Hirschbachschwelle

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Die Hirschbachschwelle 2008. Foto: Marita Haller
Auslauf der Hirschbachschwelle. Foto: Marita Haller

Die Hirschbachschwelle ist eine Triftschwelle im Bayerischen Wald am Rande des Nationalparks Bayerischer Wald. Sie ist die zweitälteste betonierte Schwelle im Landkreis Regen und befindet sich im Nordosten der heutigen Trinkwassertalsperre Frauenau.

Bau der Hirschbachschwelle

Im Jahre 1904 ließ der Guts- und Glashüttenbesitzer von Oberzwieselau, Benedikt III. von Poschinger an der Einmündung des Hirschbaches in den Kleinen Regen eine riesige Staumauer aus Bruchsteinen erbauen. Sie diente der Anlegung eines modernst ausgestatteten Triftweihers, der einen renovierungsbedürftig gewordenen Stauweiher ersetzen sollte. Gefüllt wurde die Schwelle durch den Hirschbach. Durch das Ablassen des Stausees mit Hilfe eines Schützes wurde ein künstliches Hochwasser erzeugt das geeignet war, Holzstämme durch das stark fließende Wasser – der Bach war mit Hilfe von Baumstämmen zum Triftkanal ausgebaut worden - schnell und kostengünstig zu leistungsfähigen Schneidsägen zu transportieren. Die Schwelle, die von Poschinger auch fremden Triftunternehmen gegen Bezahlung zur Verfügung stellte, konnte zumindest bei der Schneeschmelze 2 Mal am Tag „gezogen“ werden. Nachts wurde das Stauwerk geschlossen, damit es sich wieder auffüllen konnte.

Bauwerk

Die Staumauer, die nach der Rotbachschwelle die zweite betonierte Schwelle bildete, die der Glashüttenherr vor fast 100 Jahren ohne die modernen Bauhilfen der heutigen Zeit für rund 40 000 Mark errichten ließ, hat ei-ne Länge von 100 m und misst an der höchsten Stelle 6,80 m. Die Wandstärke am Boden beträgt 4 m, an der Mauerkrone 1,80 m. In der Mitte der Staumauer befindet sich an der Sohle eine Auslauföffnung von 2,25 m Breite und 2 m Höhe. Allein die Länge des Auslaufbauwerkes misst 36 m. Wenn der Wasserspiegel auf 5,40 m Höhe bis zum Überlauf angestaut wurde, fasste das Staubecken 20 000 m³ Wasser. Um „Katastrophen“ zu verhindern, erhielt Benedikt von Poschinger die Auflage, den Überlauf immer offen zu halten.

Wirtschaftlicher Nutzen

Nach Benedikt von Poschingers Tod erbte dessen einzige Tochter, Maria Helene, das Gut Oberzwieselau. 1925 heiratete sie den baltischen Grafen Bernd August von Mellin. Die Gräfin ließ 1925 das Stauwerk durch ein kleines E-Werk erweitern, um den unterhalb der Staumauer liegenden Holzhauer- und früheren Glashüttenort Hirschbach mit Strom versorgen zu können. Die Ausnutzung der Wasserkraft, die sich durch ein vorhandenes, natürliches Gefälle von ca. 7 Metern zwischen einem Seitenarm des Hirschbaches und dem Hirschbach ergab, erfolgte mittels einer „Francis-Spiral-Turbine, die eine Leistung von 2,9 KW erbrachte. Die Kleinwasserkraftanlage wurde, nachdem sie einige Jahre lang nicht mehr gearbeitet hatte, 1952 generalüberholt.

Verkehrsknotenpunkt

1929 verwüstete ein großer Sturm auch weite Teile des Oberzwieselauer Waldbesitzes. Damit die beschädigten Bäume schneller abtransportiert werden konnten, ließen die betroffenen Gutsbesitzer zwischen dem Bahnhof Unterzwieselau, Buchenau und Hirschbach die Zwieselauer Waldbahn erbauen. Nach Erzählungen von Augenzeugen muss es in Hirschbach oft wie auf einem „Hauptbahnhof“ ausgesehen haben. In dem Weiler standen bis zu 12 mit Baumstämmen beladene Waggons. Viele Einheimische holten sich ihr Holz mit Pferde- oder Ochsenfuhrwerken aus Hirschbach.

Bewohner an der Hirschbachschwelle

1960 wohnten in Hirschbach nur noch 3 Familien. Der letzte Bewohner war Förster Siegfried Bauer, der mit Frau und Tochter 1962 dort wegzog. 1948 kam er mit 17 Jahren als Holzhauer in den Weiler. In nur 3 Wohn-häusern lebten damals 9 Familien mit insgesamt 50 Personen, überwiegend Aussiedler aus dem Sudetenland. Das Wasser holten sie sich aus einem Grand im Waschhaus oder aus dem Bach. Elektrisches Licht hatten sie erst ab 1953. Der Zwieseler, Franz Beywl, war einer der Flüchtlinge, der sich gern an seine Hirschbachzeit er-innerte. Besonders geliebt hatte er die gemütlichen Sitzweil-Stunden im Winter, in der Wirtsstube im Hirsch-bach-Forsthaus. Im Winter verdienten die Holzhauer mit dem Holzziehen gut, da durften sie sich auch das Bier schmecken lassen.

Situation 2008

Als der Gedanke aufkam, in dem 767 m hoch gelegenen, waldreichen Einzugsgebiet des Kleinen Regens eine Trinkwassertalsperre zu errichten, verkaufte Baron Ali v. Wolffersdorff, Ehemann von Barbara Gräfin Mellin-Wolffersdorff, das Hirschbachgebiet an den Bayerischen Staat. Die leerstehenden Gebäude Hirschbachs und die Wasserkraftanlage wurden abgerissen. Seit 1983 staut unterhalb der historischen Triftschwelle ein Damm mit rund 85 Metern Höhe den Hirschbach und den Kleinen Regen zu einem See mit 20,8 Mio. m³ Wasser auf. Voll gefüllt ist er ca. 94 ha groß. Die Wege um die Talsperre sind für den öffentlichen Verkehr gesperrt, deshalb entwickelte sich der See zu einem attraktiven Anziehungspunkt für Radfahrer und Wanderer.

Historisches Bewusstsein

Wünschenswert wären Führungen vor Ort, um das Denkmalbewusstsein innerhalb der Bevölkerung zu sensibilisieren. Bis 2008 fanden keine Führungen statt.