Wasservogelsingen

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Das Wasservogelsingen ist ein Brauch, der vor allem im unteren Bayerischen Wald (Landkreis Freyung-Grafenau) gepflegt wird.

Beschreibung

Ab Pfingstsonntag ziehen bei Einbruch der Dunkelheit junge Burschen, die „Wasservögel“, in wetterfester Kleidung von Haus zu Haus. Die Wasservögel verlangen nach einer Begießung mit Wasser, indem sie das Wasservogellied singen. Häufige Vorsängerstrofen sind unter anderem:

„Mia san so bresltrucka, ös wia an Ofaglucka“
„D'Wasservögel muaß ma giaßn, sonst tuat's ös boid verdriaßn.“

Diese werden oft durch individuelle Gstanzln erweitert, die sich inhaltlich auf das gerade besuchte Haus beziehen. Nach jedem Vers wird die Eröffnungssequenz wiederholt. Die Bewohner der Häuser schütten aus Fenstern und von Balkonen Wasser auf die „Vögel“. Die Wasservögel wollen begossen, aber auch beschenkt werden. Zu den früher üblichen Eiern, die anschließend meist verkauft wurden, kommen heute auch Geldgeschenke hinzu.

Belege

Alter und Herkunft des Brauches sind unbekannt, er war aber in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts im unteren Bayerischen Wald allgemein verbreitet. Der erste bisher bekannte Nachweis ist das Schreiben des Pfarrers von Herzogsreut an das Bezirksamt Wolfstein vom 10. Mai 1899, worin er die Behörden aufruft, gegen diese „Nachtruhestörung ärgster Art“ vorzugehen.

Ausführlich geschildert wird das Wasservogelsingen in einem Schreiben der Gendarmerie-Sektion Mauth vom 16. Mai 1906 an das Bezirksamt Wolfstein. Danach gab es wiederholt behördliches Einschreiten, oft mit einem ortspolizeilichen Verbot, das aber von manchen Gemeinden ausdrücklich abgelehnt wurde, weil es sich beim Wasservogelsingen um einen alten Brauch handle.

Dabei wurde erwähnt, der Brauch sei vorchristlichen, altgermanischen Ursprungs, wobei als Beweis das Werk von Wilhelm Mannhardt: Wald- und Feldkulte (2 Bände, 1875) herangezogen wurde. Von da an breitete sich die Interpretation dieses Brauches als Fortleben von uraltem germanischem Volksgut aus. Der Heimatforscher Ernst Dorn schrieb dazu: „Das sind die zählebigen, reflexionsartigen Interpretationsmuster des 19. Jahrhunderts, bei denen z. B. das Ausgießen von Wasser automatisch Regenzauber bedeutet.“

Der Heimatdichter Max Matheis veröffentlichte in seinem Gedichtband Bayerisches Bauernbrot ein vierstrofiges Gedicht mit dem Titel s' Wasservoglsingen, das mit den folgenden Versen beginnt:

Allweil lustiger wird's jetzad
Ruaft der Pfingstvogel im Wald,
greifn si' Bursch'n scho ganz hoamli,
denn Pfingstsundandacht kimmt bald.
Da wird Wasservogl gsunga
vor an jed'n Bauernhaus,
lang, bis' halt der Bäuerin z'dumm wird
und bis' mit die Oa ruckt raus.

Literatur

  • Max Matheis: Bayerisches Bauernbrot, 6. Auflage, Verlag Morsak, Grafenau, ISBN 3-87553-019-5
  • Ernst Dorn: Heimat an der Grenze. Gemeinde Philippsreut, Tittling, 1997, ISBN 3-00-001354-7, S. 500 ff.
  • Thomas Haslböck: An Pfingsten bleibt kein Sänger trocken. In: Passauer Neue Presse vom 18. Mai 2013