Tanzer-Hof

Aus RegioWiki Niederbayern
Wechseln zu: Navigation, Suche
Das Ensemble im Museum in Finsterau (Foto: Martin Ortmeier, 2012)

Der Tanzerhof-Hof aus dem Angerdorf Einberg bei Grafenau ist ein geschlossener Dreiseithof mit Wohnstallstadel-Haus, Wirtschaftsgebäude und eingehauster Brückentenne.
1990 bis 1994 wurde der Hof ins Freilichtmuseum Finsterau übertragen[1]

Beschreibung[2]

Blick in den engen Innenhof (Photo: M. Ortmeier, 2018)
Putzdekor am Wohnhaus (Photo: M. Ortmeier, 2018)
Blick über die Obertenne zur engehausten Auffahrt (Photo: M. Ortmeier, 2018)

Die enge Dreiseitanlage des Tanzer-Hofs besteht aus einem Wohnstallstadel-Haus (1879, renoviert 1922), einem Wirtschaftsgebäude (1900) mit Backofen, Waschküche (ursprünglich auch Machlkammer mit Feldschmiede) und Brückentenne (1887).

Im Westen (unter der Auffahrt zur Tenne) und im Osten ist der Hof durch Tore geschlossen. Abgesehen von der eingehausten Tennenauffahrt (Brückentenne) sind die beiden Hauptgebäude parallel, einen engen Hof flankierend angeordnet, die Giebelseiten wenden sich zum Dorfanger (im Museum zum Rundweg). Vor dem Haupthaus ist ein Hausgarten angelegt, der hauswirtschaftliche und Repräsentationszwecke verbindet. Die Traktorgarage im Nebengebäude wurde um 1955 eingebaut.

Das Hauptgebäude hat noch die bewährte Grundrissstruktur des Waldlerhauses.

Geschichte[3]

Der Tanzer-Hof wurde 1879 von dem jungen Einberger Bauernsohn Michael Tanzer[4] auf einer gering bebauten Altsiedelstelle im Angerdorf Einberg gegründet. Der Hof war ein Ableger eines wohlhabenden Bauernhofs im selben Ort. Mit zunächst 10, später 15 Hektar Wald, Wiesen und Feldern war das Anwesen kleinbäuerlich. Der Hof mit bis zu acht Stück Großvieh konnte eine Familie ohne Nebenerwerb ernähren.
Als 1913 der Sohn Josef Tanzer den Betrieb übernahm, brachte er Geld und technische Erfahrung ein. „Die Heirat mit Katharina Friedl im Jahr 1922 versorgte das Anwesen zusätzlich mit einem Heiratsgut, drei Söhne ließen eine erfolgreiche Zukunft erwarten. Der damals geschaffene Fassadenschmuck und die Ausmalung der Schlafkammer bringen diese Erwartung zum Ausdruck. Die Wirtschaftskrisen der zwanziger Jahre, der frühe Tod der Bäuerin 1939 und der Krieg, dem zwei der drei Söhne dienten, verwehrten dem Tanzer-Hof diese Zukunft. [5]

1970 wurde die Bewirtschaftung von Albert Tanzer (1928–2002, Hauswald bei Spiegelau), dem jüngsten der drei Söhne Josef Tanzers, in der dritten Generation eingestellt.

Translozierung und Darstellung im Museum[6]

Waschküche (Photo: M. Ortmeier, 2018)
Schlafkammer (Photo: M. Ortmeier, 2018)
Küche (Photo: M. Ortmeier, 2018)
Stube (Photo: M. Ortmeier, 2018)

1989 ließ der Museumsleiter[7] den verfallenden Hof[8] dokumentieren. Bereits 1990 bis 1994 gelang die Übertragung ins Freilichtmuseum Finsterau. Zu diesem Zweck erwarb der Träger des Freilichtmuseums[9] im Westen des Museumsgeländes Flächen hinzu.

Der Darstellungszeitraum des Tanzer-Hofs ist um 1960 angesiedelt, als der Hof noch in Betrieb war[10]. Der Kauf eines HANOMAG-Traktors im Jahr 1955 markiert einen letzten großen Innovationsschritt. Die gewöhnlichen Folgeschritte, nämlich Stallerweiterung und Einbau von Melktechnik, unterblieben jedoch bereits, nachdem der Altbauer Josef Tanzer 1970 starb und keine Betriebsnachfolge gelang.

Die beiden parallel an einem engen Innenhof gelegenen Gebäude des Tanzer-Hofs standen baulich eng eingebunden im Angerdorf Einberg. Zur Übertragung erschien anfangs nur das Wohnstallhaus geeignet. Unter Beratung durch die Landesstelle Nichtstaatliche Museen, nämlich durch den Referenten Georg Waldemer und den freien Hausforscher Sebastian Roser, wurden die Grundlagen für eine Wiederherstellung des gesamten Hofes im Freilichtmuseum geschaffen. Die bereits abgegangene Auffahrt zur Hochtenne wurde nach Informationen von Gewährsleuten (Albert Tanzer, jüngerer Sohn von Josef Tanzer) und Baubefunden rekonstruiert.
Die Wirtschaftsgröße des Kleinbauernanwesens Tanzer-Hof mit zunächst 30, später etwa 45 Tagwerk ist im Freilichtmuseum eine Brücke zwischen dem Häusleranwesen Sachl und dem Petzi-Hof, dem fast 100 Tagwerk zugehörten. Die kleinbäuerliche Wirtschaft bildet sich in der baulichen Gestalt des Anwesens deutlich ab. Enge, Flickwerk und Behelf einerseits, anspruchsvoller Dekor und Ausbildung zweier Schauseiten andererseits.
Der enge, geschlossene Parallelhof[11] ist im Bayerischen Wald typisch für die bauliche Entwicklung der Straßenanger- und Angerdörfer mittelalterlicher Gründung. Das traufseitig dreifach erschlossene Wohnstallstadelhaus, hier als Mitterstallhaus, ist Ergebnis einer langen, keineswegs linearen hausgeschichtlichen Entwicklung: Die Ausbildung eines vollen Obergeschosses, die Reduktion des Schrots zu einem bürgerlichen Balkon – beim Tanzer-Hof im Bestand leider unklar, die Differenzierung der Baustoffe im funktionalen Gefüge, die Aufnahme modischer Dekorpraxis und die Errichtung einer Obertenne (zudem Vergrößerung des Stadel) sind für das Bauernhaus des Bayerischen Waldes im ausgehenden neunzehnten Jahrhundert typisch.

Im Freilichtmuseum sind bei diesem Anwesen mehrere Zwecke verknüpft: ganzheitliche Präsentation[12] der Hofanlage als Dokument eines Baudenkmals, Vermittlung sozialgeschichtlicher Sachverhalte und museumspraktische Nutzung (Großviehhaltung[13]) Der Tanzer-Hof wird als Wirtschaftsganzheit präsentiert. Alle Funktionen einer kleinbäuerlichen, weitgehend auf Subsistenz fußenden Landwirtschaft sind baulich dokumentiert. Der Darstellungszeitraum des Ensembles wurde auf 1960/65 gelegt. In dieser Zeitspanne wurde die bauliche Entwicklung des Hofes mit einer Verlängerung des Nebengebäudes abgeschlossen, die maximale Technisierung mit Traktor und stationärer Antriebsmaschine war erreicht. Die Museumsbaumaßnahme Tanzer-Hof wurde mit Kosten von 1.680.673 DM realisiert. Die Förderung betrug 915.000 DM, also 54,5 %. Zonenrandmittel des Bundes waren noch 221.000 DM, aus dem bayerischen Grenzhilfeprogramm kamen 52.000 DM, von Seiten der Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern kamen weitere Landesfördermittel. Die wesentliche Förderung waren 600.000 DM aus Mitteln des „Gemeinschaftlichen Förderkonzepts zur Entwicklung des ländlichen Raumes nach EG-Strukturziel 5 b[14].

Bis zur Fertigstellung des Denk-Hauses als Begegnungs- und Bildungsstätte des Freilichtmuseums Finsterau im Jahr 2018 dienten Wohnräume des Tanzer-Hofs auch der Museumspädagogik. Die Schlafkammer war deshalb ohne Ausstattung geblieben. 2018 wurde die Ausstattung nach Dokumentationsphotos aus dem Jahr 1990 rekonstruiert[15]. Bereits 2017 wurde im Wirtschaftsgebäude im Gewölberaum neben dem Backofen die Ausstattung als Informationseinheit Waschküche verdichtet[16].

Literatur

  • Martin Ortmeier: Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte. Passau 2009 (Dietmar Klinger Verlag), ISBN 978-3-232949-87-6, S. 56–67
  • Georg Waldemer: Das „Waldlerhaus“ in den Freilichtmuseen. S. 49–62. In: Astrid Hansen (Red.). Das Waldlerhaus. 2. aktualisierte Auflage, München (=Denkmalpflege Themen, Nr. 1), 2017
  • Martin Ortmeier: Fördermaßnahmen im Freilichtmuseum Finsterau 1984–2018. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 60 (2018), S. 193–204

Anmerkungen

  1. Bauaufmaß: Walter Kuhn Dipl.-Ing. FH – Konzept, Rekonstruktion Stadel und Tenne, Platzierung, Ausstattung: Dr. Martin Ortmeier, Beratung Georg Waldemer und Sebastian Roser – Förderwesen: Markus Neumayer – Bauleitung: Hermann Lichtnecker Dipl.-Ing. FH unter Mitarbeit von Fritz Kilger und Franz Plöchinger
  2. Zur baulichen Beschreibung des Tanzer-Hofs und Details der Rekonstruktion im Museum s. ausführlich Martin Ortmeier: „Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte“ (s. Literatur), S. 63–67.
  3. Zur Geschichte des Anwesens s. ausführlich Martin Ortmeier: „Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte“ (s. Literatur), S. 59–61.
  4. Michael Tanzer war der jüngste Sohn der Bäuerin (aus deren dritter Ehe).
  5. Martin Ortmeier: „Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte“, S. 60–61
  6. Textübernahmen, auch wörtliche, stammen aus dem Aufsatz Fördermaßnahmen im Freilichtmuseum Finsterau 1984–2018 (s. Literatur).
  7. Dr. Martin Ortmeier, führte die Freilichtmuseen Finsterau und Massing 1984 bis 2019.
  8. Abbildung in Martin Ortmeier: Bauernhäuser in Niederbayern. Passau (Verlag Passavia) 1989 (ISBN 3-87616-146-0), S. 78–79
  9. Unter dem Vorsitz von Bezirkstagspräsident Sebastian Schenk war der Zweckverband Niederbayerische Freilichtmuseen zu dieser Zeit ein flexibles, auf die wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung der grenznahen Gemeinden des Landkreises Freyung-Grafenau hinwirkendes kommunales Institut.
  10. Zum Darstellungskonzept von Dr. Martin Ortmeier sh. die Akten des Museums mit den Zeichen F 7.2.11.1 Quellen, F 7.2.11.3.1 Finanzierung und F 7.2.11.4.2.6 Präsentationsplanung.
  11. Parallelhof ist ein gebräuchlicher Terminus der Bauernhausforschung.
  12. Das International Council of Museums ICOM fordert ganzheitliche Darstellung für wissenschaftlich geführte Freilichtmuseen als wesentliche Handlungsgrundlage.
  13. Das saisonale Einstellen der Rinder des Museums entspricht nicht den aktuellen Tierhaltungserfordernissen. 2016 strebte der Museumsleiter eine Erweiterung des Granitstalls zu einem Natursteinbauernhof an, der – offen zu den Weideflächen des Museums im Westen – auch einen gesetzes- und verodnungskonformen Laufstall enthalten sollte.
  14. Im Zuwendungsbescheid der Regierung von Niederbayern vom 03.06.1992 wird erläutert: „Grundlage dieser Bewilligung sind die Verordnungen (EWG) Nr. 2052/88 vom 24. Juni 1988, Nr. 4253/88 vom 19. Dezember 1988, Nr. 4256/88 vom 19. Dezember 1988, das gemeinschaftliche Förderkonzept vom 6. Juni 1990 und das operationelle Programm (OP) vom 4. Dezember 1990 zur Entwicklung des ländlichen Raumes in Bayern sowie im Anhang des operationellen Programms unter Ziff. 19 (S. 153–158) enthaltenen Grundsätze des Bayer. Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten für die Förderung von Projekten zur Diversifizierung, Neuausrichtung und Anpassung der Landwirtschaft in strukturschwachen Gebieten nach Ziel 5 b und die Art. 23 und 44 Bayer. Haushaltsordnung (BayHO). Die Beteiligung der EG an der Zuwendung beträgt 50%.“
  15. Rekonstruktion der Ausstattung durch Depotleiter Konrad Obermeier
  16. Konzept: Konrad Obermeier, didaktische Informationstafel 2022: Dr. Winfried Helm