Schaiblingsturm

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Der von Nebel umhüllte Schaiblingsturm.
Der Schaiblingsturm am Inn bei Passau.
Im März 2008 bei einer Führung im Turminneren.

Der Schaiblingsturm ist eines der Wahrzeichen Passaus. Er steht auf der Südseite der Passauer Altstadt nahe der Ortspitze auf einem aus dem Inn aufragenden Felsen am Innkai. Von der Kegelform des Turmgemäuers ist wohl auch sein Name ableitbar: Scheibe – Schaibling. Der Rundturm mit dem hohen Spitzhelm ist ein Zeuge der mittelalterlichen Stadtbefestigung von Passau.

Der Turm befindet sich heute in Besitz der Stadt Passau, die Schlüsselgewalt hat der Direktor des Leopoldinums.

Geschichte

Der Schaiblingsturm wurde um 1250 als Bollwerk gegen Angriffe in den Inn hinein ragend gebaut. Er ist ein stummer Zeuge aus der Zeit, in der Passau wichtiger Handelsplatz war. Eine weitere wichtige Funktion des Turmes war der Schutz vor den Wellen des Inns für die anlandenden Innschiffe. Im Jahr 1481 wurde der Turm renoviert. Laut Stadtchronik wurden damals Bäume gefällt für den Kegeldachstuhl, der heute zu den wenigen von den Stadtbränden nicht zerstörten mittelalterlichen Dachwerken gehört. Die Urkunde nennt damals den „Scheibling Yhnn Thurn und Stadl“. Rueland Frueauf der Ältere malte 1481 im Auftrag der Schifferzeche auf der Flussseite ein Wandbild, das Christophorus und Nikolaus, die Schutzpatrone der Schiffer, zeigte. Es wurde 1921 restauriert, verwitterte dann aber sehr stark.

Der Turm diente auch als Speicher für Pulver und zu Zeiten des Salzhandels legten hier die Inn-Schiffe, die so genannten „Hallaschen“, an. Unmittelbar vor dem Turm flussabwärts bestand bis 1957 eine Seilfähre zur Innstadt. Er beherbergte auch Wachpersonal und blieb von den Stadtbränden verschont. Nach der Säkularisation diente er als Lagerhaus und zeitweise als Veranstaltungsgebäude.

Im letzten Jahrhundert residierte ab 1935 die Hitlerjugend im Turm. 1946 zog Albert Hehn (der Vater Sascha Hehns) dort ein, der damals bei den Kammerspielen Passau engagiert war. Im 20. Jahrhundert soll der Turm zeitweise auch von Künstlern und Redakteuren bewohnt worden sein. Die Idee, ihn als Obdachlosenheim zu nutzen, konnte sich in der Vergangenheit nicht durchsetzen.

1970 wurde der Turm in die Obliegenschaft des Gymnasiums Leopoldinum gegeben und wird seither bis zu 20-mal im Jahr für Lesenächte, Seminarveranstaltungen, Fachschaftssitzungen und teilweise auch für Unterricht genutzt.

1998 wurde durch Architekt Norbert Paukner der Dachstuhl restauriert. Nach Wiederherstellung der ursprünglichen Konstruktion erhielt der Turm eine Deckung mit eigens angefertigte Schindeln. Bei dieser Maßnahme wurde erkannt, in welch erschreckendem Umfang die Fresken am Turm abgetragen waren. Es handelte sich dabei um die Fragmente eines weit überlebensgroßen Freskos des hl. Christophorus mit dem hl. Nikolaus, darüber ein Wappen mit dem Passauer Wolf auf der Wasserseite des Turms. Die Witterung, vor allem der entlang des Inns wie durch eine Düse wirkende Wind, aber auch Hochwässer haben hier schwere Schäden hinterlassen. Größere Teile des Gewandes des Heiligen Nikolaus, seine linke Hand, die drei goldene Kugeln hält, sind noch erkennbar. Trotz der schweren Verluste, die dieses von Rueland Frueauf im Auftrag der Lamplbruderschaft geschaffene Bild hinnehmen musste, ist noch eine eindrucksvolle Farbigkeit zu erkennen.

Die letzte umfassende Renovierung, die insgesamt rund 260.000 Euro gekostet hat, fand 2004 durch Restauratorin Angelika Porst aus Gröbenzell statt. Unter Berücksichtigung der noch von 1481 stammenden Originalputze wurde am gesamten aus Granitsteinen erbauten Turm eine Putzsicherung und eine teilweise Erneuerung durchgeführt. Seitdem verfügt der Turm sowohl über eine Zentralheizung als auch eine Toilette und wäre somit durchaus bewohnbar. Zudem wurde er geputzt und präsentiert sich dem Betrachter seither wie neu. Dazu trägt auch die Schlämmung bei, die, aus zwei Teilen Kalk und einem Teil Sand bestehend, dem Turm ein helles Gesicht gegeben hat. Aber auch den Sorgen der Naturschützer wurde Rechnung getragen. So wurden Löcher aufgelassen, die als Anflugspunkt für Mauersegler und Fledermäuse dienen sollen.

Eine nach dem Hochwasser 2013 notwendig gewordene Flutsanierung fand im Herbst 2015 für insgesamt rund 80.000 Euro statt.

Architektur

Der Schaiblingsturm hat drei Geschosse über dem Natursteinsockel. Das Kegeldach ruht auf einem runden Kranz von Eichenschwellen und wird aus einem zweifachen Kehlbalkendachstuhl mit Zerrbalken gebildet. Die drei Räume mit fünf Schlüsselscharten im Erdgeschoss und sechs rechtwinkligen Fenstern in den Obergeschossen werden durch eine Treppe im Nordosten verbunden.

Zugänglich ist der Turm nur vom Gelände des Leopoldinums aus. Die hölzerne Wendeltreppe im Innern des Turms führt den Besucher bis unter das Dach hinauf. Die Räume sind alle gleich ausgestaltet und bestehen aus einem runden Tisch mit Eckbank und ein paar Stühlen.

Da das Innere des Turmes beheizbar ist, wäre er jederzeit bewohnbar, wird aber nur zwei bis drei Mal im Jahr vom Gymnasium Leopoldinum genutzt. Eine Verwendung für größere Veranstaltungen ist schon allein deshalb ausgeschlossen, weil der Turm nur über einen Zugang verfügt und daher nicht die baurechtlichen Bestimmungen erfüllt (keine Notausgänge).

Weitere Bilder

Literatur