Wachsender Felsen

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Hier wächst ein Felsen: Auf dem Scheitel des knapp 24 Meter langen Kalktuff-Gebildes läuft eine schmales Rinnsal Quellwasser hinab. (Foto: PNP/mb)
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Detail aus dem wertvollen Usterlinger Flügelaltar. Der Felsen hat bereits seine typische Form, aber noch nicht ganz seine jetzige Höhe. (Foto: Archiv Sötltl)
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Eine Aufnahme um 1930 vor dem Wachsenden Felsen. Foto: Archiv Sötltl

Der Wachsende Felsen befindet sich auf dem Landauer Gemeindegebiet im Ortsteil Usterling am Isarradweg. Er gilt als das bedeutendste Naturdenkmal des Landkreises Dingolfing-Landau und wird auch „Johannisfelsen“ oder „Steinerne Wand“ genannt; diese Bezeichnungen haben sich jedoch im Volksmund nicht durchgesetzt.

Entstehung und Geschichte

Der Wachsende Felsen hat sich durch den Kalk, der sich im Quellwasser befindet, langsam in die Höhe aufgebaut. Leise tröpfelt das Rinnsal am unteren Ende der Gesteinsnase herunter. Girlandenartig schlängelt sich das knapp fünf Meter hohe steinerne Ungetüm am Waldeingang den Hang hinab. 24 Meter legt das schmale Wasserrinnsal von der Quelle bis zum Fuß des Felsens zurück. Er wächst wenige Millimeter pro Jahr. Der Kalk im Usterlinger Quellwasser lagert sich beim Austreten des Quellwassers aus dem Boden ab. Zusammen mit dem Moos am Felsen bildet er eine Kruste, den Moostuff. Blaualgen am Felsen machen den Tuff wasserundurchlässig, das Tuffgebilde „wächst“ nach oben - wenige Millimeter pro Jahr. „Der Felsen ist ein Naturdenkmal, das ohne den Menschen nicht sein kann“, erklärt Nik Söltl. „Ohne die jahrhundertelange Pflege durch Usterlings Dorfbewohner und heute durch den Naturschutzwart, wäre das Rinnsal schon längst ausgetrocknet. Die Moose würden verkommen.“

Zwei Mal in der Woche sieht Naturschutzwart Josef Scheuerer bei dem Felsen nach dem Rechten. Bei seinem Kontrollgang fischt er herabgefallene Blätter aus der dünnen Rinne - die könnten den Lauf des Wassers, das durch die Rinne fließt, blockieren. Wenn nicht die Blätter den Wasserlauf verstopfen, dann sind es meist die Menschen: Josef Scheuerer findet oft „kleine Staudämme“, die Besucher gebaut haben. „Es gibt immer Leute, die Unsinn machen“, sagt er. „Manche besteigen sogar den Felsen, obwohl das verboten ist.“ Das sei ziemlich gefährlich und Scheuerer muss es wissen: Er selbst klettert auf eine sechs Meter hohe Leiter, die er an die Gesteinswand lehnt, um die Rinne auf dem Felsenscheitel Abschnitt für Abschnitt zu säubern. Um da nicht umzufallen, brauche man laut Scheuerer schon ein bisschen Gefühl. Im Winter legt Scheuerer das Rinnsal trocken. Damit will er verhindern, dass Wasser im Felsen gefriert und so Risse entstehen. Wenn das Wasser sich einen anderen Weg sucht, begradigt er die Stelle mit Matsch und Lehm. „Ein Unbekannter hat es einmal gut gemeint und eine Stelle mit Beton abgedichtet. Das ist dann eher ungünstig“, erinnert sich Nik Söltl.


Das Alter des Felsens wird auf 1.000 Jahre geschätzt, ist also erdgeschichtlich noch sehr jung. Über das Alter des Felsens streiten sich laut Söltl die Gelehrten allerdings. Gemäß seines Wachstums müsste der Felsen um die 800 Jahre alt sein. Historisch belegen kann man das Naturphänomen innerhalb der letzten 500 Jahre: Im wertvollen gotischen Schreinaltar von Usterling aus der Zeit um 1500 wird auf dem unteren Bild des rechten Flügels die Taufe Jesu durch Johannes nicht am Jordan, sondern vor dem Wachsenden Felsen mit dessen Wasser dargestellt. Am Fuße des echten Wachsenden Felsen steht eine kleine Johanneskapelle. Die Verbindung vom Felsen zur Dorfkirche wird noch auf anderem Wege hergestellt. Quellwasser nah beim Felsen läuft durch eine Wasserleitung bis ins Dorf, kurz vor dem Friedhof der Kirche tritt es in einem kleinen Springbrunnen wieder aus. Früher holten die Dorfbewohner dort ihr Wasser.

Vergleicht man den Felsen mit heute, so kann man keine großen Veränderungen oder Wachstum feststellen.

In der Literatur taucht der Wachsende Felsen das erste Mal im Jahr 1567 auf. Der Ingenieur, Mathematikprofessor und Astronom Philip Apian fertigte im Auftrag des bayerischen Herzogs Albrecht V. Karten von Bayern an. um 1550 hat er im Auftrag des bayerischen Herzogs das „Fürstentum Obern und Nidern Bayern“ bereist und eine Landbeschreibung angefertigt. Darin spricht Apian unter anderem von einer Quelle am östlichen Ortsrand von Usterling, die auf dem gekrümmten Tufffelsen in einer schmalen Rinne zu Tale fließt und diesen wachsen lässt. Auf seiner Erkundungsreise war er auch auf den Felsen gestossen. In seinem Bericht hielt er fest: „Auch habe sich dieser Tuff allmählich höher erhoben und sei gewachsen, behaupten die Anwohner.“

Ansehen und ähnliche Phänomene

Der Wachsende Felsen von Usterling steht an Nummer 19 der bayerischen Geotopenliste und befindet sich unter den 77 bekanntesten Naturdenkmälern Deutschlands. Es steht auf einer Stufe mit dem Silberbergwerk in Bodenmais und dem Pfahl in Viechtach, wie Nik Söltl, Kreis-Heimatforscher, feststellt.

In Deutschland gibt es noch zahlreiche weitere solcher Naturphänomene. Auch im fränkischen Jura, oberhalb und unterhalb von Eichstätt im Altmühltal, kann man rund ein halbes Dutzend solcher wachsender Steine finden. Zum Beispiel der Felsen in Erasbach bei Berching am Rhein-Main-Donaukanal. Er ist über und über mit Moos bewachsen. An der Basis, die in einem Bachbett endet, ist der Stein mehr als doppelt so breit, wie am oberen Ende. Angeblich wächst dieser Kalkstein viel schneller, als der in der nähe von Landau. In der Region wird von einem Höhenwachstum von 2 Zentimeter pro Jahr gesprochen. Es wird zudem erzählt, dass sich in der Zeit des Zweiten Weltkrieges an dieser Stelle noch gar keine steineren Rinne befunden hat. Angeblich habe sie sich während dieser kurzen Zeitspanne gebildet.

Allerdings ist keine andere dieser Steinrinnen höher, mächtiger und präsenter als der Wachsende Felsen von Usterling.

Literatur