Lex Baiuvariorum

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Die Lex Baiuvariorum enthält die wesentlichen Teile des bajuwarischen Stammesrechts. Sie ist Straf-, Zivil- und Prozessrecht zugleich.

In 23 Paragraphen werden Stellung und Recht des Herzogs, seiner Familie, des Klerus und des Hochadels festgeschrieben. Neben den "Agilolfingern" folgen fünf große Adelsfamilien: die Huosi, Drozza, Fagana, Hahilinga und Annnona. Die Stellung dieser Geschlechter ist im alten Baiern ebensowenig bekannt wie ihre Wohnorte.

Entstehung

Die Patres der Benediktinerabtei Niederaltaich schrieben, wohl in fränkischen Auftrag, auf mehr als einhundertfünfzig Pergamentseiten das älteste Volksrecht, schon kurz nach der Klostergründung 741 unter dem baierischen Herzog Odilo. Die Bestimmungen dieses Gesetzbuches geben einen guten Einblick in die Lebensverhältnisse im frühmittelalterlichen Baiern. Der Verfasser, ein Mönch, muss mit Sicherheit aber ein gebildeter Kleriker des Klosters "Altach" gewesen sein, da er wohlvertraut war mit einheimischen Bräuchen. Der Adel galt als besonders geschützt, wer sich an den Großen des Landes verging musste bei der Bußzahlung sehr viel tiefer in die Tasche greifen. Der Bischof stand an erster Stelle, gefolgt vom Herzog und seiner Familie, dem Adel, dem Freien (liber), dem Freigelassenen (libertus), den Unfreien und Leibeigenen (servus).

Das Gesetzbuch umfasste einen Bußkatalog und kannte für alle Delikte die angemessene Strafe, obwohl die Paragraphen zwischen hoch und niedrig stark unterschieden.

  • Wer einen Freien "im Zorn" schlug, genannt Beulenschlag, zahlte einen Schilling, bei einem Freigelassenen einen halben Schilling, bei einem Knecht eine Tremisse

Frauen werden im "Lex Baiuvariorum" mit einem eigenen umfangreichen Kapitel bedacht:

  • Achtzig Schillinge kostete, die Braut eines anderen zu entführen. Wer das gleiche Delikt bei einer Nonne beging, musste das Doppelte bezahlen, da er sich an einer Braut Christi vergangen hatte.
  • Mit 12 Schillingen büßte ein Heiratsschwindler, wenn er eine freie Frau verführte, ganz gleich ob er sie ehelichen wollte oder nicht.
  • Wenn einer mit einem Fuß in das Bett gestiegen ist, vom Weib aber gehindert wurde und nichts weiter tat- so waren 15 Schillinge fällig.
  • Wenn er ihr die Kleider über die Knie aufhebt, was man Kleiderzerrung nennt, waren 12 Schillinge fällig.

Im fünfzehnten Kapitel steht der Paragraph:

  • Wenn einer sein Besitztum einen anderen verkauft, es sei gebautes oder ungebautes Land, Wiesen oder Wälder, so soll der Kauf nach empfangenen Preis durch Urkunde oder durch Zeugen als rechtsbeständig erwiesen werden. Jeder Zeuge soll am Ohr gezogen werden (per aurem debet esse tractus), denn so verlangt es das Gesetz.

Das Ohrenzupfen war typisch für Altbaiern und war so bekannt, dass es in alten Urkunden oft nur heisst, dass man den Zeugen "nach bairischer Art" (more Baivariorum) gewonnen habe. Wenn eine erwiesene Wahrheit ans Licht gebracht werden sollte, so mussten drei ebenbürtige Zeugen anwesend sein. Gibt es nur einen Zeugen und der Angeklagte leugnet, so wird das Gottesurteil auf dem Kampfplatz angerufen, eine oft lebensgefährliche Angelegenheit in einem bajuwarischen Prozess der einzige Zeuge zu sein.

Alles sollte einen gerechten Lauf nehmen, was immer passierte, denn so sagte die "Lex", kein freier Baier (Baiuvarius) soll sein Grundeigen oder sein Leben verlieren, es liege denn ein todeswürdiges Verbrechen vor. Es sollte auch niemand im Herzogtum ungerecht behandelt werden. Die im 8. Jahrhundert niedergeschriebenen Grundrechte waren fein abgestuft und die Gleichheit wurde nicht übertrieben.