Geschichte (Deggendorf)

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Industriegeschichte

Deggendorf mit seiner vielfältig entwickelten Wirtschaft ist auch heute keine ausgesprochene Industriestadt, umso weniger trifft das auf die Zeit vor 200 Jahren zu. Aber dennoch lassen sich im Verlauf des 19. Jahrhunderts aus kleinsten Ansätzen heraus Anfänge einer späteren industriellen Entwicklung verfolgen.

Es gab begünstigende Faktoren, die im Laufe von Jahrzehnten immer mehr zu wirken begannen. Dazu gehörten die Verwaltungsreform und die Gewerbegesetzgebung des bayerischen Superministers Max Joseph Graf von Montgelas zu Beginn des 19. Jahrhunderts und die Einführung der Gewerbefreiheit in Bayern im Jahre 1868. Durch die Säkularisation verschwand der Dualismus zwischen der Stadt und der niedermünsterischen Propstei, der sich hemmend auf die Gewerbetätigkeit ausgewirkt hatte. Das ganze Stadtgebiet unterstand jetzt einheitlich der Rechtsprechung des Deggendorfer Bezirksgerichts. Ab 1. Januar 1880 wurde die Stadt dann kreisunmittelbar und damit direkt der Regierung von Niederbayern unterstellt. Die Ablösung der feudalen Lasten begünstigte die Kapitalbildung. Deggendorf wurde zur Behördenstadt. Auch in der Infrastruktur vollzogen sich wesentliche Veränderungen: Bau der Ruselstraße 1803 bis 1818, Ausbau der kleineren Ortsverbindungsstraßen nach Grafling bis Gotteszell, nach Lalling und Schönberg sowie über Metten nach Bogen, Errichtung der festen Maximiliansbrücke 1863, Anschluss an das Eisenbahnnetz mit der Waldbahn 1977, Entwicklung der Dampfschifffahrt seit Mitte des Jahrhunderts und Bau des Winterhafen (1898 bis 1908).

Es gab einfach zu wenig Raum für größere Industrieansiedlungen. Die geographische Lage Deggendorfs am linken Donauufer führte dazu, dass es erst relativ spät einen Eisenbahnanschluss bekam. Der erste Eisenbahnbau von Plattling nach Deggendorf führte 1866 nur bis Fischerdorf auf der rechten Donauseite. Auch gab es in Deggendorf nur wenig Kapital, was sicher nicht zuletzt mit dem verheerenden Stadtbrand im Jahre 1822 zusammenhängt.

Wie schon im Mittelalter blieb das Wasser auch im gesamten 19. Jahrhundert in Deggendorf die Hauptantriebskraft für das Gewerbe. Deshalb ist es kein Wunder, dass die ersten bescheidenen Anfänge industrieller Entwicklung dort lagen, wo es ausreichend Wasserkraft gab - im Mühlbogental. Dort arbeiteten seit jeher zahlreiche Mühlen von Mahlmühlen über Sägemühlen und Ölschläge bis zu einer Papiermühle. Zeitweilig waren hier schon vor 1800 etwa 25 gewerbliche Betriebe. Das Mühlbogental von der Angermühle am Stadtzentrum - der Straßenname erinnert an die verschwundene Mühle - bis nach Mietraching war damit das erste Deggendorfer Gewerbegebiet.

Einige dieser Mühlen im Mühlbogental entwickelten sich im 19. Jahrhundert zu kleinen Industriebetreiben. Dazu gehörte die Papiermühle, die nachweislich schon 1570 existierte. 1815 erstand sie der Bauernsohn Johann Josef Kandler aus Neuhausen. 1832 produzierte er schon 600 Ballen Papier aller Sorten in guter Qualität. Der Absatz seiner das hochwertige holländische Briefpapier übertreffenden Produktion lief so gut, dass er 1834 eine zweite Papierfabrik in Marienthal begründen konnte.

Die an der Graflinger Straße 27 bis 29 gelegene Bruckmühle, auch Rethbauernmühle genannt, wurde als Marienkunstmühle ebenfalls zu einem industriell arbeitenden Mahlbetrieb, der bis 1925 existierte.

Seit 1650 befand sich an der heutigen Straße Am Waffenhammer ein Kupferhammer, der der niedermünsterischen Propstei gehörte. Nach der Säkularisation wurde daraus ein Eisenhammer, der trotz seiner wenigen Beschäftigten in Berichten über das Deggendorfer Gewerbe immer besondere Erwähnung fand. Von seinen Besitzern wurde die Firma nach dem altbayerischen Ausdruck für Eisenwerkzeuge „Waffenhammer“ genannt.

Ein Industriezweig, der selbst im Brockhaus-Lexikon von 1898 für Deggendorf als charakteristisch bezeichnet wurde, war die Tuchproduktion. 1833 belieferte der Tuchmacher Andree Attelberger auf Maschinen produzierte Tuche für die Uniformen der griechischen Armee.

Eine weitere Tuchfabrik befand sich in Kleinwalding. Sie gehörte Martin Stinglwagner, der neuartige Spinnkrempel zum Spinnen der Wolle erfunden hatte und diese nicht nur in Deutschland, sondern auch in Österreich-Ungarn, England und in den USA patentieren ließ.

Ebenso wie die Tuchfabriken befanden sich die anderen etwas größeren Betriebe in der Schachinger Flur. Dazu gehörte die Steinzeugfabrik in Oberkandelbach, die von 1859 bis 1957 fast 100 Jahre bestand. An ihrem Platz hatte der Regensburger Unternehmer H. G. Roscher 1840 eine Chemische Fabrik zur Herstellung von Schwefelsäure, Glaubersalz, Chlorkalk, Düngemittel und Knochenleimfabrik errichtet.

Nach dem Bau der Eisenbahn eröffneten auch zunehmend auswärtige Aktiengesellschaften in Deggendorf-Schaching Filialen. Dazu gehörte die Aktiengesellschaft Union Vereinigte Zündholz &Wichse-Fabriken Augsburg, die 1883 das Gebäude der Papierfabrik in Marienthal und wenig später die dortige Stinglwagnersche Tuchfabrik erwarben und eine große Zündholzfabrik einrichteten mit über 100 Beschäftigten. Auch die Vereinigten Köln-Rottweiler Pulverfabriken unterhielten seit 1890 eine Filiale in Deggendorf. Der Landshuter Bauunternehmer Jacques Cormeau baute seit 1897 eine Ziegelei mit Gleisanschluss in der Aletsberger Straße und beschäftigte bald 50 Arbeiter. Er beantragte beim Stadtmagistrat eine Konzession zum Bierausschank, „um eine leichtere Controlle der Arbeiter herbeiführen zu können“. Überhaupt waren die Arbeitsbedingungen in dieser Anfangsphase der Industrialisierung schwer. Wöchentlich waren 59,5 Stunden zu arbeiten.

Wie sah das Ergebnis der industriellen Entwicklung Ende des 19. Jahrhunderts in Deggendorf aus? 37 Prozent der Bevölkerung waren in Industrie und Handwerk tätig, 15 Prozent in Handel und Verkehr, 9 Prozent in der Landwirtschaft und 37 Prozent in sonstigen Bereichen. Die Statistik wies 389 Kleinbetriebe (mit bis zu fünf Arbeitnehmern), 27 Mittelbetriebe (5 bis 50 Arbeiter) und nur zwei Großbetriebe mit über 50 Beschäftigten aus. Der Industrialisierungsgrad war also noch sehr gering. Er gab nur in 15,7 Prozent aller Betriebe den Einsatz von Maschinen.

Dennoch entstanden im 19. Jahrhundert einige Betriebe, die auch heute noch in Deggendorf präsent sind. Genannt seien die 1835 begründete ehemalige Seifenfabrik Scherl, die heute Verpackungen herstellt, die seit 1861 existierende Wachswarenfabrik Wiedemann, die ursprüngliche Spenglerfirma Exner, dann Stangl, später YIT und jetzt Caverion (seit 1892) oder die Verlagsdruckerei Weiß (seit 1899). 1900 wurde die Elektrische Zentrale in Deggendorf in Betrieb genommen. Damit eröffneten sich zum Auftakt des 20. Jahrhunderts neue Möglichkeiten für eine beschleunigte industrielle Entwicklung.

Literatur