schlechte Balken ausgetauscht und zuletzt die Portale saniert, das große Mitteltor ganz am Ende. Aber auch innen tat sich einiges, der Nordturm hat ein neues Geländer bekommen, laufend werden die Brandmelder ausgetauscht, die Beschilderung erhielt ein einheitliches Gesicht. Die Beichtstühle bieten innen nun mehr Platz, dem Priester genauso wie dem Gläubigen. Und es gibt auch ein neues Beichtzimmer, nahezu barrierefrei zu erreichen.

Zustand des Südturms 2008

Seit der Südturm des Doms komplett mit 3.000 Quadratmeter Gerüst umgeben ist, haben die Restauratoren den Kalkstein genau untersuchen können. Das Ergebnis: Der Südturm ist im wesentlichen in einem relativ guten Zustand. Böse Überraschungen hat es keine gegeben, sieht man einmal davon ab, dass bei einer Schallöffnung zum Glockenstuhl der Pummerin das Gewände auf einer Länge von gut eineinhalb Metern abgerissen ist. Ein ziemlicher Brocken hätte da in die Zengergasse runter krachen können. Diese Gefahr ist gebannt.

Die gut drei Meter hohe Figur des Diözesanpatrons St. Valentin wurde vom Taubenmist gesäubert. Hinter dem Rücken der Figur, in den Ritzen, überall war Taubenmist. Mit Gasmasken mussten die Mitarbeiter der Dombauhütte den Heiligen vom Dreck befreien.

Immer wieder bröckeln Steine am Südturm. Eine ganze Reihe chemischer Zersetzungsprozesse sind da zugange. Saurer Regen beispielsweise entzieht dem Kalkstein das Kalziumkarbonat, an der Oberfläche setzt sich Gips als Verkrustung ab. Die Kruste lässt keine Feuchtigkeit mehr durch, die Nässe kann nicht mehr aus dem Stein. Die Oberfläche platzt ab. Die Restauratoren arbeiten nun daran, dass der Stein wieder „atmen“ kann. Peitscht Regen an die Westseite, wäscht er den Stein aus. Zum Teil ist der Kalk mit Moosen überzogen, Frost hat zum Teil Zentimeter große Brocken abgesprengt, auch der aggressive Taubenmist setzt dem altehrwürdigen Dom zu. Bereits im 19. Jahrhundert hatte man deshalb den Dom mit einer grauen Zementschicht bedeckt, um den Verfall zu stoppen.

Ähnliches bewirkt nun die weiße Kalkfassung. Das Entscheidende dabei ist, dass Kalk auf Kalk aufgetragen wird. Kein chemisches Gemisch. Da wäre die Wirkung nicht abzusehen – zu riskant für den Dom-Kalkstein. Und auf Dauer auch zu teuer. Man hat herausgefunden, dass an den Stellen des Doms, an dem die Fassung erhalten ist, der Stein weit weniger angegriffen wurde. Außerdem hinterlässt die Kalkschicht keine Altlasten. Das hat die Barockzeit vorexerziert. Die Kalkschicht wirkt gegen Verwitterung wie eine Sonnencreme – mit hohem Schutzfaktor.

Eine der Kalkstein-Vasen. (Foto: Geisler)
Die neue Fassung der Uhr am Südturm. (Foto: PNP)
Blick auf den noch zur Hälfte eingerüsteten Nordturm im Juli 2013. (Foto: Jäger)

Kalkstein-Vasen am Südturm

An jedem Turm des Doms befinden sich vier barocke Vasen. Eine dieser Kalkstein-Vasen war 2008 in extrem marodem Zustand. Nur Eisenschlaufen halten den Stein noch zusammen. Die Vase ist rund zwei Meter hoch mit ausladenden Trauben, Äpfeln und Feigen. Tiefe Furchen durchziehen den Kalkstein. In jeder Vase steckt ein Eisenstab. In der maroden Vase soll dieser zu rosten angefangen haben.

Eine andere Erklärung für den schlechten Zustand ist, dass es ein Materialfehler des Steines war. Den Rest erledigte die Natur.

Ein Kran mit einem 65-Meter-Mast wird sie zur Restauration herab holen. Dafür muss ihr Sockel an Ort und Stelle – das sind immerhin 46 Meter über dem Boden – mit einer Seilsäge durchtrennt werden. Im Ganzen könnte sie der Kran nicht heben. Das wäre zu gefährlich, er könnte kippen. In der Werkstatt der Dombauhütte wollen die Restauratoren, Bildhauer und Steinmetze die über 100 Jahre alte Vase restaurieren.

Elf Monate haben die Steinmetze der Dombauhütte unter der Leitung von Michael Hauck die beschädigte Vase saniert. Im September 2009 wurde sie fertig gestellt. Bevor sie an ihren alten Platz zurückkehrt, erhält sie einen Überzug aus der weißen Schlämme aus Sumpfkalk, feinem Sand, Leinölfirnis und Holzkohle, die mittlerweile die meisten Teile der Kathedrale umhüllt. Diese Fassung ist originalgetreu und soll das gewünschte Weiß bringen.

Die Sanierung hätte eigentlich schon im Frühjahr des Jahres beendet sein sollen. Dass es länger dauerte zeigt, wie zerstörerisch Sonne, Regen, Schnee und Frost gewirkt haben. Insgesamt fielen Kosten in Höhe von 25.000 Euro an. Die Vase stellte für die Steinmetze eine Herausforderung dar.

Neugestaltung der Uhren

Im Zuge der Renovierung wurden auch die Uhren des Domes nach historischem Vorbild (neu) gestaltet.

Geschichte

Einen rein historischen Zustand kann es im Bereich der Westfassade des Doms nicht mehr geben, denn die barocke Farbfassung der ursprünglichen Zifferblätter aus Blech aus dem Jahr 1675 wurde im Lauf der Jahrhunderte mehrfach umgestaltet. Das erste Mal 1726, als die Bleche entfernt und die Zifferblätter in den Stein eingearbeitet wurden. Im späten 18. Jahrhundert wurde die ursprüngliche barocke Farbigkeit noch einmal in Anlehnung an die Fassung von 1726 erneuert. 1865 wurden die Zifferblätter dann in Schwarz auf den weißen Grund gestrichen und später gelblich-hellgrau übermalt. Zuletzt wurden die Schwarz-Weiß-Gliederung der Zifferblätter 1962/63 erneuert, als man die historischen Fassungsschichten von den Fassaden des Doms entfernte und das Bauwerk erstmals als Werksteinbau zu sehen war.

Farbfassung

Die Zifferblätter der Uhren an den beiden Türmen werden im Zuge der Renovierung farbig gefasst. Ende Juni 2010 konnten die Passauer zum ersten Mal einen Blick darauf werfen. Das zweite Ziffernblatt wird nach der abgeschlossenen Sanierung des Nordturms Ende 2011 zu sehen sein.

Der Grundton ist Goldocker mit roten Linien, das Zentrum ist in Smalteblau gehalten und die sogenannten Eckzwickeln in Malachitgrün. 50 Jahre erstrahlte die Originalfassung im Barock, bis sie übermalt wurde. Die alten Malermeister des Barock haben den Farben auch Bedeutungen zugedacht: Das Blau in der Mitte stellt den Ursprung des Alls dar. Da es ein sehr gehaltenes Blau ist, kann es auch als Blau eds Himmels gedeutet werden. Das Goldocker, in dem die römischen Studenzahlen eingebettet sind, symbolisiert das Licht, dass ins Dunkel kommt, das Chaos ordnet und den Tag in Stunden einteilt. Die grünen Ecken stehen für das blühende Leben und nehmen Bezug zu den grünen Turm-Kupferdächern über ihnen.

Die vier Eckzahlen in den Ecken ergeben 1726. Dieses Jahr gilt als Fertigstellungsdatum der Kathedrale, denn in diesem jahr wurden die Kanzeln eingebaut.

Die Entscheidung, in welchen Farben die Uhren zukünftig erstrahlen sollen, fällten Dr. Thomas Kupferschmied (Landesamt für Denkmalpflege), Norbert Sterl (Fachbereich Hochbau im Bauamt Passau), Michael Hauck (Dombauhütte Passau), Jochen Jarzombek (Diözesanbaumeister), Restaurator Michael Bengler, sowie Roland Hackl und Michaela Wenzel von der Stadt Passau.

Abdichtung der Kuppel des Südturms

Am 29. April 1945 waren US-Verbände von Cham kommend auf Passau zugezogen. Doch die Militärbefehlshaber der Stadt wollten nicht kapitulieren und deshalb begann der mehr als drei Tage dauernde Beschuss. Über 2.000 Geschosse seien in der Stadt eingeschlagen, berichten historische Quellen. Von dem Stützpunkt der Amerikaner (die Ries) waren offensichtlich vor allem für Gewehrschützen die Domtürme ein leichtes Ziel.

Die aufwändige Reparatur der Turm-Kuppeln geschieht nicht aus optischen Gründen, sondern wegen der Feuchtigkeit. Seit sechseinhalb Jahrzehnten kann durch die ein bis zwei Zentimeter großen Löcher Wasser eindringen und die Holzunterkonstruktion der Südturm-Kuppel aus dem 17. Jahrhundert in Mitleidenschaft ziehen. Im März 2009 wurde ein Innengerüst aufgestellt, damit man auch dort gefahrlos arbeiten kann.

Daher werden mit viel Handwerkskunst die Löcher in der Kuppel des Südturmes in 50 und mehr Meter Höhe abgedichtet. Die Experten der Dombauhütte schneiden dazu kleine Stücke aus den uralten Dachrinnen und Blechstreifen, um damit die Löcher abzudecken, die Ränder umzufalzen und so dauerhaft dicht zu machen. Gelötet oder auf eine andere Art heißbehandelt wird das Blech nicht, denn die Dombauherren wollen Passaus Wahrzeichen keiner Brandgefahr aussetzen.

Sobald die Arbeiten beendet sind und auch der Nordturm eingerüstet ist (spätestens 2010), sollen auch dort mögliche Einschussspuren beseitigt werden. Der Leiter der staatlichen Dombauhütte vermutet auch in der Kuppel des zweiten ebenfalls 68 Meter hohen Turmes US-Einschläge aus den letzten Kriegstagen.

Grundsanierung der Chor-Nordseite

Im November 2013 begann mit den Renovierungsarbeiten der Chor-Nordseite der vorerst letzte große Bauabschnitt. Der Startschuss dazu erfolgte mit einem optischen Knall: einer 10.000 Euro teuren Foto-Gerüstplane, die den Großteil der zu sanierenden, 450 Quadratmeter großen Fassade überdeckt. Die Abbildung darauf ist kein Fremdprodukt oder eine Computer-Simulation, sie stammt ganz real vom Dom selbst: Die Basis ist ein gespiegeltes Foto der fertigen Südseite. Damit zeigt sie bereits das künftige Restaurierungsergebnis. Besonders augenfällig ist sie vom Residenzplatz aus und aus weiter Entfernung, etwa vom Oberhaus aus. Die Foto-Gerüstplane hält Wind und Wetter so gut wie möglich ab, ist trotzdem lichtdurchlässig und bietet damit den Arbeiter auf dem Gerüst dahinter bestmöglichen Schutz. Sie wird voraussichtlich während der gesamte Maßnahme hier hängen.

Die Sanierung dieses Fassadenteil wird etwa acht bis zehn Jahre in Anspruch nehmen. Die Größe von 450 Quadratmetern ist nicht der Hauptgrund dafür: Dieser gotische Teil ist noch nie saniert worden, d.h. man findet hier die echte Original-Substanz aus der Zeit um 1500 vor. Um die Maßnahme zu erleichtern, wurde neben der Foto-Gerüstplane auch ein neuer Aufzug installiert. Der alte Aufzug war nach 47 Betriebsjahren verrostet, langsam und schon anfällig; eine Reparatur kam nicht mehr in Frage. Er ebenfalls im November 2013 mit Hilfe eines Autokrans abgebaut und durch den neuen Aufzug ersetzt. Dieser ist 35 Meter hoch, schlank und unauffälliger als sein Vorgänger: Er ragt nicht mehr über die Dom-Silhouette hinaus.

2014 beginnt die Dombauhütte zusätzlich auch mit der Sanierung der Kapellenanbauten zwischen Domplatz und Domhof.

Kunsthistorische Entdeckungen

Die Initialen Carlo Luragos am Domturm.

Initialen am Fries des Domturmes

Im Rahmen der Restaurierung und Weißfassung des Kirchenraumes wurde die Inschrift am Fries des Domturmes als die Initialen des Dombaumeisters Carlo Lurago erkannt. Seit 335 Jahren befinden sich die Initialen C und L und Jahreszahl in luftiger Höhe am Südturm oberhalb der Uhr – und wurden nicht als solche erkannt, auch in der Fachliteratur sind sie nicht erwähnt. Erst jetzt konnte man die Inschrift genau untersuchen.

Zu lesen sind die Buchstaben C und L, dazwischen die Zahl 1675, das Datum der Fertigstellung der Kathedrale. Die Zahlen sind nicht farbig gefasst oder schwarz unterlegt, sondern integral in der Architektur gefasst. Möglicherweise durfte Lurago seine Künstlersignatur, was damals üblich war, nirgends dominant und in Farbe setzen; mit dieser Variante einer unscheinbaren Inschrift hat er sein Ziel ohne Konfrontation erreicht. Freilich könne man C und L auch als römische Zahlzeichen interpretieren, aber dann müssten die Zahlzeichen auch auf der anderen Seite des Turmes fortgeführt sein – und dies ist nicht der Fall.

Warum sich der Künstler so weit oben und kaum leserlich in der Architektur verewigt hat, kann nur vermutet werden. Möglicherweise durfte er es nicht. Vielleicht auch, weil er nach den Plänen des hochgebildeten Fürstbischofs Wenzeslaus Graf von Thun arbeitete und nicht nach eigenen Entwürfen. Dieser war der erste Bauherr des Doms; ein Neubau war durch die Verwüstungen des Stadtbrandes notwendig geworden.

Wie eifersüchtig die Bauherren die Künstler und ihre Signaturen beäugten, zeigt ein weiterer Fall. Nach fünf Jahren Bauzeit starb der erste Bauherr, sein Nachfolger wurde Fürstbischof Sebastian Johann Graf von Pötting. Er wollte sich auch in den Bau einbringen, ließ ein sehr dominantes Wappen an der Ostfassade (und eines im Innenraum) anbringen, das neben dem Passauer Wolf sein Familienwappen mit Hufeisen, Nägeln und Windhunden die Insignien weltlicher (Krone) und geistlicher (Mitra) Macht zeigt – das Wappen ist sieben Quadratmeter groß und, wenn man vor dem Ostchor steht, sehr gut von unten zu erkennen. Die zwei Künstlerporträts des Architekten Carlo Lurago und des Freskanten Carpoforo Tencalla im Kuppeltambour hingegen ließ er bei Nachbesserungsarbeiten entfernen. Erst 1933/34 konnten sie wieder freigelegt werden.

Freskant Tencalla war damals allerdings auch pfiffig und schlug dem Fürstbischof ein Schnippchen: Er fügte das Porträt Luragos im Kuppelfresko des Presbyteriums neben seinem eigenen ein. „Schriftlich ist zu diesem außerordentlichen Vorgang nicht überliefert“, sagt der heutige Dombaumeister Michael Hauck dazu. „In der Zusammenschau dieser Ereignisse muss man davon ausgehen, dass Lurago angesichts der Eifersucht seines Fürstbischofs bewusst eine so zurückhaltende Form der Signatur wählte. Nach Süden gerichtet war sie vielleicht auch als Gruß an seine Heimat Italien gerichtet.“

Literatur