Thomas Ebendorfer
Thomas Ebendorfer, auch Thomas von Haselbach, (* 10. August 1388 in Haselbach, heute zu Niederhollabrunn; † 12. Januar 1464 in Wien) war ein österreichischer Theologe und Universitätsprofessor.
Leben und Wirken
Thomas Ebendorfer war der Sohn einer wohlhabenden Bauernfamilie aus Haselbach in Niederösterreich. Er studierte Theologie an der Universität Wien. Er wurde 1420 Priester seiner Heimatdiözese Passau und 1427 Chorherr am Kollegiatstift St. Stephan in Wien. 1428 wurde er als Doktor der Theologie Professor an der Universität Wien, an der er auch einige Male als Dekan und Rektor diente.
In seinen reifen Jahren verzweifelte Ebendorfer fast an seiner Zeit, an seinem König/Kaiser Friedrich III. und an der Kirche sowie an den Päpsten – die Umbrüche in dieser Epoche konnte er nicht verarbeiten, dem Humanismus versperrte er sich; so wurde er die Zielscheibe des Spotts von Enea Silvio Piccolomini, dem ersten Künder der Renaissance in Wien, der seinerseits die Gelehrten des „Herbstes des Mittelalters“ nicht schätzen konnte. Als kluger Kopf und als begabter Organisator mit unermüdlicher Arbeitskraft wandte er sich gegen das Kirchenschisma (1378 bis 1417), gegen schismatische Bestrebungen (Hus) und kämpfte als einer der führenden Verfechter der Idee des Konziliarismus für die Einheit der Kirche. 1429 verhandelte er mit der Universität Paris über ein Konzil; 1432 bis 1435 war er auf dem Konzil von Basel, 1433 war er in Prag zu Verhandlungen mit der hussitischen Bewegung. Die Einheit im Glauben war sein unbedingtes Ziel – die historische Entwicklung ging in eine andere Richtung, in das Auffächern der Konfessionen. Daher war er an der Ausarbeitung des Wiener Konkordates von 1448 nicht beteiligt, das im Spätmittelalter und in der ganzen Frühneuzeit Bestand hatte.
In dieser Zeit zog er sich von der Politik, der Diplomatie und der Ratgebertätigkeit für österreichische Herzöge zurück und konzentrierte sich auf sein universitäres Lehramt, sein schriftstellerisches Werk und auf seine Pfarrei Perchtoldsdorf nahe Wien. Mehr als 150 Werke umfasst seine Bibliographie: Predigten, Reden, Ansprachen zu außerordentlichen Gelegenheiten, z. B. die Begrüßung des neuen Kaisers Friedrich oder einiger Kardinäle, kirchenamtliche und -rechtliche Gutachten, welt- und kirchenpolitische Denkschriften, philosophische und naturwissenschaftliche Schriften, Vorlesungsmanuskripten, z. B. über Aristoteles’ Ethik und Bibelkommentare. Seine generationslange Wirkung in Österreich und Süddeutschland zeigt sich daran, dass einige seiner Werke ins Deutsche übersetzt und in der Inkunabelzeit gedruckt wurden. Leider ist auch heute sein theologisches Werk, seinerzeit Standardliteratur, noch nicht umfassend gewürdigt. Durch den Auftrag Königs Friedrich III. wird er in seinen beiden letzten Jahrzehnten Geschichtsschreiber: Die „Kaiserchronik“, die „Papstchronik“ und die „Cronica Austrie“, zwei Traktate über die schismatischen Bewegungen und über die Prager Verhandlungen, eine Kreuzzugsgeschichte, eine Auseinandersetzung über die Juden und ein „Katalog der Oberhirten von Lorch und Passau“. Sein wichtigstes Werk mit langer Wirkungszeit ist die „Chronik Österreich“; dessen Hauptquelle war seine Lateinübersetzung der Stainreuter Chronik. Latein war ihm bewusst als die Wissenschaftssprache für den ganzen europäischen Kontinent, allerdings bei ihm noch nicht das „modische“ Neolatein der Humanisten, das er ablehnte.
Obwohl er meist die Fabeln von Stainreuter übernahm, suchte er auch nach neuen hilfswissenschaftlichen Methoden. Mit seinem „Katalog“ schrieb er eine Passauer Bistumsgeschichte, bei der er die Lorcher Tradition, dass Passau Nachfolger des antiken Bistums Lorch sei, weiterführte. Zur Vorbereitung der Chronik war er auch in Passau und im Bistumsarchiv. Für seine Lebenszeit ist die „Cronica Austrie“ eine unersetzbare Quelle, ebenso seine Predigten, bei denen er immer auf den Realismus setzte. Die Wurzel seiner langen Texte: Der spätmittelalterliche Universalgelehrte weiß vieles und hat keine Methode, aus dem übergroßem Detailrealismus strukturierte, kompakte Texte zu erstellen – so ist Thomas Ebendorfer „an der Grenzscheide zweier Kulturepochen“ (Lhotsky).
Literatur
- Herbert W. Wurster: Thomas Ebendorfer (1388-1464). In: Passauer Neue Presse/Heimatglocken vom 06.07.2020 (S. 33)