Alfred Koschminsky

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Dr. Alfred Koschminsky auf einer Aufnahme aus dem Jahr 1931.
Das „Doktorhaus“ der Familie Koschminsky auf einer Postkarte aus dem Jahr 1910.

Dr. Alfred Koschminsky (* 6. Mai 1871 in Witkowo, Polen; † 17. März 1944) war ein Breitenberger Arzt, Sanitätsrat und Politiker.

Leben und Wirken

Tätigkeit als Arzt in Breitenberg

Am 1. Mai 1901 übernahm der am 6. Mai 1871 im heute zu Polen gehörigen Witkowo geborene Dr. Alfred Koschminsky die freigewordene Landarztpraxis in Breitenberg. Die Arztpraxis befand sich im Nebengebäude des Gasthauses „Zur Post“ im 1. Stock. Am 31. Mai 1901 heiratete Dr. Koschminsky die am 9. Januar 1877 in Prag geborene Emma Preser, Tochter des Kammerdirektors Karl Preser. 1907 übersiedelte Dr. Koschminsky in sein neuerbautes, „herrschaftliches Doktorhaus“ am Osthang des Höpflberges an der alten Straße von Breitenberg nach Klafferstraß.

Dr. Koschminsky war ein überaus angesehener, tüchtiger Arzt, der im weiten Umkreis von Breitenberg bis ins Mühlviertel seine Patienten versorgte, in der eigenen Praxis auch Operationen durchführte. Für die weiten Hausbesuche hielt er sich ein eigenes Pferdegespann mit Kutsche und Kutscher, 1924 kaufte er sein erstes Auto, stellte einen Chauffeur an. Zudem lag ihm auch die wirtschaftliche Entwicklung seiner Heimat am Herzen. Als langjähriger Gemeinderat und zeitweise als 2. Bürgermeister von Breitenberg, als Bezirksrat und Mitglied des Bezirksausschusses des Bezirks Wegscheid kämpfte er mit Erfolg für die Verkehrsanbindung der „Neuen Welt“ an die Märkte Wegscheid, Waldkirchen und Hauzenberg und damit auch an Passau. Am 19. Mai 1926 konnte Busunternehmer Fritz Speth die „private Kraftwagenlinie Passau-Wegscheid-Breitenberg-Waldkirchen“ eröffnen. Auch bei der Versorgung Breitenbergs mit elektrischem Strom war Dr. Koschminsky federführend. Mit Schützenfreunden gründete er 1930 den Breitenberger Kleinkaliberverein und unterstützte den jungen Verein beim Bau der Schießanlage am Binderberg.

Welches Ansehen Dr. Alfred Koschminsky, inzwischen zum Sanitätsrat ernannt, allerorten genoss, zeigt eine Laudatio zu seinem 30-jährigen Wirken als Arzt in Breitenberg im Wegscheider „Grenzboten“ am 25. April 1931:

„Vor 20 und mehr Jahren, da sich in Haidmühle, Neureichenau, wie auch jenseits der österr. Grenze in Peilstein, Kappel usw. noch keine Ärzte niedergelassen hatten, war der Breitenberger Doktor oft ganze Tage bei sibirischer Kälte auf seinem Schlitten gesessen, um seine Patienten am Dreisessel-Rücken oder im österr. Mühlviertel zu besuchen. Man denke ferner an die ärmlichen, manchmal in recht ungesunden Verhältnissen lebenden und nicht selten unbeholfenen Waldlerfamilien! Hier zurechtzukommen setzt nicht nur echte Berufsfreude, sondern vor allem auch warme Menschenfreundlichkeit voraus. Der Herr Jubilar vereint beides in mustergültiger Weise. Er gewann bald das traute Walddorf in der ,Neuen Welt‘ als seine zweite Heimat lieb. [...] Dr. Koschminsky ist eben ein Landarzt, wie ihn unsere Gegend braucht. Zu jeder Zeit und unter allen Umständen hilfsbereit, ist während der 30 Jahre seines hiesigen Wirkens reicher Segen seinen Händen entströmt. [...] Auch die Regierung hat die segensreiche Tätigkeit des H. Dr. Koschminsky durch Verleihung des Sanitätsratstitels gewürdigt.“[1]

Inhaftierung durch die Nationalsozialisten

Dieses „segensreiche Wirken“ von Dr. Koschminsky als Arzt und Politiker wurde durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 immer stärker behindert. Aufgrund eines jüdischen Großvaters wurde er nach der nationalsozialistischen Rassenlehre als „Vierteljude“ eingestuft. Als solcher war Dr. Koschminsky zwar nicht unmittelbar den grausamen Schikanen der Nationalsozialisten ausgesetzt, gleichwohl wurde er wegen seiner „jüdischen“ Abstammung diskriminiert: im Gemeinderat von Breitenberg, im Bezirksausschuss, ja sogar im Kleinkaliberschützenverein war plötzlich für ihn kein Platz mehr. Im Zuge der deutschlandweit angeordneten „Aktionen gegen Juden“ anlässlich der Reichspogromnacht („Reichskristallnacht“) vom 9. November 1938 wurde auch Dr. Koschminsky verhaftet und im Landgerichtsgefängnis Passau festgehalten.

Dort setzten sich Chefarzt Dr. Fritz Niedermayer vom Passauer Krankenhaus und der Passauer Rechtsanwalt Dr. Maul für seine Freilassung ein, wahrscheinlich unterstützt vom damaligen Kreisleiter der NSDAP und Passauer Oberbürgermeister Max Moosbauer. Nur so erklärt sich die eidesstattliche Erklärung vom Emma Koschminsky im Dezember 1951, mit der sie bei einer Gerichtsverhandlung den ehemaligen Nazi-Passauer Oberbürgermeister Max Moosbauer entlastete:

„So oft ich in Herrn Moosbauer seinem Büro etwas zu erledigen hatte, wurden mir meine Bitten stets gewährt und er kam mir in seiner sehr liebenswürdigen Weise entgegen. – Und soviel ich weiß, hat Herr Moosbauer, trotzdem mein Mann aus jüdischem Haus war, ihn sehr geschätzt. – Ich bin Herrn Moosbauer heute noch für vieles dankbar.“[1]

Aufgabe der Praxis und Tod

Aus Altersgründen, er war immerhin schon 67 Jahre, und müde und gebrochen von Anfeindungen linientreuer Parteimitglieder und Bespitzelungen durch die Gestapo, gab Dr. Koschminsky 1938 seine Arztpraxis auf, behandelte aber weiterhin Patienten, die „ihrem“ langjährigen Doktor die Treue gehalten hatten und ihn mit Lebensmitteln versorgten. Bis Anfang 1944 stelle er immer wieder Rezepte aus, die anstandslos akzeptiert wurden. Von einer amtlich angeordneten Schließung seiner Arztpraxis und einem Entzug der ärztlichen Approbation kann also nicht die Rede sein, jedoch wurde sein im Jahre 1933 angeschafftes Auto Marke „Maybach“ von den Behörden beschlagnahmt.

So wurde es langsam still um Dr. Koschminsky, vor allem nachdem sich im Sommer 1943 eine schwere Krankheit bei ihm bemerkbar machte. Am 17. März 1944 starb Dr. Alfred Koschminsky im Alter von 73 Jahren, als Todesursache wurden Nierenversagen und Herzschwäche angegeben. Entsprechend seinem letzten Willen sollte er am frühen Morgen ohne Teilnahme der Bevölkerung im Breitenberger Friedhof beigesetzt werden.

Letztes Geleit

In einer sehr gehässigen Schilderung berichtet ein SD-Berichterstatter über die „Beerdigung des Juden Koschminsky in Breitenberg“ an die zuständige SD-Außenstelle in Passau:

„Freitag, den 17.3.44 abends 21 Uhr starb der Herrgott von Breitenberg unter qualvollen Schmerzen. Darob grosses Weinen und Wehklagen. Pg. M.R. versah das Amt der Leichenfrau und bahrte den Leichnam auf. Menschenströme zogen ins Trauerhaus und nahmen von ihrem großen Toten (König von Breitenberg) Abschied. Auf ausdrücklichen Wunsch des Verstorbenen fand die Beerdigung am Montag, den 20.3.44 früh 6 Uhr, vor Sonnenaufgang statt. Trotz Verbots vonseiten des Ortsgruppenleiters fuhr Pg. N.L. den Leichnam. Eine stattliche, betende Volksmasse bewegte sich im Leichenzug, bedauerlicherweise auch Parteigenossen. (Wie verschwindend gering ist dagegen die Anteilnahme und Beteiligung der Bevölkerung bei Heldenehrungen.) Der hiesige Pfarrer nahm die üblichen kath. Zeremonien vor. Solche Ehre tut man hier noch einem Juden im 5. Kriegsjahr an, wenngleich heute jeder Deutsche die Weltgefahr des Judentums erkennen müsste.“[1]

Augenzeugen schilderten den Leichenzug hingegen wie folgt:

„[...] rund 70 Breitenberger Bürger ließen es sich nicht nehmen, den geliebten Arzt auf seinem letzten Weg zu begleiten. Nepomuk Laus, Freund und ehem. Aushilfskutscher, fuhr den Leichnam mit seinen Pferden vom Wohnhaus zur Kirche. Am Kriegerdenkmal stoppte die Gestapo den Leichenzug und untersagte den Weitertransport. Mit bellender Stimme schrie einer: ,Der Jud kommt nicht in den Friedhof.‘ Nach einem heftigen Wortwechsel und Androhungen setzte Laus mit den Worten ,schämt euch‘ die Fahrt zum Friedhof fort [...]“[1]

Mit oberhirtlicher Erlaubnis beerdigte Pfarrer Franz Xaver Moser nach katholischem Ritus Dr. Alfred Koschminsky im Familiengrab auf dem Breitenberger Friedhof.

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 1,2 1,3 Helmut Rührl: „Ein Landarzt, wie ihn unsere Gegend braucht.“ In: Passauer Neue Presse vom 17. März 2014 (S. 39)

Literatur