Fußgänger- und Radlertunnel Georgsberg (Passau)

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Die aktuelle Variante Nr. 4: Eine 116m lange, bis zu 5,6m breite Röhre mit ausreichend Platz für Begegnungsverkehr.
Eine parallele Röhre neben dem nördlichen Tunnel wurde im Jahr 2000 diskutiert und wieder verworfen.
Mögliches Aussehen des Tunnels von Norden her; links die Salvatorkirche. (Skizze: Friedl und Partner Architekten)
Mögliches Aussehen des Tunnels von Süden her; rechts der Ilzdurchbruch. (Skizze: Friedl und Partner Architekten)

Ein ca. 116 Meter langer Fußgänger- und Radlertunnel durch den Georgsberg in Passau war als Ergänzung zum bereits bestehenden Ilzdurchbruch in Planung, der damit entlastet werden sollte. Es wäre der dritte Tunnel durch den Georgsberg an dieser Stelle gewesen. Am 28. April 2013 lehnte jedoch eine breite Mehrheit der Passauer das Vorhaben in einem Bürgerentscheid ab.

Geschichte

Start des Projekts

Am 13. Juni 2012 brachte der Bauausschuss den Fußgänger- und Radlertunnel auf den weiteren Weg und vergab die Ingenieurleistungen. Dabei wurden rund 1,9 Millionen für den Tunnel veranschlagt; hinzu kommen rund 600.000 Euro für Infrastrukturmaßnahmen im Umfeld der Aus- und Eingänge sowie für den begleitenen Ausbau einer bis dato provisorischen Linksabbiegespur an der Hängebrücke. Eine neue Gundsatzdiskussion für und wider den Tunnel führte der Ausschuss in seiner Sitzung nicht. Gegen die Auftragsvergabe stimmten Peter Pell und Heinz-Peter Höber, deren FDP/PAL-Fraktion das Tunnelprojekt mit 2,5 Millionen Euro Gesamtkosten unverhältnismäßig findet.

Ankündigung eines Bürgerbegehrens

Argumentation und Hintergrund der Gegner

Im Herbst kündigten FDP und Passauer Liste an, gemeinsam ein Bürgerbegehren gegen den Tunnel durchführen zu wollen. Die drei Hauptverantwortlichen sind dabei Alt-OB Willi Schmöller aus der Ilzstadt, Stadtführer Jürgen Hellwing aus der Innstadt und Spenglerei-Unternehmer Johann Haidl aus Passau-West. Vor allem das Engagement von Alt-OB Schmöller, der auch Ehrenbürger der Stadt Passau ist, wurde dabei in den Medien diskutiert. Allerdings gab er deutlich zu verstehen, dass er ausschließlich den Tunnel verhindern will, ansonsten aber keinesfalls eine Rückkehr in politische Aktivitäten plane. Zum einen habe er seine Parteizugehörigkeit zur SPD vor Jahren aufgegeben, zum andere richte sein Engagement sich nicht gegen den Stadtrat und OB Jürgen Dupper: „Die Idee dieses Tunnels ist sogar in meiner eigenen Zeit entstanden. Erstmals wurde das 1995 formuliert und dann immer im Verkehrswegeplan mitgeschleppt. Aber kein Mensch wollte den Tunnel wirklich bauen.“[1]

Vor allem hielt Schmöller den Tunnel für ein 2,5 Millionen Euro teures Alibi, um Passau als Fahrradstadt zu präsentieren - obwohl es viele andere Möglichkeiten gäbe, diesem Ruf gerecht zu werden. Auch die Erleichterung für den Autoverkehr, der in der Folge eine separate Linksabbiegespur erhalten würde, hält er für fragwürdig. Ebenso bezweifelt er, dass Fußgänger und Radfahrer den 116 Meter langen Tunnel überhaupt benutzen wollen: „Wer traut sich da rein? Das erinnert mich an die Fußgängerunterführung in der Bahnhofstraße. Die ist inzwischen zugeschüttet.“[1]

Neben dem Kosten-Nutzen-Verhältnis und der schlechten Radwegenetz-Anbindung wird von den drei Bürgerbegehren-Initiatoren vor allem der Bau als solches kritisiert. Als Alternative schlagen die Tunnel-Gegner einen moderaten Rückbau des Felsens an der Engstelle Anger und eine Ausweitung des bestehenden Tunnels vor, die sich aber dann auf das entstehende „scharfe Eck“ bezieht wenn man aus dem Tunnel kommt.

Schmöllers Vorstoß zeigte bereits wenige Tage später erste Ergebnisse: OB Jürgen Dupper schlug dem Bauausschuss vor, aufgrund des eventuell stattfindenden Bürgerbegehrens alle Kosten verursachenden Maßnahmen vorerst ruhen zu lassen. Dem Ausschuss wurden am 25. Oktober die aktuellen Planungen zur Kenntnis gegeben. Die für den Haushalt 2013 eingeplanten Mittel sollen einen Sperrvermerk erhalten, bis eine endgültige Entscheidung getroffen ist.

Unterschriftensammlung

Am 19. Oktober 2012 haben Schmöller, Haidl und Hellwing mit Unterstützung der FDP Passau-Stadt das Bürgerbegehren gestartet. Der Wortlaut des Bürgerbegehrens wurde festgelegt auf: „Sind Sie gegen den Bau des geplanten zusätzlichen Geh- und Radweg-Tunnels durch den Georgsberg (Oberhausberg) und dafür, dass sinnvolle Alternativen gesucht werden?“. Mit dieser Formulierung wolle man klar machen, dass es nicht um die Verhinderung von Verbesserungen für Fußgänger und Radfahrer an dieser Engstelle geht, sondern gegen die unnötige Ausgabe von viel Geld für ein in ihren Augen nicht zu Ende gedachtes Projekt.

Bereits am 7. Januar 2013 konnten die drei Initiatoren Bürgermeister Urban Mangold eine Liste mit 2.986 Unterschriften übergeben, weit mehr als das nötige Quorum von 2.427 (sechs Prozent der Abstimmungsberechtigten).

Stadtratsbeschluss: Bürger- und Ratsbegehren

Am 4. Februar erfolgte die abschließende Genehmigung des Bürgerbegehrens durch den Stadtrat. Gleichzeitig wurde auf Antrag der Grünen beschlossen, ein eigenes Ratsbegehren „für eine sichere und direkte Verbindung zwischen der Altstadt und dem Bschüttpark“ durchzuführen. Dessen Fragestellung lautet: „Sind Sie dafür, dass die Stadt Passau mittels eines eigenständigen Tunnels für Fußgänger und Radfahrer eine sichere und direkte Verbindung zwischen den Stadtteilen Ilzstadt, Grubweg, Hals sowie dem Ilztal und der Altstadt baut und damit auch eine Grundvoraussetzung für eine dauerhafte und vollwertige Linksabbiegespur zur Hängebrücke schafft?“ Diese Fragestellung hat die Stadtverwaltung Passau ausgearbeitet, das Plenum hat sie ohne Änderung beschlossen. Die Stichfrage kommt zum Tragen, wenn bei der Abstimmung sowohl das Bürger- als auch das gegenläufige Ratsbegehren eine Mehrheit erhalten sollten. Folglich lautet sie: „Welche Entscheidung soll dann gelten?“

Im Vorfeld der Abstimmung

Drei Wochen vor der Abstimmung ergab ein Stimmungsbild des Centrums für Marktforschung, dass nur 21 Prozent der Passauer die vom Stadtrat mehrheitlich beschlossene Lösung befürworten; 62 Prozent sprachen sich gegen den Bau des Tunnels aus, die restlichen hatten keine Meinung zum Thema. Das Institut hatte vor den Osterferien in Eigenregie eine telefonische Blitzumfrage unter 556 Passauern durchgeführt. Selbst die vielleicht am meisten betroffenen Grubweger und Halser waren gegen die Investition, auch wenn es hier mit 26 Prozent (Grubweg) beziehungsweise mit 33 Prozent (Hals) der Befragten noch die meisten Befürworter gab.

Rund zwei Wochen vor der Abstimmung sprach sich die Schulleitung des Gisela-Gymnasiums klar für den Bau des Tunnels aus. „Wir sind der Ansicht, dass ein eigener Tunnel für Fußgänger und Radfahrer, der nach Auskunft der Stadtverwaltung so groß ist, dass sogar ein Stadtbus durchfahren könnte, und der Tag und Nacht entsprechend ausgeleuchtet ist, ein deutliches Mehr an Sicherheit bedeutet“, so Schulleiter Rudolf Nerl. Und das gelte auch und insbesondere für die Niedernburger Mädchen auf ihrem Schulweg.[2]

Eine gemeinsame Podiumsdiskussion von Tunnelgegnern und -befürworten scheiterte im Vorfeld des Bürgerbegehrens aus verschiedenen Gründen.[3][4] In der Folge verzichtete die Stadt Passau gänzlich auf eine Diskussionsveranstaltung.[5] Stattdessen legten beiden Seiten ihre Meinungen in der Passauer Neuen Presse vom 20. April 2013 unter dem Titel „Schlagabtausch zum Bürgerentscheid“ dar.

In den Tagen unmittelbar vor dem Bürgerentscheid sind Befürworter und Gegner nochmals verstärkt mit Werbemaßnahmen aktiv geworden. Am Morgen des 26. April haben sich fraktionsübergreifend Lokalpolitiker der SPD, Grünen, FWG und ÖDP mit einigen Radlern am stadteinwärtigen Ilzdurchbruch postiert, um mit einem großen Werbe-Banner („Vom Tunnel profitieren alle“) auf ihr Anliegen aufmerksam zu machen. Tags darauf gab es von 10 bis 14 Uhr einen ebenfalls fraktionsübergreifenden Info-Stand der Tunnel-Befürworter am Ludwigsplatz. Die Befürworter haben vor allem im Passauer Westen noch mit 3.000 Flyern geworben.

Abstimmung

Am 28. April 2013 wurde in Form von zwei Bürgerentscheiden über den Bau des Tunnels abgestimmt. Insgesamt beteiligten sich 10.271 von 40.433 abstimmungsberechtigten Passauern an der Abstimmung, womit die Wahlbeteiligung 25,4 Prozent betrug und das vorgeschriebene Quorum von 15 Prozent (6.065 Stimmen) erfüllt wurde. Ob das Quorum erreicht würde, stand lange auf der Kippe: Bis 12 Uhr hatten nur 2.434 Passauer (6,5 Prozent) ihre Stimme abgegeben. Erst gegen 16 Uhr wurden 5.898 Wähler (15,7 Prozent) gemeldet.

Nach dem amtlichen Endergebnis erhielt das Ratsbegehren 3.089 Stimmen und 6.264 Gegenstimmen, das Bürgerbegehren 6.945 Stimmen und 2.591 Gegenstimmen. Das Ergebnis war demnach deutlich: 73 Prozent der Wähler sprachen sich gegen das Bauprojekt aus. Nur in einem der 37 Wahllokale gab es eine Mehrheit für den Tunnel (in Hals); die meisten Gegner verzeichnete mit 82,38 Prozent ein Abstimmungslokal in der Innstadt. Oberbürgermeister Jürgen Dupper erklärte, er und die Stadträte würden dieses deutliche Ergebnis respektieren und die Planungen einstellen. Eine Neuauflage der Debatte nach Ablauf der Bindungsfrist werde es nicht geben, das Ergebnis sei zu deutlich.

Konsequenzen

Nachdem die Passauer beim Bürgerentscheid den Tunnel abgelehnt hatten, soll der Gehweg entlang der B 8 zwischen Ilzdurchbruch und Hängebrücke „in gleicher Breite wie vor der Baumaßnahme Ilzbrücke wiederhergestellt werden“, so das Staatliche Bauamt Passau. Dies hatte es bereits vor dem Bürgerentscheid als Konsequenz angekündigt.

Diskussion um die Linksabbiege-Spur

Infragestellung

Im Zuge der Diskussion um den Tunnel stellte unter anderem auch Markus Ihle, der Ortsvorsitzende der CSU Passau-Mitte, öffentlich die Frage, wer denn überhaupt eine Linksabbiege-Spur brauche. So äußerte er gegenüber der PNP den Verdacht, dass es den Befürwortern in erster Linie weniger um den Tunnel als um die Schaffung der vollwertigen Abbiegespur auf die Hängebrücke geht. „Wer aber braucht an dieser Stelle wirklich die Möglichkeit, nach links abzubiegen?“, so Ihle in einem Schreiben an die Lokalredaktion. Angefahren werden könne allenfalls das Parkhaus am Römerplatz. Eine Einfahrt in sämtliche Altstadt-Straßen bis zum Peschlbergerl - wo noch dazu ausschließlich die Auffahrt auf die Rampe zur Schanzlbrücke zulässig ist - sei für die weit überwiegende Zahl der Autofahrer ohnehin nicht erlaubt. Und für den Bereich Donaulände werde es kaum ernsthaft Zielverkehr geben.

Ihle zu Folge würde mit einer Streichung der Abbiegemöglichkeit der Verkehrsfluss im Bereich Ilzdurchbruch gefördert. Auch würden zahlreiche weitere Problemstellen zumindest entschärft: die unbefugte Einfahrt in die Altstadt-Gassen, das Verkehrsaufkommen am Römerplatz allgemein, die Abkürzung Residenzplatz in die Innbrückgasse, die Nutzung der Donaulände als Berufsverkehr-Alternative zum Anger und letztlich das verbotene Linksabbiegen am Peschlbergerl. Im Ergebnis träfe eine Streichung der Linksabbiegespur allenfalls die Bewohner der Altstadt - diese würden es aber sicherlich für eine Beruhigung ihrer Wohngegend in Kauf nehmen, so Ihle.

Antwort der Anwohner

Mit seinen Äußerungen erntete Ihle einen Sturm der Entrüstung. „Wir sind es leid, uns von selbsternannten Hobby-Verkehrsexperten die Altstadt zwangsberuhigen zu lassen“, brachte es Apotheker Wolfgang Zormaier stellvertretend für viele Altstadt-Bewohner auf den Punkt.[6] Seiner Ansicht nach profitieren aber neben den Altstadt-Bewohnern vor allem Pendler, Besucher und Kunden von der kürzesten Verbindung zwischen Ilzdurchbruch und Römerplatz/Donaulände, wollen sie nicht weite Wege via Schanzlbrücke inklusive Staupotenzial erleiden.

Neben Zormaier bekräftigte aber etwa auch OB-Sprecher Herbert Zillinger die Bedeutung der Linksabbiegespur in Richtung Altstadt. „Sie ist ein wichtiger Bestandteil zur Erreichbarkeit der Anwohner und der Arbeitsplätze in der Altstadt. Wir sind sehr dankbar, dass es in unserer klassischen Altstadt noch zahlreiche funktionierende Einrichtungen wie beispielsweise Schulen, Kindertagesstätten und Behörden gibt, die viele Arbeitsplätze vorhalten. Diese Struktur darf nicht gefährdet werden.“[6]

Einzelnachweise

  1. 1,0 1,1 Thomas Seider: „Mir kann nicht wurst sein, was in der Stadt geschieht.“ In: Passauer Neue Presse vom 15. Oktober 2012 (S. 23)
  2. PNP: Niedernburger Schulen plädieren für Tunnel. In: Passauer Neue Presse vom 14. April 2013 (S. 21)
  3. Wolfgang Lampelsdorfer: Kein gemeinsamer Termin: Tunnel-Podium platzt. In: Passauer Neue Presse vom 14. April 2013 (S. 19)
  4. Thomas Seider: OB bietet Diskussion bei FDP an. In: Passauer Neue Presse vom 16. April 2013 (S. 19)
  5. Thomas Seider: Dupper verzichtet auf Infoabend zum Bürgerentscheid. In: Passauer Neue Presse vom 17. April 2013 (S. 17)
  6. 6,0 6,1 Christian Karl: Kritik an Linksabbiegespur provoziert Altstädter. In: Passauer Neue Presse vom 5. November 2012 (S. 23)

Literatur

Weblinks