Glasfabrik Spiegelau

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Werksverkauf der Kristallglasfabrik Spiegelau

Die Glasfabrik Spiegelau ist eine Glasfabrik in Spiegelau im Landkreis Freyung-Grafenau.

Geschichte

Die erste Glashütte

Zur bereits bestehenden Glashütte in Klingenbrunn erbaute der Kaufmann Erasmus Mospurger am Zusammenfluss zwischen Schwarzach und Großer Ohe eine weitere. Der Name „Spiegelau“ ergab sich aus dem hergestelten Produkt und der Lage in der Flussaue. 1521 vermachte Mospurger in seinem Testament beide Glashütten der Pfarrkirche Grafenau. 1532 kaufte sein Passauer Vetter Sigmund Frisch die beiden Glashütten von der Grafenauer Pfarrkirche. Im Spruchbrief von 1532 wird „Spieglaw“ erstmals schriftlich erwähnt.

Auf Sigmund Frisch folgte 1556 Achatz Frisch und 1585 Georg Rabensteiner. 1599 war der in diesem Jahr verstorbene Gotthard Riedl Hüttenherr in Spiegelau und Klingenbrunn. 1602 legte Mattheus Greippel bzw. Greipl die Glashütte Spiegelau still. Von da an war in Spiegelau bis ins 19. Jahrhundert nur von einer Landwirtschaft und zeitweise von einer Mühle die Rede. Die Glashüttenrechte blieben jedoch bestehen.

Die Stanglhütte

1838 erwarben der Deggendorfer Eisenwarenhändler Anton Hellmayer und seine Frau Katharina einen Teil des Gesamtbesitzes mitsamt den Gebäuden (Pocher, Mühle, Säge, Kiesofen) in Spiegelau und die baufällige Klingenbrunner Neuhütte. 1839 verlegten sie diese Glashütte nach Spiegelau, doch schon 1842 wurde sie versteigert.

Der Zwieseler Fuhrunternehmer und Bierbrauer Anton Stangl ersteigerte den Glashüttenbetrieb für 21000 Gulden. Durch Spezialisierung auf die Herstellung von Arzneimittelflaschen und Schnupftabakgläsern neben einfachem Gebrauchsglas führte er die Hütte zu neuer Blüte. Nach seinem Tod 1860 trat sein Sohn Ludwig Stangl die Nachfolge an. Nach Ludwig Stangls Tod im Jahr 1898 übernahm sein Sohn Ludwig jun. den Betrieb der Stanglhütte. Er musste an die Witwe seines Vaters 80000 Reichsmark zahlen, was er nur durch hypothekarische Belastungen aller Besitzungen erfüllen konnte. Als er 1905 starb, wurde der Grundbesitz aufgeteilt und an 14 Interessenten verkauft. Sein Schwager Max Rosenberger führte die Glashütte in Pacht weiter.

1908 erwarben die Spediteure Militzer und Münch aus Hof die Hütte für 25000 Gulden. 1909 verkauften sie die Glashütte an Anton Hilz und den Münchner Kaufmann Ferdinand Dallmayr. Diese modernisierten den Betrieb, der aber 1912 in Konkurs ging. Militzer und Münch ersteigerten die Glashütte aus der Konkursmasse und legten sie 1913 still.

Die Kristallglasfabrik

Seitenansicht der Glasfabrik

1919 erwarb der Metallwarenhersteller Bing aus Nürnberg den Betrieb. Fritz Pretzfelder (genannt „der Glaspapst“) leitete ihn unter dem Namen „Bing - Glas & Keramik“. Bald musste ein zweiter Glasschmelzofen angeschafft werden, um der Nachfrage gerecht zu werden. 1926 erwarb Pretzfelder die Fabrik und wandelte sie in eine GmbH um. Es gelang die Herstellung eines hochwertigen, für den feinen Schliff geeigneten Kristallglases, das dem Geschmack der Zeit entsprach. 1928 erhielt die Firma den Namen „Kristallglasfabrik Spiegelau GmbH“. Zu dieser Zeit beschäftigte er rund 250 Mitarbeiter, denen er eigene Wohnungen bauen lies, damit der Gemeinde keinen Kosten entstehen. 1939 musste Pretzfelder im Zuge der „Arisierung“ die Kristallglasfabrik zu einem Bruchteil ihres Wertes an Paul Beate und Hans von Schöppenthau verkaufen. Pretzfelder emigrierte mit seiner Familie nach England. Die Produktion wurde auch während des Krieges weitergeführt.

Nach Kriegsende beantragte Fritz Pretzfelder, der seinen Namen in England in Preston geändert hatte, am 29. Dezember 1948 die Rückgabe seines Eigentums. Am 28. November 1949 wurden Paul Beate sowie Hans und Ruth von Schöppenthau ihrer Funktion enthoben. Unter der Regie von Direktor Danzmann kam die Kristallglasfabrik in kurzer Zeit zu neuer Blüte.

Pretzfelder starb 1961. Seine Erben verkauften die Fabrik an eine westdeutsche Filiale der Württembergischen Metallwarenfabrik (WMF). 1962 verstarb auch Direktor Danzmann. 1963 veräußerte der neue Eigentümer das Werk an die Union Sils van de Loo & Co in Fröndenberg/Ruhr. 1970 wurde die Glashütte Gistl in Frauenau als Werk II der Kristallglasfabrik Spiegelau erworben.

1990 übernahm die Nachtmann Crystal AG die Kristallglasfabrik Spiegelau, 2004 die Riedel Glass Works. Die Produktion wurde immer mehr in das Werk II nach Frauenau verlegt, und im Jahr 2008 wurde die Produktion in der Glasfabrik Spiegelau eingestellt. Dort befindet sich der Werksverkauf.

Literatur

  • Hermann Beiler: Grob Glaswerck und gemeines Waldglas. Die Geschichte der Glashütten von Klingenbrunn, Spiegelau und Oberkreuzberg. Ein Streifzug durch 500 Jahre Glasmacherkunst, Herausgeber: Gewerbeverein Spiegelau e.V. zusammen mit dem Verlag des Heimatvereins Ohetaler Riedlhütte e.V., Spiegelau 2003, ISBN 3-937067-00-0
  • Hermann Beiler: Gedenken an einen „Glaspapst“. In: Passauer Neue Presse vom 31.Oktober 2011 (S. 27)