Lehnerhof (Hallertauer Hof)

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Der Lehnerhof im Freilichtmuseum Massing (Foto: Martin Ortmeier, 2018)

Der Lehnerhof, ein Hopfenbauernhof aus dem Pfarrdorf Train (Landkreis Kelheim), repräsentiert im Freilichtmuseum Massing die ländliche Hauslandschaft der Hallertau.

Die Landwirtschaft des Lehnerhofs hatte drei Produktionsschwerpunkte: Milchwirtschaft, Schweinemast und Hopfenbau. Der Betrieb, der zuletzt 17 Hektar umfasste, wurde von der Familie mit wenigen Dienstboten bewirtschaftet. Darauf waren die Gebäude und das (zum großen Teil familiäre) Personal ausgerichtet. Zur Hopfenernte wurden Tagelöhner angeworben, die im Akkord bezahlt wurden.

Der traditionelle Hausname des bäuerlichen Anwesens war „Lehner“, die Eigentümerfamilie hieß bis zur Einstellung, bzw. wesentlichen Reduzierung des Betriebs im Jahr 1964 Kirchhammer.

Beschreibung

Blick über die Gred auf das Wohnstallhaus (Foto: Martin Ortmeier, 2018)
Blick in die Hopfendarre (Foto: Martin Ortmeier, 2018)

Das Ensemble

Das Anwesen besteht aus einem mehrgliedrigen Wohnstallstadelhaus mit angebauter Hopfendarre und mehrfach erweiterter Maschinenhalle, einem kleinen freistehenden Nebengebäude, einem Hopfenfeld („Hopfengarten“) mit „Hallertauer Drahtgerüst“, einem Schmuckgarten vor dem Wohnhaus und einem Wirtschaftsgarten neben der Maschinenhalle, außerdem einer Obstwiese.

Die wichtigsten Gebäude dieses Hallertauer Hofs sind im Winkel zusammengebaut: Wohnung, Ställe und Stadel. Die Giebelseite des Wohnhauses und die Hoffläche sind zur Dorfstraße hin orientiert. Die Maschinenhalle wurde an die bestehende Tenne des Stadels angefügt. Das kleine Nebenhaus grenzt die Hoffläche nach Westen (ursprünglich zum dörflichen Nachbaranwesen) ab.

Eine Fahrt führt, ausgehend von der Dorfstraße, durch den Hof entlang dem Wohnstallhaus in die Tenne und dort in Verlängerung durch die ganze Maschinenhalle bis zu einem rückwärtigen Tor, das zu den dem Hof zugehörigen Wirtschaftsflächen führt.

Die Gebäude

Das Wohnstallhaus (erbaut 1858) ist gegliedert in Wohnung (quer erschlossen durch eine Fletz), Kuhstall und Pferdestall (später umgebaut zu einem Schweinestall). Die Ställe sind erschlossen durch die befahrbare Gred. Das steile Dach ist mit Biberschwanzdachziegeln eingedeckt. Der First ist seitlich so versetzt, dass über der Gred ein Greddach ausgebildet ist, das den Weg zwischen der Wohnung und den Stallungen schützt.
Die Wohnung besteht aus Stube, Küche und Kammer im Erdgeschoss, einer in den Dachboden eingebauten, giebelseitig belichteten Schlafkammer und einer kleinen, vom Dachboden abgetrennten Magdkammer. Über dem Dachboden ist ein Spitzboden, in dem vor dem Bau der Hopfendarre die Hopfendolden zum Trocknen aufgeschüttet wurden.

Der Stadel (erbaut 1846) ist – landschaftstypisch – im Winkel angebaut. Er ist eintennig. An die rückseitige Tennenausfahrt wurde 1852 die Maschinenhalle angefügt, die bis 1901 mehrfach erweitert wurde. Im Westen ist giebelseitig ein zusätzliche Schweinestall angebaut.

Die heizbare Hopfendarre (errichtet 1909) steht nicht frei, sie ist an die Giebelwand des Stadels (bzw. des Schweinestalls) gelehnt. Die Hopfenschütten werden über den Dachboden des Stadels bedient.

Der Warmluftdom der Darre und das steile Dach des Wohnstallhauses prägen das äußere Erscheinungsbild des Hofs. Der aus Ziegeln gemauerte Darrofen und die Heizröhren sind nach Vergleichsobjekten rekonstruiert.

Beim Lehnerhof bestand von 1847/48 bis 1891 und von 1913 bis 1971 ein Nebengebäude mit Austragswohnung, im Museum sind diese verlorenen Bauwerke durch einen neutralen Baukörper ersetzt.

Translozierung

Rekonstruierte Schablonendekore verschiedener befundeter Wandfassungen in der Kammer (Foto: Martin Ortmeier, 2018)
Rolldekor in der Fletz (Foto: Martin Ortmeier, 2018)

Der Lehnerhof wurde 1991 bis 1995 aus der Hallertau in das Freilichtmuseum Massing übertragen.[1]

Das in Bausubstanz und Ausstattung gut erhaltene Anwesen wurde vor Ort in einem verformungsgerechten Handaufmaß, photographisch und materialanalytisch (Mörtel, Verbund, Umbauspuren, Farbfassungen usw.) dokumentiert und zerlegt. Befundreiche Mauerstücke (nördliche Fletzwand und Kommunwand Küche-Stube im Bereich der Feuerstellen) wurden gefestigt und als Ganzteile transloziert und wiederverbaut.[2]

Bei der Übertragung wurde auf originale Wandfassungen besonders geachtet: Roll- und mehrfarbige Schablonendekore werden hier vielfältig dargestellt. Präsentiert wird ein Zustand um 1955/62, als der Lehnerhof noch voll bewirtschaftet wurde. In die ganzheitliche Präsentation des Hofes sind drei Informationseinheiten zur Hof- und Familiengeschichte, zur Tradition des Wanddekors und zum Hopfenbau integriert.

Für den Wiederaufbau wurden gereinigte Originalziegel, ergänzt durch formgleiche historische Ersatzziegel verwendet, das Fugenbild entspricht dem Befund. Dachziegel und Deckungsart (mit eingelegten Holzspänen) sind original.

Diese aufwändige Translozierungs-Maßnahme war Bezirkstagspräsident Sebastian Schenk ein Anliegen. Das Museum konnte sich damit gegen den Trend der neoliberalen 1990er Jahre stellen, der die Museen vorrangig als touristische Wirtschaftsbetriebe intendierte.[3]Eleonora Decker, die den Hof 1963 von ihren Eltern Nikolaus (†) und Maria (†) Kirchhammer übernommen hatte, hat die Gebäude bis zur Translozierung beispielhaft bewahrt.

Wegen der dörflichen Situation in Train war das Wohnhaus mit dem Giebel und den Fenstern der Stube nach Norden und Osten orientiert, im Museum – auch mit Rücksicht auf das geeignete Hanggefälle – wurde die Platzierung klassisch nach Süden und Osten orientiert gewählt.

Didaktische Erschließung

Küche im Darstellungszeitraum um 1962 (Foto: Martin Ortmeier, 2007)

Das Museum zeigt den Lehnerhof in ganzheitlicher Ausstattung im Zustand der Jahre um 1962, als dort neben dem Hopfenbau noch traditionelle Landwirtschaft mit Milchvieh, Schweinemast, begleitendem Feldbau, Grünlandwirtschaft und Hofhühnern betrieben wurde.

1990 waren die verstreuten Höfe des Museums in ein geschlossenes Areal gefasst worden. 1995, zur Eröffnung des Lehnerhofs, wurde zudem zwischen Marxensölde und Schusteröderhof vorbei an der neuen Hofanlage ein Rundweg eingerichtet. Die auf dem neu zugekauften Grundstück zeitgleich angelegte Pappelallee vermittelt Distanz zwischen den verschiedenen Baugruppen.

Die didaktische Erschließung setzte sich 1995 deutlich von den Traditionen der Freilichtmuseen ab. Der Hof als Ganzes, die einzelnen Gebäude und Räume, der Darstellungszeitraum und die freigelegten Originalwandbefunde sind mittels Informationstafeln mit Text, historischen Photographien und Graphik erläutert.
Integrierte Ausstellungen widmen sich ausführlich den Themen Hof- und Familiengeschichte des Lehnerhofs, Hopfenbau und historischer Wanddekor.[4]

Literatur

  • Martin Ortmeier, Probleme eines Museums ohne Konzept – Das Beispiel Freilichtmuseum Massing, in: Museumsblatt. Mitteilungen aus dem Museumswesen Baden-Württembergs, ISSN 0939-6373, H. 13 (1994), S. 33–35
  • Maria-Luise Segl: Geräte in der bäuerlichen Hopfenwirtschaft. Eine pragmatisch-systematische Dokumentation (= Martin Ortmeier (Hg.): Inventarisierungsleitfaden der Freilichtmuseen Finsterau und Massing, Bd. 2), 1994
  • Maria-Luise Segl: Fremde, flinke Hände für die Ernte. Hopfenzupfer in der Hallertau. In: Martin Ortmeier u.a. (Hgg.). Fremde auf dem Land. Bad Windsheim 2000, ISBN 3-926834-43-9, S. 180-195
  • Martin Ortmeier, Ein Bauernhofmuseum für Niederbayern. Freilichtmuseum Massing, Passau 1995, erweiterte Auflage Landshut 2001
  • Martin Ortmeier, Vom Niederbayerischen Bauernhofmuseum Massing im Rottal zum Freilichtmuseum Massing – 50 Jahre Geschichte eines Heimatmuseums. In: Passauer Jahrbuch. Beiträge zur Geschichte und Kultur Ostbaierns 61 (2019), S. 275–292

Weblinks

Anmerkungen

  1. Aufmaß: Michael Korte Dipl.-Ing. Univ.; Konzept, Rekonstruktion, Platzierung: Dr. Martin Ortmeier, Beratung Georg Waldemer (Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern); Planung und Bauleitung: Hermann Lichtnecker Dipl.-Ing. FH unter wesentlicher Mitarbeit von Hans Eichinger; Ausstattung: Dr. Martin Ortmeier unter Mitarbeit von Hans Eichinger
  2. Nach dem Translozierungskonzept von Dr. Martin Ortmeier unter Beratung durch die Landesstelle für die Betreuung der nichtstaatlichen Museen in Bayern (Konservator Georg Waldemer)
  3. Die Landrätin (1987–2011) von Rottal-Inn Bruni Mayer strebte eine Umwidmung des Freilichtmuseums zu einem Freizeitpark nach dem Vorbild des Bayern-Parks in Reisbach an.
  4. Die Ausstellungen zu Hofgeschichte, Hopfenbau und Wanddekor hat nach dem didaktischen und Darstellungskonzept des Museumsleiters die Volkskundlerin Marieluise Segl M.A. erarbeitet.