Waldlerhaus

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1901 hat Pfarrer Dr. Maximilian Meier dieses repräsentative Waldlerhaus in Wulreiching bei Schaufling fotografiert.
Der Fotograf dieser Dorfszene im unteren Bayerischen Wald (Oberdiendorf um 1920) ist unbekannt.

Das Waldlerhaus ist eine historische ländlich-bäuerliche Hausform, die durch Nadelholzblockbau, flach geneigtes Legschindeldach, häufig traufseitige Erschließung, außerdem eckständige Stube und giebelseitigen Schrot bestimmt ist. Sein Vorkommen ist weitgehend auf den Bayerischen und den Oberpfälzer Wald begrenzt.

Beschreibung

Gefüge

Wohnung, Stall und Stadel (für Heu, Getreidegarben und Laubstreu) sind unter einem Dach vereint. Zumeist ist der Stall mittig angeordnet (Mitterstallhaus). Bis in das fortgeschrittene 19. Jahrhundert war das Waldlerhaus gewöhnlich erdgeschossig, allenfalls darüber mit einem Kniestock. Mit Einführung der ganzjährigen Stallhaltung ab 1800 werden die Stallungen in Naturstein errichtet oder nachgerüstet und der Stadel erweitert. Häufig wird nachtäglich das ganze Erdgeschoss gemauert, meist in zweischaligem Mauerwerk (außen Naturstein, innen Ziegel). Der Kniestock bleibt in Blockbau.

Wohnung und Stall sind lange Zeit nicht direkt über die Fletz, den Flur des Wohnbereichs, verbunden, sondern über eine Gred, die unter dem weit vorgezogenen Dach entlang der Längsseite verläuft und nacheinander Fletztüre und Stalltüren (gelegentlich Futter- und Mistgang getrennt), außerdem das Klohäusl an der Miststatt erschließt. Die Tenne des Stadels verläuft erdgeschossig quer zum First, eine Längsobertenne mit giebelseitiger Auffahrt gibt es in jüngerer Zeit. Von der gewöhnlichen Erschließung des Hauses an der Längsseite des Hauses weichen die Anwesen in Grenznähe zum Böhmerwald ab.

Prägend für den Haustyp ist der häufig nach Süden orientierte Schrot an der Giebelseite. Ein längsseitiger Schrot ist selten, weil er an den Ost- und Westseiten des Hauses im niederschlagsreichen Bayerischen Wald dem Regen und er Schneeverfrachtung ausgesetzt ist und vorzeitig verfällt. In den Landkreisen Cham, Regen und Bogen ist am Schrot eine geschnitzte Mittelsäule auffällig. Die Flanken des Schrots sind häufig ganz mit Brettern verschlagen, der Schrot vor dem Giebel wird zu einer „Oberbodenlaube“.

Das gering geneigte Legschindeldach des Waldlerhauses, ein Pfettendach mit Firstpfette, gelegentlich unter der Traufe auch mit Flugpfetten, ist mit Stangen und Natursteinen eingeschwert. Unter dem Druck der Brandversicherungsprämien wird die Holzdeckung nach 1857 durch Falzziegel-, später durch Stahlblechdeckung abgelöst. Ortgang und Traufe sind zum Schutz der Fassaden an allen Seiten weit vorgezogen.

Raumanordnung

Der Hausflur, die Fletz, erschließt Stube, Kammer, Rauchküche und – über eine einläufig Stiege – das Dachgeschoss. Die Kammer ist häufig ein gefangener Raum neben der Stube. Teilunterkellert ist meist die Kammer oder die Fletz. Die Stube ist der einzige heizbare Raum. In größeren Anwesen gibt es eine zweite Kammer mit einem Fenster zur traufseitigen Gred, die durch die Fletz von der Stube getrennt ist. Dahinter verläuft gelegentlich ein „Stallgangl“, das Fletz und Stall verbindet. Der Rinderstall hat lange Zeit keine Trennung von Futter- und Mistgang, gefüttert wird also „über den Schwanz“. Das tägliche Grünfutter wird gewöhnlich auf der Tenne abgelegt, manchmal ist dafür eine gemauerte Futterkammer vom Stall abgetrennt.

Das Obergeschoss dient in kleineren Anwesen, die keinen separaten Troadkasten haben, als Getreidelager. Jüngere Bauten haben ein voll ausgebautes Obergeschoss, mit zwei oder drei Kammern, außerdem vom Flur aus einem Durchgang zur Obertenne. Große Anwesen haben ab dem 19. Jahrhundert separate Stallgebäude, dafür jedoch im Haus ein oder zwei Getreidekästen.

Bedeutende Bauten

Ruine eine Waldlerhauses in Pötzerreut bei Röhrnbach, 1986

Das Dorf Pötzerreut ist bis 1984 in seiner historischen Struktur kaum gestört. Es ist noch geprägt vom Haustyp Waldlerhaus. Ein Sturmschaden am 1. August 1983 an einem der alten Waldlerhäuser leitet eine weitgehende Zerstörung des Denkmalortes ein. Die Straßen-, Waldhufen- und Angerdörfer der mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Erschließung des Bayerischen Waldes sind, vielmehr waren fast durchwegs mit Bauernhäusern des Waldlerhaustyps besiedelt.

Im Freilichtmuseum Finsterau sind entstehungszeitliche, bautechnische und soziale Varianten des Waldlerhauses belegt.[1] Der Kappl-Hof zeigt die Hausstruktur des 18. Jahrhunderts, das Sachl eine Kleinform des späten 19. Jahrhunderts, das Wohnhaus des Petzi-Hofs eine großbäuerliche Ausformung mit Teilausmauerung. Der Tanzer-Hof ist ein spätes, im Wohn- und Stallteil gemauertes Gebäude dieses Haustyps, das Straßenwirtshaus Ehrn hat Giebel- und Traufschrote, wie es im Raum Viechtach und Regen mehrfach belegt ist.[2]

Im Böhmerwald gibt es im Gemeindebereich von Wallern (Volary) eine Sonderform des Waldlerhauses, das durchwegs giebelseitig erschlossen. Es wird in der Literatur als Wallerer Haus bzw. als Dům alpského typu geführt.

Das Waldlerhaus ist eng verwandt mit dem sogenannten Böhmerwaldhaus, das sich vor allem durch das steile, mit Scharschindeln gedeckte Schopfwalmdach unterscheidet, ansonsten in Gefüge und Raumorganisation wenig abweicht.

Ideologie

Waldlerhaus mit Legschindeldach bei Haidmühle im Altlandkreis Wolfstein, vor 1914
Ein vollständig gemauertes Bauernhaus wie dieses Anwesen in Schönbrunnerhäuser gilt – zu Unrecht – gewöhnlich nicht als Waldlerhaus.

Die Funktionsstruktur des Waldlerhauses als Wohnstallstadelhaus ist im Band „Die Bayerische Ostmark. Land, Volk und Geschichte“, veröffentlicht „im Kriegsjahr 1949“, sehr treffend beschrieben, aber im letzten Satz des Abschnitts tritt die Ideologie eines Urtümlichen und deshalb unverfälscht Guten zutage: „Das noch heut sehr waldreiche Grundgebirge mit seinen ihm eigenen klimatischen Verhältnissen zwingt den Siedler zu betonter Viehwirtschaft. So hat sich auch der oberdeutsche Einbau, der Einfirsthof, noch bis heute erhalten. Wohnung, Stallung und Scheune mit Futtervorrat reihen sich hintereinander unter einem Dach. Alle Hausteile sind zweckmäßig untereinander verbunden. (…) Wie praktisch und vorteilhaft ist es aber auch, wenn man an regenreichen Tagen und in den langen schneereichen Wintern zur Hausbewirtschaftung und Viehversorgung das schützende Dach erst gar nicht zu verlassen braucht, wie das in einer Hofanlage mit mehreren Gebäuden notwendig ist! Neuerdings wird aber auch hier vielfach die alte Einhausform durch Anbauten und Nebengebäude gestört und verdrängt.“[3]

Eine alte Lichtbildpostkarte zeigt ein Waldlerhaus im inneren Bayerischen Wald. Es ist ein erdgeschossiges Nebenerwerbsbauernhaus, das wohl zu den Zeiten der Dokumentation (vor 1914) bereits exotisch wirte. Der Verleger der Karte erhoffte sich wohl einen besonders guten Absatz, wenn er sie mit einer Aufschrift anpries, als stammte sie aus einer afrikanischen Kolonie: „Haus eines Urwald-Einwohners b. Haidmühle“.

Der Lehrer und Graphiker Walter Grössl pflegt noch 1992 die romantisierende Betrachtung des Waldlerhauses: „Das alte Waldlerhaus (…). Die grobkantigen Grundmauern aus wetterfestem Granit trägt es, das jahrhundertealte Bauerngehöft. Der kalkarme Mörtel ist tief aus den Fugen herausgewaschen. Sonnverbrannt und zum Teil schon wurmstichig liegen die spindeldürren, rohgezimmerten Balken übereinander, um das weit überstehende, flache Schindeldach zu tragen. Klein und geduckt schaut eine Welt häuslichen Friedens aus niedlichen Fensterlein über die arbeitsreichen Wirkungsstätten des Alltags hinab ins Tal.“[4].

Literatur

  • Rudolf Hoferer. Die Bauernhausformen Bayerns. In: Das Bayerland Nr. 49, 1938, Heft 4, S. 103-108
  • Martin Ortmeier: Bauernhäuser in Niederbayern. Passau 1989
  • David Mičan: Územní okruhy lidové architektury. Hauslandschaften. In: Ortmeier, Martin (Hg.). Bauernhäuser in Südböhmen. Jihoceská lidová architektura. Passau 1992, S. 60-79 (zum „Dům alpského typu“ s. S. 74-79)
  • David Mičan und Martin Ortmeier: Památky a památková péče. Denkmäler und Denkmalpflege. In: Ortmeier, Martin (Hg.). Bauernhäuser in Südböhmen. Jihoceská lidová architektura. Passau 1992, S. 152-197
  • Martin Ortmeier: Es war einmal das Waldlerhaus. In: Landkreis Freyung-Grafenau (Hg.). Planen, Bauen, Wohnen. Grafenau 1996, S. 5-7
  • Martin Ortmeier: Alles Waldlerhäuser. Bauernhäuser in Philippsreut. In: Dorn, Ernst (Hg.). Heimat an der Grenze. Gemeinde Philippsreut. Tittling 1997, S. 217-228
  • Georg Waldemer: Das „Waldlerhaus" in den Freilichtmuseen. S. 49–62. In: Astrid Hansen (Red.). Das Waldlerhaus (=Denkmalpflege Themen, Nr. 1, 2017). 2. aktualisierte Auflage, München 2017)


Anmerkungen

  1. Martin Ortmeier: Freilichtmuseum Finsterau. Die Bauernhäuser und ihre Geschichte. Passau 2009
  2. Martin Ortmeier: Schee is gwen, owa hirt. Regenstauf 2018, S. 38f.
  3. Hans Scherzer: Die Bayerische Ostmark. Land, Volk und Geschichte. München o.J. (1940), S. 432
  4. Walter Grössl: Auf verschlungenen Waldpfaden. Bayerischer Wald und Böhmerwald dargestellt in Holzschnitten, Holzstichen, Radierungen und Kupferstichen. Grafenau 1992, S. 124–125