Thomas Braun

Aus RegioWiki Niederbayern
Wechseln zu: Navigation, Suche
Thomas Braun auf einer zeitgenössischen Illustration.

Thomas Braun (* 29. März 1816 in Münchham; † 9. April 1884) war ein niederbayerischer Geistlicher und der erste altkatholische Pfarrer in Deutschland.

Leben und Wirken

Jugend in Passau, Studium in Rom

Geboren wurde Braun in der Obermühle in Münchham am 29. März 1816. Sein Pfarrer erkannte die herausragende Begabung des Müller- und Bauernbuben und schickte den 15-Jährigen nach dem üblichen Privatunterricht ans Passauer Gymnasium. Seine Zeugnisnoten waren durchwegs bis zum Abitur 1836 „vorzüglich“. Bischof Karl Joseph Freiherr von Riccabona erwirkte ihm einen Studienplatz im „Collegium Germanicum“ in Rom, wo die Elite der deutschsprachigen Bistümer ausgebildet wurde. Sein Wunsch, Priester zu werden, stand für ihn fest. Die Beurteilungen seiner Examina in Philosophie und Theologie lauteten „mehr als erreicht“ oder „überragend“. Aber im Rückblick schreibt er 1864 in sein Tagebuch:

„Rom hat meine Erwartungen nicht erfüllt. Ich erkannte bald, dass die rationalistische Theologie und die Scholastik der Jesuiten eine falsche Wissenschaft sei. Solche Wissenschaft sich anzueignen, muss man ein verworrener Kopf sein.“

Priester in Tittling und Holzkirchen

Im Herbst 1840 stellt er in einem Brief an seine Vorgesetzten sein Verständnis von Glauben im Sinne der Heiligen Schrift dar. Ein Gespräch wird ihm verweigert. Auf Drängen seiner Mitstudenten widerruft er schweren Herzens den Brief, um eine Entlassung abzuwenden. Einen Tag vor der Weihe zum Subdiakon wiederholt er seine großen Vorbehalte und Bedenken. Damit ist seine Entlassung endgültig. Innerhalb von drei Tagen solle er Rom verlassen. Aber sein Beichtvater, ein bayerischer Kapuziner, besorgt ihm eine Bleibe in Rom. Wider Erwarten gibt der Passauer Bischof Heinrich von Hofstätter nach langen Monaten des Wartens grünes Licht für die Aufnahme ins Priesterseminar und für die Weihe, die er am 12. August 1843 empfängt. Die Primiz feiert er in seiner Heimat im September 1843 „schlicht und ohne lautes Lachen und Tanz“.

Viereinhalb Jahre wirkt er mit großem Eifer in Tittling, dann wird er zweiter Kooperator in der Pfarrei Holzkirchen bei Ortenburg. In beiden Pfarreien bekommt er die Bestnoten in der dienstlichen Beurteilung und in den Examina. Er gilt als geradlinig und kritisch, als entschiedener Gegner von Scheinheiligkeit und Verstellung. Manche halten ihn für selbstherrlich und rechthaberisch.

Amtsenthebung und Exkommunikation

Der gravierende Einschnitt im Leben des Thomas Braun ist die Proklamation des Dogmas der unbefleckten Empfängnis Mariens am 8. Dezember 1854 durch Papst Pius IX. Kooperator Braun vermutet bei der Zeitungslektüre, dies sei ein Missverständnis des Redakteurs. Als aber der Bischof von seinen Priestern die öffentliche Bekanntgabe des Dogmas am Ostersonntag 1855 verlangt, schreibt Braun einen scharfen Brief. Die Antwort des Bischofs: sofortiger Entzug der priesterlichen Vollmachten und Androhung des Kirchenbanns. Im ersten Gespräch werden Brauns Argumente gegen das Dogma abgeschmettert, sie seien „falsch und abgeschmackt“. Nach dem zweiten Gespräch, das ruhiger und sachlicher verläuft, hat Braun die Illusion, der Bischof würde für sein Bistum das Dogma zurücknehmen und auch beim Papst und den anderen Bischöfen darauf hinwirken. In einem dritten Gespräch wird Thomas Braun- zu seiner großen Überraschung – wieder in seinen priesterlichen Funktionen bestätigt. Er darf in Holzkirchen bleiben.

Aber – der endgültige Bruch kommt zwangsläufig. Braun weigert sich konsequent, bei einer Marienandacht die angeordnete Einfügung in der Lauretanischen Litanei „Königin, ohne ursprüngliche Makel empfangen“ zu beten. Damit zieht er automatisch den Kirchenbann auf sich. Die Folge: Er wird der Häresie bezichtigt, seiner Ämter enthoben und exkommuniziert. In einem letzten Gespräch nennt ihn der Bischof abfällig einen „Altkatholiken“, weil er sich auf die alte, vor der Verkündung des Dogmas bestehende Kirche beruft. Er gibt offen zu: „Wenn ich Sie nicht exkommuniziere, so werde ich selber exkommuniziert.“

In einem oberhirtlichen Erlass von 1857 verpflichtete Heinrich von Hofstätter alle Beichtväter der Region Passau, jedem Beichtenden drei Fragen zu stellen: 1. Kennst du Thomas Braun? 2. Besitzt du eine seiner Schriften? 3. Hast du diese Schriften gelesen?

Neue Heimat in der Altkatholischen Kirche

Braun ist plötzlich ohne Einkommen und Wohnung. Es beginnt eine beispiellose Hetzjagd gegen ihn und seine Unterstützer. Seine Vermieter, Gastgeber und Sponsoren werden mit schweren Sanktionen unter Druck gesetzt. Sein Buch „Katholische Wahrheit“ kommt auf den Index der verbotenen Bücher – und wird trotzdem ein Bestseller in der Region. Ein flammender Hirtenbrief, im ganzen Bistum Passau verlesen, steigert die Auflage der verbotenen Schriften. An die 40 Unterstützer werden verhört und 24 Stunden eingesperrt. Er selbst bekommt vom Vilshofener Landrichter ein Aufenthaltsverbot im ganzen Bezirk, das drei Jahre andauert.

Wie kann Braun diese Zeit überstehen? Es gibt unerschrockene Freunde, die ihm Quartier und Essen gewähren, auf den Zehrpfennig oder das Elterngut verzichten. Finanzielle Unterstützung bekommt er von der altkatholischen Kirche in Holland, die seit 1723 besteht, und von Freunden in Paris. Angesichts der vielen Schikanen beschließt er, bei seiner Mutter in Münchham zu wohnen. Hier kann er in Ruhe sein Buch „Über die Einheit der Kirche“ schreiben und eine umfangreiche Korrespondenz in bestem Latein mit Theologen in Italien, Holland, Frankreich und Spanien pflegen. In 38 Thesen weist er nach, dass neue Dogmen, die in der Heiligen Schrift nicht zu finden sind, die größten Hindernisse für die Einheit der Kirche darstellen. Die Reform der Liturgie ist neben der Einheit sein zweites Anliegen. Er schreibt eine deutsche Volksmesse und neue Formen der Nachmittags-und Abendgottesdienste.

Ab 1870 findet Braun seine geistliche Heimat in der Altkatholischen Kirche, die nach der Verkündung des Unfehlbarkeitsdogmas des Papstes durch Pius IX. entsteht. Mit seiner Schrift „Ende des Papsttums – eine Antwort zur Kircheneinigung“ nimmt Braun Stellung gegen das neue Dogma. Zu gerne wäre er damals der erste Pfarrer der Altkatholiken in Passau geworden. Aber Prof. Friedrich, der die Kirchenleitung in Bayern an sich reisst, weiß das zu verhindern. Er will um jeden Preis als erster deutscher Pfarrer der Altkatholiken in die Geschichte eingehen. Thomas Braun übernimmt enttäuscht 1876 die Pfarrstelle in Mundelfingen im Schwarzwald. 1883, mit 67 Jahren geht er in den wohlverdienten Ruhestand – zurück nach Ortenburg. Am 9. April 1884 stirbt der Glaubensrebell aus Gewissensgründen. Begraben ist er in Steinkirchen auf dem evangelischen Friedhof bei Ortenburg. Eine Steinplatte erinnert an den ersten altkatholischen Pfarrer in Deutschland.

Literatur

  • Max Pinzl: Glaubensrebell und erster deutscher Altkatholik. Heimatglocken Nr. 6 vom 8. Januar 2013
  • Walter Fuchs: Thomas Braun – ein Glaubenszeuge unserer Heimat kämpfte vor 100 Jahren schon für die Einheit der Kirche, Ortenburg 1985.
  • Joseph Braun: Thomas Braun – vom Kampf und Leiden eines katholischen Priesters für die Kirche Jesu Christi, Dinkelsbühl 1965.