Stadtratswahl 2020 (Passau)
Die Stadtratswahl 2020 in Passau fand am 15. März 2020 statt. Dabei wurden sowohl der Stadtrat als auch der Oberbürgermeister für die Amtsperiode 2020/2026 gewählt.
Inhaltsverzeichnis
Ausgangslage
Die Auswahl war in der Stadt Passau noch nie so groß wie jetzt bei der Kommunalwahl 2020: Acht OB-Kandidaten bewerben sich und zehn Stadtratslisten, so viele wie noch nie. Der amtierende OB Jürgen Dupper (SPD, OB seit 2008, Stadtrat seit 1990) bewirbt sich um eine dritte Amtszeit. Als aussichtsreichster Herausforderer gilt CSU-Kandidat Georg Steiner (Stadtrat der Bürgerliste 1992-99 und der CSU seit 2014). Dupper zu schlagen ist schwer. Seine beiden Wahlsiege 2008 und 2014 hat er mit überragenden Ergebnissen geholt. Vor zwölf Jahren hatte er in einem Sturmlauf dem vormaligen CSU-OB Albert Zankl das Amt abgenommen. Bei damals vier OB-Kandidaten war er schon im ersten Wahlgang mit 47 Prozent deutlich vor OB Zankl mit 38 gelegen. Bei der Stichwahl machte er daraus gar 61 gegen 39 Prozent. Vor sechs Jahren dann brauchte Dupper gar keinen zweiten Wahlgang, obwohl es damals bereits fünf OB-Kandidaten waren und eine Stichwahl rechnerisch umso wahrscheinlich wird je mehr Kandidaten es sind. Dupper kam auf knapp 65 Prozent im ersten Wahlgang weit vor der damaligen CSU-Kandidatin Rosemarie Weber mit gut 18 Prozent, Urban Mangold (ÖDP) mit 9 Prozent, Ursula Karl-Hellwing (PaL) mit etwas über und Karl Synek (Grüne) mit etwas unter 4 Prozent.
Diesmal mit nun sogar acht OB-Kandidaten wird rechnerisch eine Stichwahl also noch wahrscheinlicher, hoffen zumindest Duppers Herausforderer – sagt doch ein ungeschriebenes Gesetz: Muss ein amtierender OB in die Stichwahl, dann verliert er sie (Ausnahmen bestätigen die Regel). Bei den letzten Stichwahlen in Passau stimmte es jedenfalls: 2008 verlor OB Zankl die Stichwahl gegen Dupper, 2002 OB Willi Schmöller (SPD) gegen Zankl und 1990 OB Hans Hösl (CSU) gegen Schmöller.
Georg Steiner soll die in Passau seit 1990 zwischen CSU und SPD hin- und hergereichte OB-Krone also für die CSU zurückholen. Steiner ist ein erfahrener Stadtrat, er war schon 1992 bis 1999 im Gremium und ist es seit 2014 für die CSU wieder. Die meiste Erfahrung als OB-Kandidat von allen acht Bewerbern inklusive Dupper hat Urban Mangold (ÖDP, Stadtrat seit 1992, 2. Bürgermeister seit 2008): Er kandidiert bereits zum vierten Mal zum OB. Vor sechs Jahren kam er auf 9 Prozent, vor zwölf Jahren sogar auf 13. Noch drei weitere OB-Kandidaten sind amtierende Stadträte: Matthias Koopmann kandidiert für die Passauer Liste (PaL), er wurde erstmals 2002 damals auf der ÖDP-Liste in den Stadtrat gewählt. Siegfried Kapfer ist Kandidat der FWG (nicht zu verwechseln mit der Partei Freie Wähler von Hubert Aiwagner, wie er betont) und Stadtrat seit 2008. Christa Tausch ist Kandidatin der FDP, sie wurde 2014 auf der Grünen-Liste in den Stadtrat gewählt, nachdem sie ihr zuvor bestehendes Dienstverhältnis bei der Stadt Passau beendet hatte.
Zwei OB-Kandidaten sind bislang nicht im Stadtrat: Stefanie Auer wurde von den Grünen nominiert und Josef Ilsanker von der Linken. Die Linke tritt erstmals mit einem OB-Kandidaten und auch erstmals als Stadtratsliste an. Ebenfalls erstmals tritt die AfD an, allerdings in Nachfolge einer Wählervereinigung mit Namen Pro Passau, die vor sechs Jahren kandidierte und sich mittlerweile aufgelöst hat. Eine neue Liste ist Zukunft Passau, eine junge Liste bei der auch bekannte Gesichter der Jungen Union zu finden sind. Sie mussten als einzige Unterstützerunterschriften sammeln und waren auch erfolgreich dabei. An der Unterschriftenhürde waren vor sechs Jahren Linke und Piraten gescheitert. Linke und AfD brauchten diesmal nicht zu sammeln, weil sie zwar nicht im Stadtrat vertreten sind, aber das zweite Kriterium erfüllen, das von der Unterschriftenpflicht entbindet: Ihre Partei kam bei der letzten Landtags- oder Bundestags- oder Europawahl auf bayerischer Landesebene über 5 Prozent.
Diesmal sind es also zehn Stadtratslisten, 2014 waren es acht, die auch alle in den Stadtrat einziehen konnten. SPD und CSU holten jeweils zwölf Sitze, ÖDP sechs, Grüne fünf, PaL und FWG je drei, FDP zwei, Pro Passau einen.
Wahlvorschläge und Zielsetzungen
Zum Stadtrat gewählte Kandidaten sind in der nachfolgenden Übersicht fett markiert.
CSU
Der Wahlkampf der CSU stand unter dem Slogan "Ideen.Mut.Taten. Die neue CSU". Er war in der Außenwirkung vor allem durch innere Zerstrittenheit geprägt. Dies begann bereits im Vorfeld mit der Suche nach einem Kandidaten für das Oberbürgermeisteramt. nachdem sowohl der Fraktionsvorsitzende im Stadtrat Armin Dickl als auch der Kreisvorsitzende Holm Putzke Interesse an einer Kandidatur geäußert hatten, setzte der Kreisvorstand der CSU eine "Findungskommission" aus Vertretern von Kreisvorstand und Fraktion ein, welche eine einvernehmliche Lösung finden sollte. Nachdem keine Einigkeit hergestellt werden konnte, kam es in der Findungskomission entgegen ihres Auftrags zu einer Kampfabstimmung zwischen Dickl und Putzke, welche Dickl mit einer Stimme für sich entscheiden konnte. Putzke zog seine Kandidatur daraufhin zurück. Im Kreisvorstand wurde das Verhalten der Findungskomission kritisch diskutiert, nach langer Diskussion wurde schließlich mit knapper Mehrheit eine Empfehlung an die Mitgliederversammlung für Dickl als OB-Kandidaten ausgesprochen, wobei es zu diesem Zeitpunkt keinen Gegenkandidaten gab. Gerhard Waschler behauptete hinterher in der PNP, der Beschluss sei einstimmig ergangen. [1]
Auf der Mitgliederversammlung der CSU am 05.07.2019, bei der alle Mitglieder der Passauer CSU stimmberechtigt waren, wurde schließlich Georg Steiner mit deutlicher Mehrheit zum OB-Kandidaten gekürt, welcher zuvor ebenfalls sein Interesse bekundet hatte. [2]
Steiner ging im folgenden auf seine innerparteilichen Gegner zu und platzierte diese prominent auf der CSU-Liste. Diese verweigerten sich jedoch dem gemeinsamen Wahlkampf und einige machten unter dem Slogan "5 Freunde" (Evi Buhmann, Armin Dickl, Michael Hasenberger, Josef Haydn und Josef Reischl) einen eigenen Wahlkampf. Die Zerrissenheit wurde so weiter nach außen sichtbar. Zudem positionierten sich im Wahlkampf mehrere Ortsvorsitzende öffentlich gegen Putzke, da ihnen einer seiner privaten Facebook-Kommentare zu einem bundespolitischen Thema missfiel. Auch wurden interne Chatprotokolle an die Presse weitergegeben, welche neue Kandidaten, welche zum engeren Kreis um Steiner und Putze gehörten, in ein schlechtes Licht zu rücken versuchten. [3]
Der fehlende Zusammenhalt schlug sich im Wahlergebnis nieder: Die CSU verlor erneut drei Mandate und kann nun nur noch neun Stadträte entsenden. Zudem konnte erstmals kein neuer Stadtrat für die CSU in das Gremium einziehen, alle neun Stadträte hatten dieses Ehrenamt bereits in der Periode zuvor.
1. Georg Steiner |
12. Josef Haydn |
23. Franz Küblbeck |
34. Rosa Dellinger |
Bündnis 90/Die Grünen
1. Stefanie Auer |
12. Maximilian Retzer |
23. Annette Piwowarsky |
34. Matthias Fuchs |
AfD
1. Robert Schregle |
4. Rita Michaelsen-Berger |
7. Ludmilla Bitzer |
10. Herta Haimerl |
SPD
1. Jürgen Dupper |
12. Manfred Springinklee |
23. Dan Rattan |
34. Vera Spörl |
FDP
1. Christa Tausch |
12. Ingrid Stadler |
23. Isabelle Logelin |
34. Lisa Brachmann |
ÖDP/Aktive Passauer
1. Urban Mangold |
12. Sandra Beinbauer |
23. Monika Meyer |
34. Carol Baierl |
Passauer Liste
Die Passauer Liste verabschiedete am 9. Januar 2020 einstimmig und ohne größere Debatte ihre 44-köpfige Kandidatenliste. Darauf finden sich erfolgreiche Passauer Geschäftsfrauen, Szene-Wirte, Selbstständige, Vereinsfunktionäre, ein Bio-Profi und eine junge Kulturveranstalterin ebenso wie eine Universitätsprofessorin, der Diözesanratsvorsitzende und eine regionale Größe im Fußballschiedsrichter-Wesen.
Bereits am 19. Dezember 2019 hatte man sich auf Matthias Koopmann als OB-Kandidaten sowie auf die grundsätzlichen Themen verständigt. Als wichtigste Themen nennt die PaL Verkehr, Stadtentwicklung und Denkmalschutz; ebenso die Verhinderung des angedachten Hochwasserschutzes an der Innpromenade. In Sachen Digitalisierung und die Herausforderungen für die Arbeitswelt will man versuchen, auf lokaler Ebene Kooperationen von Lehrstühlen der Universität Passau und so manchen hiesigen Arbeitgebern zu schaffen. Die PaL wünscht sich auch mehr Teilhabe von Gremien wie dem Gestaltungsbeirat, der auf PaL-Initiative vor Jahren wieder installiert wurde, oder auch des bestehenden Kulturbeirats oder eines wiederbelebten Jugendrats. Als Wunschziel für die Wahl gibt sie vier Mandate aus. Bisher hat sie drei, wobei Stadträtin Ursula Karl-Hellwing nicht wieder antritt.
1. Heinz-Peter Höber |
12. Manfred Fasching |
23. Andreas Rathmayr |
34. Gesa Peters |
Freie Wählergemeinschaft
1. Siegfried Kapfer |
12. Elisabeth Wolf |
23. Armin Frenzel |
34. Heidi Riederer |
Die Linke
1. Josef Ilsanker |
8. Robert Stadler |
15. Eva Urmann |
22. Stefan Schmidt |
Zukunft Passau
1. Jonas Weidenthaler |
12. Richard Schaffner |
23. Max Kleinhenz |
34. Thomas Kauzner |
Der neue Stadtrat
Das Durchschnittsalter des neuen Stadtrates (44 Stadträte un der OB) liegt bei etwa 53 Jahren, und damit wieder da, wo der alte Stadtrat 2014 ebenfalls lag. Der jüngste Stadtrat ist Matthias Weigl mit Anfang 20, der älteste ist Josef Reischl mit Mitte 70. Der neue Stadtrat bleibt damit der älteste seit langem. Von den vier großen Fraktionen SPD, CSU, Grüne und ÖDP ist die CSU-Fraktion mit einem Altersdurchschnitt von 60 Jahren die älteste, die Fraktion der Grünen mit einem Altersdurchschnitt von knapp 45 Jahren die jüngste.
Das zahlenmäßige Verhältnis der Geschlechter änderte sich geringfügig: Mit nun 35 Männern (77,8%) und zehn Frauen (22,2%) ist im Vergleich zur vorherigen Amtsperiode eine Frau weniger im Gremium. Von den vier großen Fraktionen SPD, CSU, Grüne und ÖDP hat die Fraktion der Grünen mit 28,6% den höchsten Frauenanteil, die der ÖDP mit 16,7% den geringsten.
Bei der zahlenmäßigen Stärke in den Stadtratsausschüssen waren die Grünen die größten Gewinner, sie konnten sich von fünf auf sieben Stadtratsmandate steigern. Damit gibt es jetzt vier größere Fraktionen (SPD, CSU, Grüne und ÖDP) und drei kleine Fraktionen (PAL, FWG und FDP) im Stadtrat. Die drei Listen, die erstmals in den Stadtrat einzogen, konnten keine Fraktionsstärke erreichen: Die AFD erreichte zwar ebenso wie die FDP zwei Mandate, hat aber weniger Wählerstimmen als die FDP erhalten, womit der rechnerisch letzte Ausschusssitz an die FDP geht. Die Linke und Zukunft Passau konnten jeweils nur ein Mandat erringen und sind damit ebenfalls keine Fraktion. Die Passauer Liste überließ allerdings einen ihrer Ausschussitze dem Zukunft Passau-Stadtrat Jonas Weidenthaler, die FDP machte Linken-Stadtrat Josef Ilsanker zum stellvertretenden Ausschussmitglied.
Unmittelbar nach der Wahl wurde damit begonnen, eine neue „gestalterische Mehrheit“ sowie die Besetzung der beiden weiteren Passauer Bürgermeister auszuloten. Die SPD wendete sich dabei von ihren bisherigen Bündnispartnern aus Grünen und ÖDP ab und bildete eine "Koalition" mit der CSU, FWG und der FDP. Neuer zweiter Bürgermeister wurde Andreas Rother (SPD), neuer dritter Bürgermeister wurde Armin Dickl (CSU). Zudem wurde der neue Posten eines weiteren Vertreters des Oberbürgermeisters geschaffen, welcher an Erika Träger (FWG) vergeben wurde. Die Entscheidung einen neuen "vierten Bürgermeister" zu schaffen, wurde von einigen als Postenschafferei für Koalitionsabsprachen auf Kosten der Steuerzahler kritisiert.[4]
Literatur
- Christian Karl: Passauer Liste mit einer bunten Liste an Kandidaten. In: Passauer Neue Presse vom 11.01.2020 (S. 18)
- Elke Fischer: Die Ruhe selbst. In: Passauer Neue Presse vom 14.02.2020 (S. 21)
- Daniela Stattenberger: Zeit für eine(n) Tausch? In: Passauer Neue Presse vom 18.02.2020 (S. 21)
- Thomas Seider: Eine Wahl so bunt wie keine zuvor. In: Passauer Neue Presse vom 07.03.2020 (S. 2 ff., Sonderbeilage)
Weitere Berichterstattung der PNP
- Thomas Seider: PNP-Serie zur Wahl – heute: Hochwasserschutz. In: Passauer Neue Presse vom 24.02.2020 (S. 25)
- PNP: „Lebenswerte Innstadt“ setzt Wahlprüfsteine. In: Passauer Neue Presse vom 29.02.2020 (S. 22)
Einzelnachweise
- ↑ Elke Fischer: Beschlüsse einhalten In: Passauer Neue Presse vom 27. Juni 2019
- ↑ Elke Fischer: OB Steiner – ein Glücksfall für die Stadt In: Passauer Neue Presse vom 08. Juli 2019
- ↑ Elke Fischer: CSU-Analyse: Schwere Vorwürfe gegen Dickl In: Passauer Neue Presse vom 16. April 2020
- ↑ Thomas Seider: Vier Bürgermeister für Passau In: Passauer Neue Presse vom 05. Mai 2020