Stephan Billinger

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Gemälde von Stephan Billinger.

Dr. Stephan Billinger (* 2. Februar 1897 in Oberhaselbach, heute Tiefenbach; † 30. Juni 1966 in Passau) war von 1948 bis 1964 Oberbürgermeister der Stadt Passau.

Leben und Wirken

Werdegang

Billinger war das letzte von acht Kindern der Landwirtseheleute Martin und Katharina Billinger geborene Lindner. Sein Vater war mehrere Jahre Bürgermeister der Gemeinde Haselbach. Er besuchte die Volksschule in Haselbach und von 1907 bis 1916 das Gymnasium Passau. Von 1916 bis 1918 nahm er als Kriegsabsolvent des Gymnasiums im Verband des Bayerischen Infanterie-Leib-Regiments als Soldat am Ersten Weltkrieg teil. Er kämpfte mit der 9. Kompanie in Rumänien, Serbien, an der italienischen Isonzo-Front und bei Verdun in Frankreich. Am 10. August 1917 wurde er in Rumänien leicht und am 1. Mai 1918 in Flandern schwer verwundet.

Nach seiner Entlassung aus dem Wehrdienst im Dezember 1918 studierte er Nationalökonomie und Staatswissenschaften in München. Am 23. Februar 1923 wurde er zum Dr. oec. pub. promoviert. Der Titel seiner Doktorarbeit lautete Studien zur Geschichte des Viehversicherungswesens. Nach Abschluss des Studiums war er zunächst in Markt Oberdorf im Bankfach und von 1924 bis 1928 in Weimar und Stuttgart im Versicherungswesen tätig. 1931 übernahm er den Posten eines Prokuristen in einer Papierfabrik in Bad Mergentheim (Württemberg). 1934 heiratete er Maria Hagl, die Mutter seines einzigen Sohnes Siegfried.

1932 trat Billinger in den Freiwilligen Arbeitsdienst (FAD) der Weimarer Republik ein, der 1935 in den Reichsarbeitsdienst (RAD) der Nationalsozialisten übernommen wurde. Nachdem er 1932 ohne sein Wissen in die NSDAP aufgenommen worden war, wurde dieser Beitritt 1939 für ungültig erklärt. Billinger trat wohl auf Druck 1938 erneut in die NSDAP ein, sein Beitritt wurde auf den 1. Mai 1937 zurückdatiert. 1939 ließ er sich von Weiden in der Oberpfalz nach Passau versetzen, wo er als Oberstfeldmeister bei der Reichsarbeitsdienstverwaltung und als Meldeamtsleiter des RAD fungierte.

Widerstandsbewegung

In Billingers Wohnung in der Hochstraße traf sich der sogenannte Hochstraßenkreis, die einzige konspirative Widerstandsgruppe Passaus in der Zeit des Nationalsozialismus. Als Teilnehmer eines Putschversuches in München wurde Billinger ebenso wie Josef Köppl und Johann Lampert am 28. April 1945 in Abwesenheit zum Tode verurteilt.

Am 2. Januar 1947 ausgestellte Ausweise bestätigten Billinger und Köppl, an der Freiheitsaktion Bayern teilgenommen und als Mitglieder der Passauer Widerstandsbewegung ihre Bereitschaft zum bewaffneten Widerstand erklärt und aktiv an der Vorbereitung desselben mitgearbeitet zu haben. Im Passauer Spruchkammerentscheid vom 6. Dezember 1947 wurde Billinger zugute gehalten, dass er sich bis 1937 geweigert habe, in die NSDAP einzutreten. Außerdem habe er gegen geltendes Recht regelmäßig bei der Musterung jeden Jahrgangs Männer nicht gemeldet, die so ihrer Dienstpflicht beim RAD entzogen worden seien. Damit habe er nach dem Maß seiner Kräfte aktiven Widerstand gegen den nationalsozialistischen Staat geleistet und wurde zu den politisch Entlasteten gezählt. Von Juli 1945 an war er fünf Monate Leiter des Arbeitsamtes Passau. Danach wurde er Steuerberater und Inhaber des von ihm gegründeten Ärztlichen Formularverlags in Passau.

Politische Karriere

Am 30. Mai 1948 wurde er als Vorsitzender der Bayernpartei in den Stadtrat gewählt. Dieser wählte ihn am 30. Juni 1948 zum Zweiten Bürgermeister der Stadt. Da der Stadtrat es am 28. Juli 1948 ablehnte, mit dem gewählten Ersten Bürgermeister Hans Riedl (CSU) einen Dienstvertrag zu schließen, wurde Billinger am 23. August 1948 vom Stadtrat mit 20 zu 8 Stimmen zum Oberbürgermeister von Passau gewählt. Gleichzeitig wurde OStD Dr. Otmar Zilk zum Zweiten Bürgermeister gewählt. Er hatte dieses Amt durch zweimalige Wiederwahl insgesamt 16 Jahre lang bis zum 30. April 1964 inne.

Seine Amtszeit war geprägt von der wirtschaftlichen und politischen Erneuerung nach dem Krieg. Besonders bemühte er sich um die Behebung der Wohnungs- und Raumnot. Passau war damals von Flüchtlingen und Heimatvertriebenen überfüllt, und Billinger warf in diesem Zusammenhang der Bayerischen Staatsregierung eine Benachteiligung Passaus im Wohnungsbau vor. Bei der Kommunalwahl 1952 mit der ersten Direktwahl des Oberbürgermeisters kam es zu einem harten Wahlkampf mit seinem Herausforderer Dr. Hans Hirsch von der CSU, den Billinger schließlich mit 78,1 Prozent der Stimmen überlegen gewinnen konnte.

Neben seiner Tätigkeit als Oberbürgermeister war er für den Wahlkreis Niederbayern als Mitglied der Bayernpartei Abgeordneter im Bayerischen Landtag, in dessen dritter Legislaturperiode vom 28. November 1954 bis zum 23. November 1958. Nach der Kommunalwahl von 1956 wurde er vom Übertritt fast der gesamten Fraktion seiner Bayernpartei im Stadtrat zur CSU überrascht, von dem sich Billinger umgehend distanzierte.

Bei der Oberbürgermeisterwahl vom 23. März 1958 hatte Billinger keinen Gegenkandidaten. Aufgrund der geringen Wahlbeteiligung von nur 36,4 Prozent gab es aber danach Diskussionen über diesen Vorgang. Am Ende seiner sechszehnjährigen Amtszeit übergab er am 27. April 1964 die Amtsgeschäfte an Dr. Emil Brichta (CSU).

Besonders zu nennen sind unter Billingers Leistungen die Wiederherstellung von sechs Brücken, der Bau von 3.500 Wohnungen, die Erweiterung des Städtischen Krankenhauses, der Wiederaufbau des Schlachthofes und der Neubau der Volksschulen in Auerbach und St. Anton und der Städt. Berufsschule. Unter anderem auf seine Initiative finden seit 1952 in Passau die Europäischen Wochen statt.

Auszeichnungen

Billinger erhielt im Ersten Weltkrieg am 28. März 1918 das Eiserne Kreuz II. Klasse „für hervorragende Tapferkeit vor dem Feinde“ an der italienischen Front, ferner das Militär-Verdienstkreuz mit Schwertern, das Verwundeten-Abzeichen, die Österreichisch-Ungarische Kriegserinnerungsmedaille mit Schwertern und Helm, die Tiroler Landesgedenkmünze 1914-1918 sowie das Ehrenkreuz für Frontkämpfer. Am 31. Januar 1957 erhielt er aus der Hand des Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Wilhelm Hoegner (SPD) das Große Bundesverdienstkreuz.[1] Am 19. April 1954 wurde er zum Ehrenbürger von New Orleans (USA) sowie am 19. Februar 1965 zum Ehrenbürger der Stadt Passau ernannt. Sein Name steht auf dem Ehrenmal der Stadt. Darüber hinaus ist ihm zu Ehren die Dr.-Stephan-Billinger-Straße in Passau benannt.

Anlässlich seines 50. Todestags fand eine Gedenkfeier mit Verwandten sowie Oberbürgermeister Jürgen Dupper und Vertretern der Stadt Passau am Grab von Billinger am Innstadtfriedhof statt, in dem auch seine 2013 verstorbene Ehefrau begraben liegt.

Einzelnachweise

  1. PNP: Großes Bundesverdienstkreuz für Dr. Billinger. In: Passauer Neue Presse vom 1. Februar 1957

Literatur

Weblinks