Mühlhiasl

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Hans Blöchinger, Vorsitzender des Vereins Lousnacht e.V. mit Holzpuppe Mühlhiasl. (Foto: Rücker)
Wegweiser „Mühlhiaslweg“ in Apoig bei Hunderdorf

Der Mühlhiasl ist ein legendärer Prophet aus dem Bayerischen Wald.

Grundlagen

Der Name „Mühlhiasl“ taucht in der Literatur erstmals 1923 auf. Johann Evangelist Landstorfer, Pfarrer in Pinkofen (Oberpfalz), formte in diesem Jahr eine Zusammenstellung von Prophezeiungen, die „einem gewissen Mühlhiasl“ unterlegt wurden. Dieser sollte ein Müllerssohn von Apoig gewesen sein, den Landstorfer anhand der Pfarrbücher von Hunderdorf als Matthias bzw. Matthäus Lang identifizierte. Am 28. Februar 1923 erschien im Straubinger Tagblatt Landstorfers Artikel Zukunftsseher aus Großväterszeiten: Matthias Lang, gen. ‚der Mühlhias‘ aus Apoig.

Fortab wurde der Mühlhiasl mit Lang gleichgesetzt, obwohl keine von Langs Zeitgenossen diesem prophetische oder hellseherische Gaben zuschrieben. Ein Teil der Mühlhiasl-Prophezeiungen war vielmehr schon vor 1923 im Bayerischen Wald und darüber hinaus ohne Zuordnung zu Mühlhiasl überliefert worden. So ergeben sich einige Parallelen zu der Bodenmaiser Handschrift des Starnberger oder Stormberger aus Rabenstein, die zwischen 1780 und 1820 entstand. Doch auch die Stormberger-Aufzeichnungen entstammen einer alten Tradition von Prophezeiungen, die vermutlich von außen in den Bayerischen Wald gelangten. Lediglich die Zukunftsbilder sind anekdotisch an Orten und Entwicklungen im Bayerischen Wald festgezäunt. Der überwiegende Teil der „Vorhersagen“ aus Landstorfers Text ist den Zeiterscheinungen zwischen 1871 und 1923 mit Reichsgründung, Eisenbahnbau, Erstem Weltkrieg und Inflation nachempfunden. Es handelt sich demnach um als Prophezeiungen sich gebende Beschreibungen von geschichtlichen Tatsachen. Nach 1923 entstanden zahlreiche weitere, dem Mühlhiasl zugeschriebene Sentenzen, ferner wurden Sentenzen der Stormberger-Überlieferung auf den Mühlhiasl bezogen.

Die wohl am häufigsten angeführte Mühlhiasl-Sentenz ist folgende:

„An dem Tag, an dem zum ersten Mal der Eiserne Wolf auf dem Eisernen Weg durch den Vorwald bellen wird, an dem Tag wird der große Krieg angehen!“

Diese Aussage, die Bezug nimmt auf die Eröffnung der Bahnstrecke Deggendorf-Kalteneck am 1. August 1914 und den unmittelbar darauf folgenden Ausbruch des Ersten Weltkrieges, findet sich noch nicht in dem Mühlhiasl-Beitrag Landstorfers aus dem Jahr 1923. Sie kam erst danach mündlich hinzu und wurde erstmals 1948 durch M. Pflieger mit zunächst noch etwas anderem Wortlaut in dem Beitrag Der Prophet aus dem Walde in den Niederbayerischen Nachrichten veröffentlicht.

Ausgestaltung

Von ihrer ersten Nennung an entwickelte die Persönlichkeit des Mühlhiasl ein Eigenleben. So wusste bereits Pfarrer Landstorfer 1923 zu berichten, dass der Mühlhiasl oft mitleidiges Lächeln und gereizten Widerstand ob seiner Vorhersagen geerntet habe. Besonders die Jugend habe ihn nicht gebührend ernst genommen, was ja verständlich sei, denn wer hätte sich damals auch fliegende Menschen, eiserne Straßen, unbespannte Wägen etc. vorstellen können?

Franz Schrönghamer-Heimdal brachte 1931 in seinem Beitrag Was der Waldprophet geweissagt erstmals eine eingängige Auflösung des Mühlhiasl-Stormberger-Problems: Aus Verärgerung darüber, dass man ihn wegen seiner Vorhersagen in Rabenstein schlecht behandelt habe, sei der Stormberger in den Vorwald geflüchtet und habe dort den Decknamen Mühl-Hiasl angenommen. Er sei später wieder zurückgekommen, in Rabenstein gestorben und in Zwiesel beerdigt worden.

Auf dieser Grundlage schrieb Paul Friedl seinen Roman Der Waldprophet. Ein Waldroman, der erstmals 1950/1951 bei der Passauer Neuen Presse erschien. Er ließ bei Rabenstein während eines Sturms ein Findlkind entdeckt und in der Pfarrkirche von Zwiesel auf den Namen „Matthias Stormberger“ getauft werden. Der Roman, der ein großer Erfolg wurde, täuscht wiederholt Authentizität vor, so durch das Zitieren eines echt wirkenden, in Wirklichkeit aber frei erfundenn Taufprotokolls. Im Verlauf der Geschichte wechselt die Hauptfigur nach Windberg als Viehhirte für das Kloster Windberg, wird schließlich Müllerbursch in Apoig, heißt dort Mühl-Hiasl und kehrt zuletzt wieder nach Rabenstein zurück.

Mühlhiasl-Forscher fanden allerdings bald heraus, dass in den Pfarrbüchern von Zwiesel und Umgebung der Name Stormberger nicht vorkam. In den folgenden Jahrzehnten neigten sie stattdessen zur Ansicht, der echte Mühlhiasl alias Matthias Lang sei umgekehrt von Apoig nach Rabenstein gezogen und habe dort den Decknamen Stormberger angenommen. Siegfried von Vegesack schrieb 1967 dementsprechend seine Geschichte Der Waldprophet. Er lässt seinen Mühlhiasl in Apoig zur Welt kommen und dann nach Rabenstein wandern. Manfred Böckl ließ 1991 in seinem Roman Mühlhiasl. Der Seher vom Rabenstein diesen zwischen Apoig und Rabenstein wechseln, und zwar ab seinem neunten Lebensjahr gleich mehrfach.

Der Glasmaler Rudolf Schmid schuf in seiner Gläsernen Scheune in Rauhbühl bei Viechtach auf einer 7 x 10 Meter großen Glaswand auf der Grundlage von Paul Friedls Roman ab 1980 in zahlreichen Bildern eine umfangreiche Mühlhiasl-Interpretation. Viele andere bildende Künstler gaben dem Mühlhiasl eine Gestalt, darunter Heinz Waltjen und Josef Fruth.

Literatur

  • Reinhard Haller: Matthäus Lang 1753-1805. Genannt „Mühlhiasl“. Vom Leben und Sterben des „Waldpropheten“. Morsak Verlag Grafenau 1993