Giftgaswolke Simbach

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Am 12. Dezember 1980 entstand durch einen Brand eine Giftgaswolke über Simbach am Inn.

Ablauf

Beinahe wäre dieser Brand den Menschen der Grenzstadt und den umliegenden Orten zum Verhängnis geworden. Gelbe Rauchschwaden hüllten das Lagerhaus ein. Sie breiteten sich Richtung Gartenstraße und Braunau aus. Ein Großaufgebot an Einsatzkräften von Feuerwehren aus dem ganzen Landkreis Rottal-Inn und Braunau waren bemüht, dem Unglück Herr zu werden.

Angefangen hatte alles gegen 9.45 Uhr am Freitagmorgen des 12. Dezember. Zu diesem Zeitpunkt bemerkte ein Lagerarbeiter die ersten Anzeichen eines Schwelbrandes im Haus. Rund 8000 Zentner des Düngemittels Nitrophoska waren am Vortag und am Tag des Unglücks aus vier Eisenbahnwaggons in den ersten Stock gebracht worden.

Schnell verständigte Josef Oberlechner den Simbacher Feuerwehrkommandant Josef Schöber, der sofort an den Brandplatz eilte. Schöber meldete die Vorkommnisse der Polizei, die wiederum Feueralarm auslöste. Als zu diesem Zeitpunkt in Simbach die Sirenen heulten, dachte wohl niemand der Feuerwehrleute daran, dass es sich bei diesem Einsatz um die größte Rettungsaktion in der Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg handeln würde. In nur wenigen Minuten war aus kleinen Rauchschwaden eine große gelbe Giftwolke entstanden.

Die Giftgaswolke überlagerte einen halben Quadratkilometer des Stadtbereichs südlich der Bahnlinie. Aufgrund der zunehmenden Intensität des Brandes wurde die Bevölkerung durch die Polizei gewarnt. Kommandant Schöber gab Alarmstufe eins, wodurch auch die umliegenden Wehren verständigt wurden. Unterstützung kam aus Braunau und von der Werksfeuerwehr Ranshofen. Die Zufahrtsstraßen zur Innenstadt wurden komplett abgeriegelt und der Grenzübergang nach Braunau gesperrt.

Um die Mittagszeit wurde Katastrophenalarm ausgelöst. Von nun an lag die Verantwortung beim Krisenstab unter Landrat Ludwig Mayer. Über Sondermeldungen im Rundfunk informierte man die Bevölkerung über die aktuelle Lage. Aus Sicherheitsgründen wurde die Evakuierung der äußeren Innstraße und Gartenstraße angeordnet. Rund 1200 Personen sollten ihre Wohnungen verlassen und sich zur Turnhalle im Schulzentrum begeben. Hier hatte das BRK ein Notlager errichtet. Allerdings kamen nur rund 150 Personen dieser Aufforderung nach.

Gegen 15 Uhr etwa erging die Meldung „Brandstelle unter Kontrolle“. Kurz danach wurde der Katastrophenalarm für die Stadt aufgehoben. Die Lage normalisierte sich wieder und Straßensperren wurden aufgehoben und die Rückführung der Evakuierten in ihre Häuser veranlasst.

Teile des Kunstdüngers wurden noch am selben Tag auf eine Spezialdeponie nach Sandbach gebracht. Später wurde auch die Deponie der Firma Wacker in Burghausen dafür genutzt.

Wie gefährlich die Sache war, zeigt, dass 52 Personen infolge des Brandes mit Vergiftungserscheinungen ins Simbacher Krankenhaus eingeliefert wurden. Für eine optimale Versorgung der Bevölkerung waren an diesem Katastrophentag 300 Sanitäter und viele Notärzte im Einsatz. Als Gegenmittel für die Atemwegsbeschwerden lieferte ein Hubschrauber aus München Inhalationsmittel zur Bekämpfung des auftretenden Hustenreizes. Insgesamt gab es zwei Lieferungen des Mittels, wovon 560 Stück bis Mitternacht an die betroffenen Personen ausgegeben wurden.

Bekämpfung

Für die Verantwortlichen der Feuerwehr stellte sich ein großes Problem: Wie reagiert das Düngemittel mit Wasser? Um keine Fehler bei der Bekämpfung des Brandes zu begehen, setzten sich Oberlechner und Schöber mit BASF in Ludwigshafen in Verbindung. Dort gab man über die Gefährlichkeit und Möglichkeiten einer wirkungsvollen Bekämpfung bereitwillig Auskunft.

Zunächst wurde der Atemschutzkompressor in die Bus-Halle der Firma Jakobs im Industriegebiet verlegt, denn die Rauchwolke hatte bereits das neue Feuerwehrhaus (inzwischen abgerissen) eingenebelt.

Währenddessen spitzte sich die Lage am Brandherd immer mehr zu. Nur über die Dachluke des Lagerhauses war es möglich, den Brand mit gezieltem Wasserstrahl zu bekämpften - für eine wirkungsvolle und nachhaltige Bekämpfung zu wenig. Es musste eine andere Lösung gefunden werden. Der Versuch, mit Motorsägen einen Teil des Dachstuhls herauszuschneiden, scheiterte wegen der enormen Gasentwicklung. Trotz Atemschutz war die Sicht für diese Aktion nicht ausreichend.

Mithilfe eines Radladers und Baggers wurden anschließend Teile der Gebäuderückseite eingerissen, die Fahrer erhielten hierbei ausreichenden Atemschutz. Nun hatten die Feuerwehren, die mittlerweile mit ihren Drehleitern aus Pfarrkirchen, Eggenfelden und Braunau am Einsatzort waren, einen besseren Zugang zum Brandherd und spritzen mit vereinten Kräften Löschwasser ins Zentrum der Brandstelle.


Literatur