St. Kümmernis auf dem Hechenberg

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Postkarten-Aufnahme zu Beginn des 20. Jahrhunderts.

St. Kümmernis auf dem Hechenberg (umgs. meist nur Kümmerniskapelle) ist eine neugotische Kapelle in Burghausen. Einzigartig auf dem Hechenberg gelegen, galt die in neugotischem Stil erbaute Kapelle einst als Wahrzeichen der Burghauser Neustadt.

Geschichte

Vorläufer der heutigen Kapelle

Bereits in früher Zeit war der Hechenberg ein Hort religiöser Kulthandlungen. Hier gab es schon vor mehr als 300 Jahren eine kleine Kapelle, in der die heilige Kümmernis, auch Wilgefortis genannt, verehrt wurde. Südlich davon, am Fuße des Hechenberges, stand die Hütte eines Einsiedlers. Hier kamen die zum Tode Verurteilten auf ihrem Weg zum Galgen, an der Gabelung zwischen Marktler- und Altöttinger Straße, vorbei, konnten kurz Einkehr halten und vom Eremiten, Frater Felix und später Frater Bernhard, getröstet werden. Die heutige Klausenstraße in der Neustadt erinnert noch an die Existenz dieser ehemaligen Klause.

An der Stelle, an der sich die heutige Kümmerniskapelle befindet, hing 1693 zwischen zwei Faichten ein Wilgefortis-Bild, vor dem die Bäuerin Maria Hechenberger, in Erfüllung eines Gelübdes ihre tägliche Andacht verrichtete. Um ungestört beten zu können und vor schlechter Witterung geschützt zu sein, bat sie darum, eine Holzkapelle errichten zu dürfen. Pfarrer Caspar Brodbeißer erteilte die Erlaubnis hierzu. Da das Kirchlein elf Jahre danach, also 1704, bereits reparaturbedürftig war, veranlasste der 24-jährige Sohn Georg Hechenberger (1680-1738), dass es aufgemauert wurde. Auch er erfüllte damit ein Gelübde, weil er nach gefährlicher Krankheit genesen war. Die kleine Kirche entwickelte sich allmählich zur Wallfahrtskapelle.

Abriss und Neubau in Folge der Säkularisation

Im Zuge der Säkularisation zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde ein Großteil des bayerischen Kirchenbesitzes zu Staatsbesitz. Um den Unterhalt der Kirchengüter nicht aus Mitteln der Staatskasse finanzieren zu müssen, wurden zahlreiche Klöster aufgelöst, Kirchen abgerissen, Glocken und Kirchengerät eingeschmolzen, Bibliotheken verkauft oder weggeschafft. 1803 fiel auch die Kümmerniskapelle der Säkularisation zum Opfer – ein Ereignis, das bei der Bevölkerung große Entrüstung hervorrief. Zum Glück gelang es einem Nachfahren von Georg Hechenberger, das Wilgefortis-Bild zu retten und in seinem Haus aufzubewahren. Nicht weit von der Ruine entfernt soll angeblich hinter einem Bretterverschlag im Wald versteckt der Kümmernis-Kult heimlich weiter betrieben worden sein.

Als gegen Mitte des 19. Jahrhunderts der Ruf nach einer neuen Wallfahrtskirche auf dem Hechenberg immer lauter wurde, entschloss sich 1857 der königliche Landrichter Georg Wiesend (1807-1881), das von seinem Amtsvorgänger Graf Armannsberg verübte Unrecht zu sühnen und ein Bauprojekt in Angriff zu nehmen. Der königliche Gerichtsschreiber Welz (1818-1871) unterstützte ihn dabei. Josef Hechenberger (1820-1866) und seine Frau Therese (1827-1866) stifteten das Baugrundstück, sowie Baumaterial und 300 Gulden in bar. Bauingenieur Capeller aus Reichenhall zeichnete die Baupläne, die im November 1857 vor der Buchhandlung Lutzenberger zu jedermanns Einsicht ausgestellt wurden. Die neue Kapelle sollte schöner und größer als die ursprüngliche werden. Doch damit überstieg die Finanzierung zwangsläufig die Höhe der Spendengelder.

Streit um die Größe des Neubaus

Kaum war mit dem Bau begonnen worden, kam es zu Differenzen zwischen dem Erbauer der Kirche und der Gemeinde Mehring. Die Bevölkerung von Mehring wollte eine Kapelle von der Größe der Kapelle von 1704. Ferner war man nicht bereit, eine hohe finanzielle Belastung auf sich zu nehmen und schließlich sollte ja nun aus einer Kümmerniswallfahrt eine Marienwallfahrt werden, womit die Leute ebenfalls nicht einverstanden waren.

Wie einem Schreiben des bischöflichen Ordinariats aus Passau vom 21. März 1859 zu entnehmen ist, war die Erbitterung von Seiten der Pfarrei Mehring so groß, dass das Ordinariat gebeten wurde die Erlaubnis zur Fortsetzung dieses Kirchenbaus zu verweigern und das bereits „aufgeführte Mauerwerk“ demolieren zu lassen. Der Bau wurde immer unbeliebter und kam auch wegen nachlassender Spendenfreudigkeit nicht recht voran. Es dauerte sieben Jahre, bis die Kapelle 1864 fertiggestellt werden konnte. Am 24. April 1865 wurde sie von Stadtpfarrer Dekan Scholl von Burghausen feierlich eingeweiht.

Schenkung und Renovierungen

Nachdem Mehring die neue Kümmerniskapelle nicht haben wollte, wurde sie Privateigentum des Landrichters Georg Wiesend. Als dieser 1881 starb, wurde sein Sohn, ein Regierungsrat in Passau, Besitzer. Der bot sie 1899, ausgestattet mit 4.000 Mark in Pfandbriefen und 300 Mark in bar, der Gemeinde Mehring als Geschenk an. Die Kirchenverwaltung Mehring nahm das Angebot an. Seit 1937 gehört die Kapelle zur Pfarrei St. Konrad in Burghausen.

Notwendige Renovierungen wurden 1938, 1963, 1982 (Kirchturmspitze) und 1993 durchgeführt. Sie wurden unter anderem durch größere Geldbeträge der Stadt Burghausen, der Wacker-Chemie und Hoechst Gendorf finanziert.

Heute präsentiert sich die Kümmerniskapelle als wunderschöne, gepflegte kleine Wallfahrtskirche in neugotischem Stil. Sie erhebt sich über einem künstlich aufgeschütteten Hügel, ihr schlanker Turm weist nach Osten.

Architektur

Positionierung und Innenraum

Die Position der Kirche über einer Anböschung als auch die Ausrichtung des Turmes nach Osten lagen vermutlich in der Absicht des Erbauers. Durch die Erhöhung der Kirche war sie, zu einer Zeit als der Berghang noch nicht so zugewachsen war wie heute, sowohl von der Neustadt als auch von der Burg aus weithin sichtbar.

Wenn man die Kirche betritt, erblickt man im Altarraum eine Madonna mit Kind, flankiert von den Heiligen Stephanus und Laurentius. Beide Heiligenfiguren stammen aus der einstigen Kirche St. Johann. Die Wände des Innenraumes schmücken ferner vier Wilgefortis-Bilder, die daran erinnern, dass die Kapelle ursprünglich der heiligen Kümmernis bzw. Wilgefortis geweiht war.

Unterbau bzw. -kirche

Die unbekannte Unterkirche der Kapelle.

Zwischen der Turmtreppe und der Eingangstür der Kirche führt eine Wendeltreppe hinunter in einen Unterbau. Durch eine hinter Efeubewuchs etwas versteckte Holztüre und einen kleinen niedrigen Gang kann dieser Unterbau aber auch ebenerdig erreicht werden. Bei genauer Betrachtung entpuppt sich der Unterbau als komplette Unterkirche, deren Länge und Breite mit den Maßen der darüber liegenden Kapelle identisch sind. Ferner besitzt diese Unterkirche einen gewölbeartigen Chor sowie einen Chorbogen. Da der Zugang zur Wendeltreppe von oben durch eine Gittertür verschlossen ist, ist nur wenigen Kirchenbesuchern bekannt, dass es hier auch noch eine Unterkirche gibt. Sie wurde wohl nie für religiöse Zwecke genutzt. In der Police der Brandschutzversicherung von 1864 wird darauf verwiesen, dass es sich bei diesem Gewölbeunterbau um einen Kirchen-Requisitenraum handelt. In Anbetracht der prekären finanziellen Lage während der Bauzeit ist es schwer nachvollziehbar, wozu eine kleine Kirche einen derart geräumigen Requisitenraum, der darüber hinaus auch noch mit einem kostspieligen überwölbten Chor inclusive Chorbogen versehen ist, brauchen sollte. Vielleicht war diese Größe der Unterkirche aber auch aus statischen Gründen erforderlich. Leider konnte bis jetzt kein Bauplan für diese Unterkirche gefunden werden. Ein Parallelbeispiel hierzu ist die Unterkirche der König-Otto-Kapelle von Kiefersfelden, die nach Dr. Josef Urban als Vorbild für die Burghauser Kümmerniskapelle diente.

Experten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege ist es allerdings auch nicht völlig auszuschließen, dass die Reste des 1704 von Georg Hechenberger erbauten und 1803 abgerissenen, alten Kirchengebäudes in der Unterkirche integriert sind.

Wallfahrten

Ab 1871, also nach dem Ende des Deutsch-Französischen Krieges, fanden – ursprünglich aus Dankbarkeit für die glückliche Heimkehr – jährlich Kriegerwallfahrten zur Kümmerniskapelle statt, an denen bis zu 4.000 Pilger teilnahmen. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird jedes Jahr im Herbst eine Friedenswallfahrt durchgeführt, bei der um den Erhalt des Weltfriedens gebetet wird.

Literatur

  • Friedrich Hacker: Burghausen. Ein Heimatbuch. Burghausen 1970
  • Dr. Josef Urban: Von der Kümmernis ins Kleinziegenfelder-Tal. Kleinziegenfeld 1998
  • Annemarie Baumgärtner: Kleinod von kulturhistorischer Bedeutung. In: Alt-Neuöttinger Anzeiger vom 24. August 2012 (S. 26)