Willibald Ernst

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Willibald Ernst

Willibald Ernst (* 27. Juni 1942 in Simbach bei Landau; † 1. März 2018 in Pfarrkirchen) war ein deutscher Lehrer, Musiker, Schriftsteller und Heimatforscher. Sein Wirk- und Wohnort war 1973–2018 Gangkofen. Mit der Transkription der Stubenberger Handschriften[1] hat er überregionale Bedeutung erlangt.

Leben und Wirken

Das pädagogische Prinzip, in sich weitenden Kreisen tätig zu sein, lebte Willibald Ernst im Beruf, im musischen Ehrenamt, in privater Geselligkeit und Freude am Musizieren und in der Wissenschaft. In seiner Gemeinde Gangkofen war er in Schule und Kirche tätig, im Altlandkreis Eggenfelden und darüber hinaus im südlichen Niederbayern musizierte er, in den einschlägigen Archiven der Region (u.a. im Volkskulturarchiv des Bezirks Niederbayern) forschte er.

Als Jüngster von acht Kindern „wuchs er in einer großen, liebevollen Familie auf, in der gerne gesungen und musiziert wurde“ (Gretl Ernst). Im August 1967 heiraten Willi und Gretl Ernst, sie haben gemeinsam vier Kinder.

Schule und Beruf

Damit er das Gymnasium besuchen konnte, kam Willibald Ernst im Alter von elf Jahren nach Passau ins Internat. 1962 schloss er dort mit dem Abitur seine Schulzeit ab. Danach leistete er eineinhalb Jahre Wehrdienst als Pionier. Vom Frühjahr 1964 bis 1967 studierte er an der Pädagogischen Hochschule München-Pasing für das Lehramt an Volksschulen.

Nach der 1. Lehramtsprüfung folgte sein erster Einsatz als Lehrer im Bayerwalddorf Finsterau. Noch im selben Jahr wechselte er an die Verbandsschule Kollbach-Obertrennbach, wenige Jahre später an die Grund- und Hauptschule Gangkofen. In seiner Zeit als Lehrer hat er alle Jahrgänge von der 1. bis zur 9. Klasse unterrichtet.

Die letzten neun Dienstjahre wirkte er als Konrektor an der Grundschule Gangkofen.

Forschung und Musikpflege

Publiziert hat er in den niederbayerischen Periodiken Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern, Passauer Jahrbuch (Ostbairische Grenzmarken), Der Storchenturm, Heimat Ostbayern usw., zudem in den weiter gefassten populären Zeitschriften Sänger- und Musikantenzeitung und Zwiefach. Er hat zu Publikationsreihen wie dem Bundschuh, der Schriftenreihe des Museums Innviertler Volkskundehaus, oder den Neuen Veröffentlichungen des Instituts für Ostbairische Heimatforschung der Universität Passau beigetragen. Mit der Bayerischen Akademie der Wissenschaften hat er sein opus magnum geschaffen: die (erläuterte) Transkription der Stubenberger Handschriften. Seine Familie und die Freunde in Lehre, Musik und Wissenschaft pflegte er im innersten Kreis. Mit Adi Brummer, Lugg Brummer und Sepp Rembeck hat er 1971 bis 1989 die Gangkofener Sänger[2] gebildet.

Zu Gedichten von Robert Erbertseder, Ponzauner Wigg (Ludwig Gruber), Ludwig Altenhöfer, Johannes Linke, Lothar Zenetti, Robert Kothe, Kurt Rommel u.a., auch zu überlieferten und eigenen Reimen hat er Melodien verfasst. Der Ernst Willi war völlig frei von wissenschaftlichem und heimatpflegerischem Dünkel, aber in der Quellentreue war er kompromisslos.

Würdigung

“Der Volksschullehrer und Konrektor Willibald Ernst aus Gangkofen im Rottal war ein Lehrer im klassischen Sinne, dessen Wissens- und Vermittlungsdrang nicht vor dem Schultor endete. Sein Leben lang war der kunstsinnige und tief religiöse Pädagoge als Chorleiter und Musikant (u. a. mit den Gangkofener Sängern) aktiv. Daneben widmete er sich ebenso intensiv der Heimatforschung. Im Zentrum seiner Interessen standen die ‚Stubenberger Handschriften‘ – mit über 800 Titeln die umfangreichste Liedtextsammlung der Region, entstanden an der Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert. Ernst hat die in Kurrentschrift verfertigte Sammlung in Kooperation mit dem Institut für Volkskunde der Bayerischen Akademie der Wissenschaften mühevoll transkribiert.“[3]

Auszeichnungen

  • Bayerische Verfassungsmedaille 2013
  • Mooser Liesl-Preis, „Ehrenpreis Niederbayern für das Lebenswerk“ 2018
  • Widmung der Komposition „Bildstock in memoriam Willibald Ernst“ (ort71) für Flöte und Akkordeon von Philipp Ortmeier 2020

Publikationen (Auswahl)

Dem Nachruf von Walter Hartinger im „Bayerischen Jahrbuch für Volkskunde“ ist ein „Verzeichnis der Publikationen von Willibald Ernst“[4] angefügt.

Hervorzuheben ist die Reihe der „Stubenberger Handschriften“:

  • (Hg. zus. mit Gabriele Wolf): Geistliches Zeitten Buch worin die Schönsten gebether Sambt den gesänggern, auf Alle Hohe Fest und andere untterschiedliche heillige zeitten des ganzen Jahr hindurch beschriben seind, gesammelt und geschrieben von Phillipp Lenglachner (*1769, †1823). Edition der Handschrift Cgm 7341 der Bayerischen Staatsbibliothek München, transkribiert von Willibald Ernst (Stubenberger Handschriften 1; Quellen und Studien zur musikalischen Volkstradition in Bayern 4). München 2012
  • (Hg. zus. mit Gabriele Wolf): Gesänger Buch. Der Erste Theill worinnen die Geistlichen Gesänger zu finden seind: Anno 1796, gesammelt und geschrieben von Phillipp Lenglachner (*1769, †1823). Edition der Handschrift Cgm 7341 der Bayerischen Staatsbibliothek München, transkribiert von Willibald Ernst (Stubenberger Handschriften 2/1; Quellen und Studien zur musikalischen Volkstradition in Bayern 5). München 2014
  • (Hg. zus. mit Gabriele Wolf): Gesänger Buch. Der Zweyte Theill Worinnen! die Weltliche Gesänger zu finden seind, gesammelt und geschrieben von Phillipp Lenglachner (*1769, †1823). Edition der Handschrift Cgm 7341 der Bayerischen Staatsbibliothek München, transkribiert von Willibald Ernst (Stubenberger Handschriften 2/2; Quellen und Studien zur musikalischen Volkstradition in Bayern 6). München 2017

In Zusammenarbeit mit Dr. Philipp Ortmeier und Dr. Maximilian Seefelder hat Willibald Ernst ausgewählte Texte der Stubenberger Handschriften für den praktischen Gebrauch ediert und mit Noten versehen:

  • Kulturreferat des Bezirks Niederbayern (Hg.): „Auf, auf, ihr Hirten all …“ Lieder von Advent bis Lichtmess aus den Stubenberger Handschriften. (Materialien zur musikalischen Volkskultur in Niederbayern 9). Landshut 2009
  • Kulturreferat des Bezirks Niederbayern (Hg.): „Gott zu Ehren …“ Lieder von der Fastenzeit bis Allerseelen aus den Stubenberger Handschriften. (Materialien zur musikalischen Volkskultur in Niederbayern 12). Landshut 2013
  • Kulturreferat des Bezirks Niederbayern (Hg.): „Freu dich, o Himmelskönigin …“ Marienlieder aus den Stubenberger Handschriften. (Materialien zur musikalischen Volkskultur in Niederbayern 13). Landshut 2017

Seinem Heimatort Gangkofen hat er vielfach seine Forschungstätigkeit zugewandt:

  • Das Gangkofener Schulwesen, Bd. 1: Gangkofen und Seemannshausen. Gangkofen 1999
  • Das Gangkofener Schulwesen, Bd. 2: Die Dorfschulen. Teil 1: Angerbach, Dirnaich, Hölsbrunn. Gangkofen 2003
  • Das Gangkofener Schulwesen, Bd. 2: Die Dorfschulen. Teil 2: Kollbach, Obertrennbach, Reicheneibach. Gangkofen 2005
  • Gangkofen und der Deutsche Orden. In: Staatliches Schulamt im Landkreis Rottel-Inn (Hg.): Heimatkundlicher Informationsdienst 23 (2004), H. 1, Bl. 1–20
  • Auswirkungen der Reformation in und um Gangkofen. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 138 (2012), S. 67–96
  • Anekdoten aus dem Schulleben (Gangkofens). Gesammelt und aufgeschrieben von Willibald Ernst. Frontenhausen 2012
  • ZV Gangkhofen im Bayerlandt. In: Verhandlungen des Historischen Vereins für Niederbayern 140 (2014), S. 5–10
  • Ratswahlen in Gangkofen im 16. und 18. Jahrhundert. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte, Geographie und Kultur Ostbaierns 57 (2015), S. 81–92
  • Das Pfleggericht Gangkofen-Massing. Verwaltung und Justiz im frühneuzeitlichen Bayern. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte, Geographie und Kultur Ostbaierns 60 (2018), S. 239–269

Quellen

  • Walter Hartinger: In memoriam Willibald Ernst (27. Juni 1940 – 1. März 2018). In: Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2018 (Hg.: Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften – Institut für Volkskunde), S. 243–247, München 2018

Anmerkungen

  1. [1] Stubenberger Handschriften werden neu herausgegeben: Lumpensammler als Handschriftenautor, Stand 10. März 2013, 18:34:00
  2. [2] Abschied von einem leidenschaftlichen Sänger, Stand 2. Juli 2013, 15:43:00
  3. Am 12. Juni 2020 wurde im Rahmen einer musikalischen Soirée in der Sankt Anna-Kapelle auf Einladung des Kunstvereins Passau e. V. das Werk Bildstock in memoriam Willibald Ernst von Philipp Ortmeier uraufgeführt. Hier ist aus dem Programmheft des Abends ein Text von Philipp Ortmeier zitiert.
  4. Bayerisches Jahrbuch für Volkskunde 2018 (hrsgg. von der Kommission für bayerische Landesgeschichte bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften – Institut für Volkskunde), S. 243–247